1.3.4 Aktivistische Aktionäre

Ein aktivistischer Aktionär erwirbt einen Anteil an der Gesellschaft mit dem Ziel, Druck auf den Verwaltungsrat auszuüben und mit seiner Inter­ vention den Unternehmenswert zu steigern.

Aktivisten analysieren die Zielgesellschaft vor einer Kontaktaufnahme mit dem Verwaltungsrat oder der Lancierung einer Medienkampagne genau. Die häufigsten Angriffspunkte bilden dabei die unterdurch­schnittliche Aktienkursentwicklung, ineffizienter Kapitaleinsatz (strate­gische Fehler, operative Misstritte) und mangelhafte Corporate Gover­nance oder ausgeprägte Schwächen im Bereich der nachhaltigen Geschäftsführung. Auch eine überhöhte Managementvergütung kann, vor allem in einer Medienkampagne, ein Angriffspunkt sein.

Die meisten institutionellen Investoren begrüssen die Zunahme aktivisti­scher Aktionäre, wie sie in Europa und auch in der Schweiz in den letzten Jahren zu verzeichnen ist. Auch wenn sie mit den jeweils spezifischen Forderungen nicht unbedingt einverstanden sind, unterstützen sie den generell höheren Druck auf die Unternehmen, sich besser und rascher an die sich wandelnden Marktverhältnisse anzupassen und «investorenfreundlich» zu operieren.

Ist das Haus in bester Ordnung…

Der beste Schutz, wenn der Einstieg eines aktivistischen Aktionärs im Raum steht, sind möglichst wenige offene Flanken: je klarer die Unter­nehmensstrategie, je straffer deren Umsetzung, je disziplinierter der Kapital­ und Mitteleinsatz, desto besser. Auch eine enge Beziehungs­pflege mit den institutionellen Investoren hilft.

Der zweitbeste Schutz ist ein gutes IR­- und Kommunikationsprogramm. Es startet mit einer fundierten Analyse. Welche Stärken und Schwächen hat das Unternehmen aus Investorensicht? Welche potenziellen Argumente eines Aktivisten ergeben grundsätzlich Sinn und müssten in der Strategie oder Organisation stärker berücksichtigt werden? Wie kann das konkret geschehen? Welche Argumente wären zu kontern, mit welchen Fakten könnten die Gegenargumente unterlegt werden? Neben strategischen müssen auch organisatorische Fragen beantwortet sein. Wie würden sich Verwaltungsrat und Geschäftsleitung beim Auftauchen eines Aktivisten organisieren, wer würde mit ihm sprechen? Welche Berater wären bei­ zuziehen?

Enge Führung der Kommunikation

Die spezifischen IR-­Massnahmen gleichen denjenigen zur Abwehr eines unfreundlichen Übernahmeangebots: Überprüfung der IR­-Strategie und Kapitalmarktstory, meist gefolgt von einer Intensivierung des IR­-Pro­gramms und der Beziehungspflege mit den Analysten und Investoren. Nützlich ist eine gute Kenntnis, wie die wichtigsten Investoren das Unter­nehmen beurteilen, wo sie in der Strategie Schwachpunkte orten, was sie zur Dividendenpolitik oder zur Kapitalallokation meinen. Überdies ist besonders genau auf die Einhaltung aller rechtlichen (Kommunikations­-) Pflichten zu achten, um keine zusätzlichen Angriffsflächen zu bieten.

Macht sich ein Aktivist bemerkbar, ist dessen Leistungsausweis sowie sein Verhalten gegenüber seinen früheren Zielobjekten zu prüfen. Auf der Basis ist zu entscheiden, ob der direkte Kontakt gesucht und wie die­ser gestaltet werden soll. Ein solcher direkter Kontakt ist, wie er bei jedem grösseren Aktionär erfolgt, meistens, aber nicht immer zielführend. Ge­nau umgekehrt ist es mit den Medien: Es ist meistens nicht sinnvoll, den Konflikt mit einem Aktivisten zunächst über die Medien zu eskalieren.


