Das seit 2021 schrittweise eingeführte neue Aktienrecht enthält eine Vielzahl kleinerer und auch einige grössere Neuerungen. Für die Inves­ tor Relations ist es insofern relevant, als die Minderheitsaktionäre mehr Rechte erhalten. Bisher hatten sie – neben dem Stimmrecht – lediglich Anrecht darauf, einmal jährlich an der Generalversammlung kritische Fragen zu stellen. Neu muss der Verwaltungsrat Aktionären, die min­destens 10 Prozent des Kapitals oder der Stimmen vertreten, zwischen den Generalversammlungen innert vier Monaten Auskunft erteilen. Auch wurden die Schwellenwerte für das Recht, an der GV Anträge zu stellen, gesenkt: Statt 10 braucht es neu bei kotierten Gesellschaften nur noch 0,5 Prozent.

Zudem hält die Digitalisierung im Aktienrecht Einzug, indem die bislang physische Form und Präsenz an Generalversammlungen gelockert werden.

Hier eine Auswahl wichtiger Neuerungen:

Generalversammlungen an mehreren Orten oder virtuell
  • Eine Generalversammlung darf an mehreren Orten gleichzeitig stattfinden. Es können diverse Lokale rund um die Welt definiert und die Handlungen der Standorte je live in die anderen Standorte übertragen werden. Bei einer Abstimmung stimmen die Aktionäre an allen Standorten gleichzeitig ab.
  • Aktionäre können aus Distanz an einer Generalversammlung teilnehmen und dürfen sich dabei auch elektronisch zuschalten, sich per Video zu Wort melden und mitstimmen.
  • Sofern es die Statuten einer Gesellschaft vorsehen, sind auch virtuelle Generalversammlungen möglich und können wie Videokonferenzen durchgeführt werden.
  • Generalversammlungen können neu auch schriftlich abgehalten werden.
  • Gesellschaften, welche von diese neuen Möglichkeiten Gebrauch machen wollen, müssen rechtzeitig die dafür nötige technische Infrastruktur bereitstellen und die rechtlich korrekten Prozesse definieren.
  • Durch die elektronische Stimmabgabe haben Aktionäre die Mög­ lichkeit, ohne physisch präsent zu sein an einer GV teilzunehmen, und müssen dem Stimmrechtsvertreter somit keine Weisungen mehr erteilen.
Einführung von Frauenquoten
  • In Verwaltungsräten sollen beide Geschlechter zu mindestens 30 Prozent vertreten sein, in Geschäftsleitungen zu mindestens 20 Prozent. Die Übergangsfrist für die Verwaltungsräte beträgt fünf Jahre (sprich bis 2027), für Geschäftsleitungen zehn Jahre (2032).
  • Werden die Quoten nicht erreicht, müssen die Unternehmen im Geschäftsbericht die Gründe sowie Massnahmen zur Verbesserung darlegen.
  • Harte Sanktionen sind nicht vorgesehen. Der Gesetzgeber vertraut auf die Prangerwirkung nicht erfüllter Quoten.
Strengere Regeln für unabhängigen Stimmrechtsvertreter
  • Stimmrechtsvertreter müssen neu Weisungen von Aktionären bis zur Generalversammlung vertraulich behandeln.
  • Sie dürfen der Geschäftsleitung oder dem Verwaltungsrat zwar eine allgemeine Auskunft über Stimmrechtstendenzen zu einzelnen Traktanden abgeben, aber frühestens drei Werktage vor der GV.
  • An der Versammlung müssen sie erklären, welche Informationen sie zuvor der Gesellschaft erteilt haben. So wird Transparenz hergestellt.
  • Die Vorschrift zur Unabhängigkeit der Stimmrechtsvertreter wird verschärft. Sie müssen neu so unabhängig sein wie eine externe Revisionsstelle.
Ausblick

Im Kontext einer weitergehenden Reform des Finanzmarktrechts hat der Bundesrat im Juni 2024 die Vernehmlassung zu einer Teilrevision des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes (FinfraG) eröffnet. Voraussichtlich treten die neuen Regeln frühestens 2027 in Kraft und betreffen das Führen von Insiderlisten, die Ad-hoc-Publizität, Management-Transaktionen und das Offenlegungsrecht sowie Übernahmerecht. => Vernehmlassung 2023/99: www.fedlex.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/dl/proj/2023/99/cons_1/doc_1/de/pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-dl-proj-2023-99-cons_1-doc_1-de-pdf-a.pdf

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