Auf welche Inhalte hat sich die Investor Relations zu fokussieren? Die Frage kann auf verschiedene Arten beantwortet werden.

Eine erste: Die Inhalte der Investor Relations entsprechen den Kriterien, die den Wert eines kotierten Unternehmens bestimmen. Dazu gehören:

  • subjektive Faktoren wie Psychologie der Börse, globale Erwartungen und persönliche Titelpräferenzen
  • objektive, unternehmensspezifische Faktoren wie Strategie, Managementqualität, Marktstellung, Produkte und Finanzierung
  • objektive, branchen-­ oder marktspezifische Faktoren wie Zins­niveau, Konjunktur, Regulierung, politisch­-gesellschaftliches Geschehen
  • Beherrschungsverhältnisse wie Titelstruktur oder «Übernahme­phantasien»
  • Marktgängigkeit der Titel wie Liquidität und potenzieller Investorenkreis

The sum of these factors determines the enterprise value. Although they cannot be broken down individually in the sense of a direct cause- and-effect relationship, empirical studies nevertheless suggest that, from this wide variety of factors that determine value, the following four are crucial over the long term:

  • die bestimmenden Treiber im Absatzmarkt
  • die Unternehmensstrategie
  • die betriebswirtschaftliche Leistung im Allgemeinen sowie das Umsatz­ und Gewinnwachstum respektive die Kapitalverzinsung im Spezifischen – als Beleg dafür, ob und wie die Strategie auf­ geht respektive wie effektiv und effizient diese umgesetzt wird
  • die Qualität und Kommunikationsstärke des Managements
Wie gross der Einfluss von Chefs auf ihre Firma ist

(Gekürzte Fassung eines NZZ­-Artikels vom Januar 2018)

Diverse Studien haben versucht, den Einfluss der Nummer 1 in grossen Firmen zu messen. Die bestbezahlten Spitzenmanager bei börsen­kotierten Firmen in der Schweiz erhalten über 10 Mio. Franken pro Jahr; die Durchschnittsvergütung der Nummer 1 in den 50 bis 70 grössten kotierten Schweizer Unternehmen liegt bei 3 bis 4 Mio. Franken. Die Medien tragen mit ihrem Personalisierungsdrang zur Wahrnehmung bei, dass Spitzenmanager einen enormen Einfluss auf die Geschicke ihrer Unternehmen haben.

Doch ist dieser Einfluss wirklich so gross? In der Wissenschaft gibt es im Prinzip zwei Denkschulen. Die eine betont, dass Spitzenmanager via Firmenstrategie, Auswahl des engeren Führungspersonals und Ver­mittlung eines Images gegen innen und aussen grossen Einfluss auf die Firmengeschicke hätten. Die andere Denkschule verweist dagegen auf die massiven Einschränkungen im Einfluss des einzelnen Spitzen­ managers in grossen Unternehmen. In dieser Lesart sind Faktoren wie allgemeine Wirtschaftslage, Branche, Qualität der Belegschaft, Firmenkultur, Konkurrenten und Zufall zentrale Treiber und durch eine Einzelperson kürzerfristig nicht oder nur beschränkt beeinflussbar.

Die «Wahrheit», so mag man reflexartig mutmassen, liegt wohl typi­scherweise irgendwo dazwischen. In der Forschungsliteratur, die stark durch amerikanische Studien geprägt ist, findet man immer wieder Versuche, den Einfluss von Spitzenmanagern zu messen. Die übliche Studienanlage beruht auf einem statistischen Verfahren, das mit Daten über Hunderte von Firmen und einige Jahrzehnte eine Schätzung über die Bestimmungsfaktoren des Unternehmenserfolgs macht (meist gemessen an der Rentabilität) und dabei durch Vergleiche von Perioden mit verschiedenen Firmenchefs auch herauszufiltern versucht, wie gross der messbare Einfluss des Faktors «Chef »ist.

10 bis 20 Prozent Einfluss

Die Durchsicht von einem halben Dutzend Literaturübersichten und Einzelstudien aus den letzten zwanzig Jahren zeigt eine grosse Band­ breite der Schätzungen – von statistisch kaum nachweisbarer Wirkung der Nummer 1 bis zu sehr grosser Wirkung. Filtert man die Extreme heraus, bleibt als Tendenzaussage, dass der Faktor «Chef» gemäss typischen Schätzungen im Mittel vielleicht etwa 10 bis 20 Prozent der Schwankungen des Unternehmenserfolgs (nach oben wie nach unten) erklären mag. Das wäre nicht die Welt; vom Management nicht beeinflussbare Faktoren dürf­ten deutlich wichtiger sein. Doch der geschätzte Chef­Effekt ist nicht unerheblich: In der Grössen­ordnung wäre der Effekt laut typischen Schätzungen etwa vergleichbar mit dem Einfluss des Faktors «Branche». Die Zahlen sind angesichts der Unsicherheiten in den Schätz­ methoden nicht auf die Goldwaage zu legen, sondern nur als mögliche Grössenordnung zum aktuellen Stand des Halbwissens zu sehen.