1.3.5 Kommunikation in Krisen

Schwere Unternehmenskrisen erfassen auch die IR. Finanzielle Prob­leme, abrupte Führungswechsel, Datenverlust, Produkterückrufe, Un­glücksfälle – Krisen können viele Ursachen haben, weshalb es kein Stan­dardrezept gibt, wie die konkrete IR-­Strategie im Einzelfall auszusehen hat.

Eigen ist den meisten Unternehmenskrisen allerdings, dass sich die unterschiedlichen Informationsbedürfnisse der einzelnen Ziel­gruppen akzentuieren. Kunden, Mitarbeitende und Investoren müssen noch mehr als im Tagesgeschäft mit zielgruppenspezifi­schen Informationen bedient werden, bei gleichzeitiger Konsistenz der Kernbotschaften. Der Grundsatz gilt auch innerhalb der IR, indem sich im Krisenfall der Blick von Aktionären, Obligationären und kreditgebenden Banken auf verschiedene Finanzkenn­zahlen und strategische Aspekte richtet.

Investor Relations sind im Tagesgeschäft eine ernst zu nehmende, wenn auch wenig spektakuläre Angelegenheit.

Die üblichen Massnahmen sowie die kommunikativen Pflichten sind in den Kapiteln ➔ 6 und ➔ 8 beschrieben. Aufgrund ausserordentlicher Unternehmenssituationen können IR­-Themen plötzlich strategische Relevanz erlangen und zuoberst auf der Prioritätenliste von Verwaltungs­rat und Geschäftsleitung aufscheinen. Eine Auswahl solcher Situationen wird nachfolgend beschrieben.


1.3.1 Börsengang/Spin-off

Für die allermeisten Unternehmen bildet der Börsengang den Auslöser und Ausgangspunkt für die Etablierung oder Professionalisierung der Investor Relations. Aus Sicht der institutionellen Anleger, welche bei einem Initial Public Offering (IPO) fast immer die wichtigste Zielgruppe bilden, ist ein Börsengang ein klar definierter Prozess, bei dem es darum geht, ein Unternehmen zu bewerten, einen Investitionsent­scheid zu fällen, im Zusammenspiel mit der Emissionsbank Angebot und Nachfrage auszuloten und für ein Aktienpaket einen angemesse­nen Preis zu definieren. Unternehmen und Medien können aus unter­ schiedlichen Beweggründen ein Interesse haben, diesen rationalen Prozess emporzustilisieren und Emotionen zu schüren. Dies geschieht über die mediale Positionierung des Unternehmens und seiner Expo­nenten. Die Aufgaben und Prozesse beim Börsengang, auch jene aus Kommunikationssicht, sind im IPO Guide von SIX umfassend darge­ stellt, siehe ➔ www.six-group.com/de/products-services/the-swiss- stock-exchange/listing/equities/ipo.html

IPO als Basis der IR

Darum hier nur ganz kurz: Ein Börsengang bereitet das Fundament für jegliche IR-­Tätigkeit. Im IPO wird der Grundstein gelegt, sowohl inhaltlich, konkret im Prospekt und in der Roadshow-Präsentation (dazu mehr im ➔ Kapitel 2), als auch hinsichtlich der Investoren­ und Aktionariatsstruktur (➔ Kapitel 4). Zudem wird im ersten Jahr nach dem Börsengang mit den kontinuierlichen IR festgelegt, wie transparent und wie häufig eine Gesellschaft über die Strategie, das Erreichte und das Beabsichtigte (siehe dazu Kapitel ➔ 2 und ➔ 3) kom­muniziert. Empfehlenswert ist, dies auf Basis eines Konzepts statt aus dem Augenblick heraus (ad-­hoc) zu tun.


1.3.2 Fusionen und Übernahmen

Fusionen und Übernahmen, kurz M&A, sind bei vielen Unternehmen fester Bestandteil der Strategie. Darunter fallen Vorgänge im Zusam­menhang mit Eigentumsrechten an Unternehmen einschliesslich der Umstrukturierung von Konzernen, der Verschmelzung, der Finanzie­rung des Unternehmenserwerbs, der Gründung von Gemeinschafts­unternehmen sowie der Übernahme von Unternehmen.

