Der «richtigen Investorenbasis» kommt aus nahe­ liegenden Gründen höchste Bedeutung zu.

So schätzen die Unternehmen, dass ihre Aktie über die nächsten zwei bis drei Jahre um 15 Prozent ansteigen und die Volatilität um 20 Prozent sinken würde, wenn sie die perfekte Investorenbasis hätten (Studie National Investor Relations Institute und the Rock Center for Corporate Governance)1, Folgerichtig gehören das verstärkte Engagement bei bestehenden Investoren sowie die Diver­sifikation der Investorenbasis zu den beiden wichtigsten Zielen der in Westeuropa kotierten Gesellschaften (IR­-Umfrage BNY Mellon2).

Eine Kernaufgabe der Investor Relations besteht demnach darin, aus der Fülle möglicher Investoren diejenigen zu eruieren, die gut zum jeweiligen Unternehmen passen. Unternehmen können dafür auf die Dienste von Banken oder spezialisierten Beratern zurückgreifen oder das Heft selbst in die Hand nehmen. Die nachfolgenden Kriterien sind dafür hilfreich. Erforderlich für ein Investor Targeting ist ein Zugang zu Datenbanken (siehe ➔ Kapitel 4.3), welche eine Selektion der Inves­toren anhand unterschiedlicher Kriterien erlauben, aktuelle Portfolio­strukturen aufzeigen und weitere Marktdaten zur Verfügung stellen.

Kriterien für das Investor Targeting

  1. Anlagestil: «Marry fundamentals with complementary shareholder base»
  2. Peer-­Investoren: Verstehen, wieso ein Fonds eine Peer­-Aktie besitzt
  3. Investorentyp, etwa Pensionskasse versus ETF­-Aktienfonds
  4. Sektorfokus
  5. Grösse des Investors, minimale Anlagevolumina
  6. Grösse der Unternehmen, z. B. Small Cap Aktienfonds versus Large Cap Aktienfonds; Vorsicht bei Übergang von Small zu Mid Cap bzw. Mid Cap zu Large Cap, da andere Ansprechpartner
  7. Anlagehorizont
  8. Thematischer Fokus, z. B. ESG oder Blue Chips
  9. Regionaler/Länderfokus: Umsatzverteilung anschauen und gegebenenfalls lokale Präsenz nutzen; Know-­how von Brokern/Partnern/Consultants nutzen

Bei einer datenbankgestützten Investorenselektion kann eine Priorisie­rung der Kriterien wirkungsvoll sein. Meist stehen dabei die Kriterien «Anlagestil» und «Sektorfokus» zuoberst. So lassen sich beispielsweise über Peer-Group-­Vergleiche Investoren identifizieren, die Anteile an Wettbewerbern halten, nicht aber in das eigene Unternehmen inves­ tiert sind.

Eine Portfolioanalyse anhand weiterer Kriterien zeigt, welche Punkte bei den Entscheidungen eines Investors eine Rolle spielen. Basierend auf dieser Fundamentalanalyse kann die eigene «Kapitalmarktstory» akzentuiert werden. Ist zum Beispiel die eigene jährliche Wachstums­ rate höher als die des Wettbewerbes? Dann lohnt es sich, dem Manager eines «Growth»­-Fonds die Frage zu stellen, weshalb dieser eigentlich in den Wettbewerb, nicht aber in das eigene Unternehmen investiert. Schliesslich ist zu bedenken, dass mit der Zunahme passiver Vehikel immer mehr Anlageentscheidungen am Aktienmarkt nicht von Menschen, sondern von künstlicher Intelligenz getroffen werden.

1

National Investor Relations Institute und the Rock Center for Corporate Governance: 2014 Study on How Investment Horizon and Expectations of Shareholder Base Impact Corporate Decision­Making, Stanford University, 2014 ➔ gsb.stanford.edu/sites/gsb/files/publication-pdf/cgri-survey-2014-investment-horizon.pdf

2

BNY Mellon, Global Trends in Investor Relations – Survey 2020. New York, 2020. ➔ www.bny.com/emea/en/insights/all-insights/global-trends-in-investor-relations.html

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