Bei Grosskonzernen mit Jahresgewinnen in Milliardenhöhe gehen Schwankungen um wenige Prozent schon in zweistellige Millionen­beträge. Bei solchen Grössenordnungen mag es zunächst aus Sicht von Verwaltungsräten und Aktionären relativ wenig ins Gewicht fallen, ob der Konzernchef 2 Millionen oder 10 Millionen Franken erhält. Zu fragen haben sich die Entscheidungsträger aber auch, welche Signale man mit den Vergütungspaketen für Spitzenmanager an die eigene Beleg­schaft, die Kundschaft und übrige Anspruchsgruppen sendet.

Was Investoren wollen

Eine zweite Art zur Bestimmung der Inhalte ist sozusagen bedürfnisge­trieben. Welche Inhalte fragen Investoren nach?

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass es viele verschiedene Investoren­ typen gibt. Private Investoren investieren typischerweise nach anderen Kriterien als institutionelle. Und letztere investieren wiederum nach un­ terschiedlichen Konzepten, etwa nach dem Value­ oder Growth­-Ansatz (dazu mehr im ➔ Kapitel 4).

Die Gemeinsamkeiten sind allerdings grösser als die Unterschiede, wenn man die Frage betrachtet, für welche Informationen sich die Investoren interessieren. Alle Investoren verlangen zunächst nach Datenreihen und historischen Informationen, welche sie auf bestätigende Signale sowie Wiedersprüche untersuchen. Denn allen Investorentypen liegt ein Ursa­che­Wirkungsdenken zu Grunde. Festzuhalten ist dabei:

  • Je weniger Datenreihen, desto mehr Fragen.
  • Je besser Investoren die langfristigen Treiber des Erfolgs einer Firma kennen, desto besser finden sie sich damit ab, dass Details nicht veröffentlicht werden.
  • Nicht die «News» bewegen den Aktienkurs, sondern die Reaktio­nen der Investoren.

Die unternehmensspezifischen Informationen, die Investoren für eine Bewertung typischerweise benötigen, sind in der nachstehenden Grafik dargestellt.

 
Wonach aktive institutionelle Investoren suchen
Qualität
Verantwortung gegenüber Stakeholdern
Bewertung anhand von
 
  •  Wettbewerbsvorteil 
  • Solide Bilanz 
  • Innovation/Pipeline 
  • Konsistente Strategie­umsetzung 
  • Management Track Record
  • Angemessene, ambitiöse Ziele 
  • Hohe Governance-Standards  
  • Angemessene Steuern und Dividenden 
  • Reduktion des Ressourcen­verbrauchs 
  • Sozialverantwortung 
  • Antizipation künftiger Regulierung
  • Klassischen Value-Kennzahlen (P/E, P/B, Dividendenrendite etc.) 
  • DCF und anderen nicht-statischen Bewertungsmodellen

Relevante Aspekte für eine Investition, Quelle: Schroders

Blick auf den Markt

Eine dritte Art: Die IR-Themen mit Blick auf Markttrends und Wettbewerber eruieren und definieren. Welche IR-Inhalte kommunizieren die anderen Unternehmen in der jeweiligen Branche? Wo steht das eigene Unternehmen vergleichsweise besser da, wo hat es aus Investorensicht Alleinstellungsmerkmale?

Die Kommunikation mit Investoren, und dabei besonders die ­IR-Präsentation, welche die Kapitalmarktstory zusammenfasst (mehr dazu im ➔ Kapitel 6.4), sollte die oben genannten Punkte gebührend gewichten. Neben einer umfassenden Darstellung der relevanten Themen in der IR-Präsentation ist es hilfreich, diese auf der Website oder in anderen IR-Dokumenten in kurzer und knapper Form darzustellen. Die wichtigsten Elemente sind in der nachfolgenden Grafik aufgeführt.

 

Die Kapitalmarktstory – Herzstück der Investor Relations
Wie erwirtschaftet das Unternehmen Geld?
In welchen Märkten bewegt sich das Unternehmen?
Wo steht das Unternehmen im Wettbewerb?
Wo soll das Unternehmen in 5 Jahren stehen?
Das Geschäftsmodell des UnternehmensDie MarktperspektivenDer Peervergleich und Allein­stellungsmerkmale (USP)Die Vision
Strategische
Unternehmensziele
 
Wie funktioniert das
Geschäftsmodell im Detail?
 
Chancen und Risiken
in Zahlen
 
 
Geschäftsziele, Ertragsziele, Finanzziele, Nachhaltigkeit/ ESG­KriterienDie Erfolgs­ und Risikofakto­ren der WertschöpfungsketteDie Kennzahlen des Unter­nehmens: historische Ent­wicklung, aktuelle Geschäfts­ zahlen und Prognosen 

Quelle: Prof. Dr. Olaf Streuer1

 

1

Streuer, Olaf: IR Basics – Grundlagen der Investor Relations, Präsentation an DIRK-­Konferenz, Frankfurt a.M., 2016 ➔ dirk.org/wp-content/ uploads/2020/11/170612_IR-Basics_Streuer_Grundlagen_IR.pdf

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