So unterschiedlich die Prämissen, so unterschiedlich Ziele und Relevanz der Kommunikation. Am häufigsten sind Transaktionen, bei welchen sich die beiden Parteien diskret einigen und gemeinsam über den Zusammen­schluss oder die Übernahme orientieren. Zusätzlich zur Vorbereitung auf ein Informationsleck, einer schlüssigen Begründung des Zusam­menschlusses und der Finanzierung sowie einer technisch tadellosen Ankündigung und Abwicklung der Transaktion besteht die Aufgabe der IR vor allem darin, für allfällige Kritik seitens einzelner Aktionäre gewappnet zu sein. Die Ankündigung der Transaktion bildet dabei den Höhepunkt des Kommunikationskonzepts. Sie wird, was die Kommuni­kation mit den Investoren betrifft, gefolgt von der Abwicklung, wie sie die Übernahmekommission respektive die Ad­-hoc­-Regeln vorschreiben.

Übernahmekommission

In der Schweiz schreibt die Übernahmekommission für M&A­-Trans­aktionen ein detailliertes Regelwerk vor. Es verpflichtet überneh­mende Unternehmen namentlich auf einen genauen Zeitplan, von der Vorankündigung über den Kaufprospekt bis hin zur Information über die Zwischen­ und Endresultate. Die Regeln bestimmen auch den technischen Teil der Kommunikation. Bei grenzüberschreitenden Transaktionen ist überdies eine Abstimmung der Kommunikation mit den rechtlichen Vorschriften beider betroffenen Länder erforderlich. Betreffend Rechtsgrundlagen sei verwiesen auf die Website der Übernahmekommission (➔ takeover.ch) sowie auf die Verordnung der Übernahmekommission über öffentliche Kaufangebote, siehe ➔ admin.ch/opc/de/official-compilation/2013/1119.pdf

Bieterkämpfe

Komplexer sind die IR-­Aufgaben bei umstrittenen Transaktionen. So wichtig auch in solchen Fällen die erste Ankündigung ist – wer sagt was und in welchem Tonfall? –, so nehmen Übernahmeangebote, unfreund­liche Übernahmen und Bieterkämpfe häufig einen ungewissen Verlauf. Hier hängt der Erfolg wesentlich von der Kommunikation im Nachgang zur ersten Ankündigung ab. Die Financial Community will mit guten Argumenten und guter Kommunikation überzeugt werden. Zusätzlich zum oben genannten Basisinstrumentarium gewinnt hier der Nachrich­tendienst, also eine umfassende und aktuelle Analyse der Meinungen von Investoren, Analysten und Journalisten, an Bedeutung, nicht zuletzt deshalb, um Verlautbarungen der Gegenseite rasch zu kennen. Je mehr Zeit für den eigenen Positionsbezug zur Verfügung steht, umso besser. Mit Internet und Social Media hat sich der früher tägliche Newszyklus auf einen Stundenzyklus verkürzt.

Zweifellos erleichtert gute Kommunikation einem akquirierenden Unter­ nehmen ein M&A­-Vorhaben, auch wenn Investoren schliesslich auf Basis harter Zahlen, sprich der Höhe und Form des Kaufpreises, entscheiden. Firmen, die die eigenen Aktionäre gut kennen, erhöhen jedoch die Chan­ce, eine Transaktion zu einem guten Preis zu realisieren. Sie reduzieren die Wahrscheinlichkeit, dass Aktionäre einer oder beider betroffenen Gesellschaften Widerstand leisten.

Unfreundliche Übernahmeangebote

Ebenso hat eine Firma, die mit einem unfreundlichen Übernahme­ angebot konfrontiert ist, mit guter Kommunikation eher Aussicht dar­auf, einen höheren als den ersten gebotenen Preis zu realisieren. Dies ist notabene auch das häufigste Ziel, wenn ein verbindliches Übernahmeangebot auf dem Tisch liegt; die Bewahrung der Un­abhängigkeit ist es selten. Folglich fokussiert bei einer feindlichen Übernahme die Kommunikation der Zielgesellschaft meist auf die Elemente, die eine höhere Bewertung nahelegen. Überdies sind bei umstrittenen Transaktionen rechtliche Auseinandersetzungen – zwischen den Gesellschaften oder zwischen Aktionären und Ge­sellschaften – vom Ausnahme­ zum Regelfall und Teil der Verhand­lungstaktik geworden. Das hat zur Folge, dass alle Formulierungen, sei es in Medienmitteilungen oder Präsentationen, auf die Gold­waage der Juristen gelegt werden müssen.

Erfolgsfaktoren in M&A-Situationen

  • Der erste Eindruck zählt: schlüssige Argumentation und möglichst wenige offene Fragen bei der ersten Ankündigung
  • Nicht nur die harten Fakten zählen, der Kommunikationsstil ist ebenso wichtig
  • Kommunikation auf einzelne Events im M&A­-Prozess zuspitzen, um eine Wirkung zu erzielen
  • Persönliche und direkte Kommunikation des CEO ist am wirkungsvollsten
  • Szenarien planen und dabei auch ESG­-Risiken und ­Chancen berücksichtigen
  • Zielgruppenorientierte Kommunikation: nicht nur die Financial Community, auch die Mitarbeitenden konsistent und wissens­gerecht informieren ebenso wie Geschäftspartner und Kunden
  • Enge Abstimmung mit dem Juristenteam
  • Bei grenzüberschreitenden Transaktionen den jeweils lokalen Kommunikationsstil pflegen
  • Frühzeitige Involvierung der Kommunikation, nicht zuletzt wegen steigender Gefahr eines Lecks
  • Genügend Ressourcen bereitstellen, auch für Unvorhergesehenes
  • Im Vorfeld eine Ad-­hoc-­Publikation vorbereiten
1.3.3 Schutz gegen unfreundliche Übernahmen


Nicht immer, aber häufig kommen unfreundliche Übernahmeangebote überraschend. Folglich steht wenig Zeit für die Entscheidungsbildung und die Vorbereitung der nötigen Massnahmen zur Verfügung. Unter­nehmen, die mit einer Unterbewertung konfrontiert sind, sind darum angehalten, entsprechende Vorbereitungen zu treffen; nicht nur juristi­sche, sondern auch kommunikative. Zudem gilt es, die Organisation des allfälligen Abwehrteams klar zu definieren.

Übernahmekämpfe werden meist durch den Kaufpreis respektive die Prämie entschieden. Die beste Abwehrmassnahme ist daher die Kurs­pflege: Der Aktienkurs soll möglichst wenig vom tatsächlichen Wert des Unternehmens abweichen. Letzterer basiert vor allem aus den zukünftig zu erwartenden Gewinnen und Cashflows. Im Fall einer vermuteten Unterbewertung ist also eine generelle Überprüfung der IR­-Strategie und der Kapitalmarktstory angezeigt. Meist mündet sie in eine Intensi­vierung des IR-Programms und eine genaue Beobachtung von Verände­rungen im Aktionariat.

Spezialistenteam

Ein potenzieller Bieter kann eine Aktienposition aufbauen, den Verwal­tungsrat informell kontaktieren oder die Zielgesellschaft ins Gespräch bringen. In allen Fällen empfiehlt sich der Beizug eines qualifizierten Rechtsberaters, allenfalls auch einer Bank und eines Kommunikations­beraters, einerseits zur Evaluierung der juristischen Optionen, ander­seits zur Frage, aufgrund welcher Kriterien eine öffentliche Kommunika­tion nötig oder empfehlenswert ist.

Es gibt auch Fälle, bei welchen der Verwaltungsrat via Meldung einer Nachrichtenagentur erfahren hat, dass ein Bieter – mit oder ohne Voran­meldung – ein öffentliches Übernahmeangebot publiziert hat. Juristisch ist der Verwaltungsrat nicht verpflichtet, sich sofort öffentlich zu einer Voranmeldung respektive zu einem Übernahmeangebot zu äussern. Dennoch kann es ratsam sein, in Form einer Ad-­hoc­-Mitteilung (siehe ➔ Kapitel 8.6) und begleitenden PR-­ und IR-­Massnahmen rasch öffent­lich Stellung zu nehmen. Viele Unternehmen haben zu dem Zweck ein Abwehrdispositiv vorbereitet, das unter anderem Entwürfe für Medien­mitteilungen und für weitere Kommunikations-­ und IR-­Instrumente enthält.

Bericht des Verwaltungsrates

Der Verwaltungsrat ist verpflichtet, spätestens am 15. Börsentag nach der Veröffentlichung eines Angebots einen Bericht zu veröffentlichen, welcher sauber begründet ausführt, ob der Verwaltungsrat das Angebot annimmt, ablehnt oder sich einer Empfehlung enthält. Die weiteren Fris­ten sind in der nachstehenden Darstellung vermerkt.

Zeitplan Übernahmeangebot
Zeitplan öffentliches Übernahmeangebot, Quelle: Wenger & Vieli
1.3.4 Aktivistische Aktionäre

Ein aktivistischer Aktionär erwirbt einen Anteil an der Gesellschaft mit dem Ziel, Druck auf den Verwaltungsrat auszuüben und mit seiner Inter­ vention den Unternehmenswert zu steigern.

Aktivisten analysieren die Zielgesellschaft vor einer Kontaktaufnahme mit dem Verwaltungsrat oder der Lancierung einer Medienkampagne genau. Die häufigsten Angriffspunkte bilden dabei die unterdurch­schnittliche Aktienkursentwicklung, ineffizienter Kapitaleinsatz (strate­gische Fehler, operative Misstritte) und mangelhafte Corporate Gover­nance oder ausgeprägte Schwächen im Bereich der nachhaltigen Geschäftsführung. Auch eine überhöhte Managementvergütung kann, vor allem in einer Medienkampagne, ein Angriffspunkt sein.

Die meisten institutionellen Investoren begrüssen die Zunahme aktivisti­scher Aktionäre, wie sie in Europa und auch in der Schweiz in den letzten Jahren zu verzeichnen ist. Auch wenn sie mit den jeweils spezifischen Forderungen nicht unbedingt einverstanden sind, unterstützen sie den generell höheren Druck auf die Unternehmen, sich besser und rascher an die sich wandelnden Marktverhältnisse anzupassen und «investorenfreundlich» zu operieren.

Ist das Haus in bester Ordnung…

Der beste Schutz, wenn der Einstieg eines aktivistischen Aktionärs im Raum steht, sind möglichst wenige offene Flanken: je klarer die Unter­nehmensstrategie, je straffer deren Umsetzung, je disziplinierter der Kapital­ und Mitteleinsatz, desto besser. Auch eine enge Beziehungs­pflege mit den institutionellen Investoren hilft.

Der zweitbeste Schutz ist ein gutes IR­- und Kommunikationsprogramm. Es startet mit einer fundierten Analyse. Welche Stärken und Schwächen hat das Unternehmen aus Investorensicht? Welche potenziellen Argumente eines Aktivisten ergeben grundsätzlich Sinn und müssten in der Strategie oder Organisation stärker berücksichtigt werden? Wie kann das konkret geschehen? Welche Argumente wären zu kontern, mit welchen Fakten könnten die Gegenargumente unterlegt werden? Neben strategischen müssen auch organisatorische Fragen beantwortet sein. Wie würden sich Verwaltungsrat und Geschäftsleitung beim Auftauchen eines Aktivisten organisieren, wer würde mit ihm sprechen? Welche Berater wären bei­ zuziehen?

Enge Führung der Kommunikation

Die spezifischen IR-­Massnahmen gleichen denjenigen zur Abwehr eines unfreundlichen Übernahmeangebots: Überprüfung der IR­-Strategie und Kapitalmarktstory, meist gefolgt von einer Intensivierung des IR­-Pro­gramms und der Beziehungspflege mit den Analysten und Investoren. Nützlich ist eine gute Kenntnis, wie die wichtigsten Investoren das Unter­nehmen beurteilen, wo sie in der Strategie Schwachpunkte orten, was sie zur Dividendenpolitik oder zur Kapitalallokation meinen. Überdies ist besonders genau auf die Einhaltung aller rechtlichen (Kommunikations­-) Pflichten zu achten, um keine zusätzlichen Angriffsflächen zu bieten.

Macht sich ein Aktivist bemerkbar, ist dessen Leistungsausweis sowie sein Verhalten gegenüber seinen früheren Zielobjekten zu prüfen. Auf der Basis ist zu entscheiden, ob der direkte Kontakt gesucht und wie die­ser gestaltet werden soll. Ein solcher direkter Kontakt ist, wie er bei jedem grösseren Aktionär erfolgt, meistens, aber nicht immer zielführend. Ge­nau umgekehrt ist es mit den Medien: Es ist meistens nicht sinnvoll, den Konflikt mit einem Aktivisten zunächst über die Medien zu eskalieren.


1.3.5 Kommunikation in Krisen

Schwere Unternehmenskrisen erfassen auch die IR. Finanzielle Prob­leme, abrupte Führungswechsel, Datenverlust, Produkterückrufe, Un­glücksfälle – Krisen können viele Ursachen haben, weshalb es kein Stan­dardrezept gibt, wie die konkrete IR-­Strategie im Einzelfall auszusehen hat.

Eigen ist den meisten Unternehmenskrisen allerdings, dass sich die unterschiedlichen Informationsbedürfnisse der einzelnen Ziel­gruppen akzentuieren. Kunden, Mitarbeitende und Investoren müssen noch mehr als im Tagesgeschäft mit zielgruppenspezifi­schen Informationen bedient werden, bei gleichzeitiger Konsistenz der Kernbotschaften. Der Grundsatz gilt auch innerhalb der IR, indem sich im Krisenfall der Blick von Aktionären, Obligationären und kreditgebenden Banken auf verschiedene Finanzkenn­zahlen und strategische Aspekte richtet.

Crisis, what crisis?

Die Krise (Alt­ und gelehrtes Griechisch κρίσις, krísis – heute κρήση, krísi) ursprünglich «die Meinung», «Beurteilung», «Entscheidung», später mehr im Sinne von «die Zuspitzung» bezeichnet eine problema­tische, mit einem Wendepunkt verknüpfte Entscheidungssituation.

Krisenkommunikation ist dabei der Teil des Krisenmanagements, der der Einflussnahme auf weiche Faktoren dient, um Unternehmenskrisen zu verhindern oder zu bewältigen.

Allen Unterschieden zum Trotz haben sich die folgenden Grundsätze bewährt:

Führung und Organisation der Krisenkommunikation und IR

  • Kleines Gremium (Krisenstab)
  • Direkte Involvierung der Entscheidungsträger (hohe Verfügbarkeit)
  • Unternehmensinterne Klarheit, wer zum Entscheidungsgremium gehört
  • Hohe Kadenz des Informationsaustauschs, rasche Entscheide
  • Macht über signifikante Ressourcen

Kommunikation

  • Fakten klären respektive eruieren und dokumentieren
  • Rasch die bekannten Fakten, auch wenn es wenige sind, vermitteln
  • Hoher Informationsrhythmus, Kommunikationsfenster definieren, in welchen kompakt informiert wird
  • «One­-Voice-­Policy», sprich die Konzentration auf ganz wenige oder nur einen, möglichst hochrangigen Sprecher für die Investor Relations (meist CFO)

Prävention

  • Gute Beziehungspflege zu den wichtigsten Investoren
  • Vertrautheit mit der Sicht der Investoren auf das Unternehmen
  • IR-­Krisenstab und ­Rollen definieren
1.3.6    Strategische Relevanz der Nachhaltigkeit für die IR

Nachhaltigkeit im Kontext der Führung und Kommunikation
Nachhaltigkeit wird zunehmend in die Unternehmensstrategie integriert, getrieben durch regulatorische Anforderungen und staatliche Klimaziele. ESG (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) sollte als zentraler Bestandteil der Unternehmensentwicklung und -kommunikation betrachtet werden. Besonders die Governance spielt eine entscheidende Rolle für den strategischen Geschäftserfolg in Bezug auf ökologische und soziale Faktoren. Aktionärskommunikation sollte aufzeigen, wie nachhaltige Geschäftspraktiken Chancen schaffen und zur Wertschöpfung beitragen. Berichterstattungsmodelle wie TCFD, TNFD und ISSB bieten hilfreiche Ansätze zur Integration von Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie.

Wesentlichkeit und Stakeholder-Engagement im Fokus der Investor Relations
Die Vielzahl an Nachhaltigkeitskennzahlen ist überwältigend. 53% der Schweizer Emittenten und 56% der institutionellen Investoren berichten, dass das Sammeln dieser Daten erhebliche Ressourcen erfordert. Gleichzeitig haben 69% der institutionellen Aktionäre kein gutes Verständnis der relevanten ESG-Faktoren. Hier kommt Investor Relations ins Spiel, um wesentliche Themen und Daten verständlich zu machen. Die SASB-Wesentlichkeitsmatrix kann als Ausgangspunkt dienen, um Massnahmen und Kapitalzuteilungen zu erläutern. ESG-Daten entwickeln sich aber ständig weiter und stehen oft im Widerspruch zu finanziellen Zielen. Daher muss die Kommunikation durch das Management und IR Klarheit bieten und Stakeholder regelmässig informieren. Belege aus einer Umfrage von SWIPRA Services (2022) zeigen, dass ESG-Engagements institutionellen Aktionären helfen, wesentliche Faktoren und deren strategische Integration zu verstehen.

Transparente IR-Kommunikation schafft Verständnis für Nachhaltigkeitsinvestitionen
Nachhaltigkeitsinvestitionen konkurrieren mit kurzfristigen Renditen. Ein klares Verständnis und Vertrauen in die Unternehmensführung führen dazu, dass Investoren eher bereit sind, zugunsten langfristiger Nachhaltigkeitsziele auf kurzfristige Gewinne zu verzichten. Weniger als 10% der Vermögensverwalter und 30% der Vermögensbesitzer halten eine Reduzierung des kurzfristigen Gewinns aufgrund von Nachhaltigkeitsinvestitionen für inakzeptabel. Für 66% derjenigen, die bereit sind, auf kurzfristige Renditen zu verzichten, hängt die Reduktion von der Transparenz des Unternehmens ab. Gleichzeitig versteht nur etwa ein Drittel der institutionellen Investoren die Nachhaltigkeitsüberlegungen hinter den Kapitalallokationen der Unternehmen. Transformationsprozesse sollten daher mit erhöhter Transparenz und verbesserter Reputation der Führung einhergehen. Quantitative Belege für den Wertbeitrag von ESG sind uneinheitlich, aber es besteht Konsens über die höhere Profitabilität nachhaltiger Produkte. Nachhaltigkeitsbemühungen verbessern auch den Zugang zum Kapitalmarkt. Transparenz über ESG-Bemühungen und deren strategische Ziele kann sich positiv auf Finanzierung und Einnahmen auswirken. IR spielt eine wichtige Rolle bei der Vermittlung dieser Botschaften.

Schlussbemerkungen

ESG-Bemühungen müssen in die Unternehmenskommunikation eingebettet werden. Dies erfordert eine zukunftsgerichtete, langfristige strategische Diskussion, die über die kurzfristige Kapitalmarktkommunikation hinausgeht. ESG-Themen betreffen eine breite Gruppe von Stakeholdern und erfordern eine konsistente Botschaft über alle Kommunikationskanäle hinweg. IR übernimmt eine Schlüsselrolle bei der Förderung des Dialogs und unterstützt den Verwaltungsrat sowie das Führungsteam.

Autoren: 
Barbara A. Heller, Managing Partner, SWIPRA Services 
Dr. Christoph Wenk Bernasconi, Senior Partner, SWIPRA Services

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