Aktienanalysten sind ein zentrales Bindeglied zwischen professionellen Investoren und börsen­ kotierten Unternehmen.

Sie analysieren ausgewählte Gesellschaften und geben ein Urteil über die Anlagequalität und Anlageeignung ab. Es wird dabei zwischen zwei Arten von Analysten unterschieden:

  • Sell-side-Analysten findet man bei Finanzinstitutionen, die mit Aktien handeln, sprich Investmentbanken, Brokerhäuser und Privatbanken. Zudem gibt es spezialisierte Boutiquen, die sich voll und ganz der Finanz­analyse verschrieben haben. Sell­-side­-Analysten investieren nicht (oder nur selten) selbst Geld in die Firmen, über die sie schreiben, sondern geben Kaufs-­ und Verkaufsempfehlungen an Dritte ab. Ein einzelner Analyst deckt dabei in der Regel rund ein Dutzend Firmen ab. Kern der Analyse ist eine eigenständige Unternehmensbewertung. Wichtige Informationsgrund­lage dafür sind zum einen die detaillierten Ergebnisse und Erläuterungen im Geschäftsbericht und zum anderen Informationen zur Zukunft sowie direkte Treffen mit dem Management. Wenn man in den Medien von Analysten liest und hört, sind dies fast immer Sell­-side-Analysten.
  • Buy-side-Analysten sind Teil eines Investorenteams, das selbst und direkt Investitionen tätigt. Sie arbeiten in der Regel bei Fonds­ und Ver­mögensverwaltungsgesellschaften. Ihr Aufgabengebiet ist demjenigen der Sell-side-­Analysten sehr ähnlich. Auch sie analysieren Unternehmen, auch sie bilden sich eine eigene Meinung. Doch decken sie dabei meistens mehr Unternehmen ab – eher mehrere als ein Dutzend – und können somit in aller Regel weniger Zeit für ein einzelnes Investment aufwenden. Zuweilen nehmen sie die Analystenberichte von Sell­-side-­Analysten zum Anlass, sich ein Unternehmen genauer anzuschauen und sich eine eigene Meinung dazu zu bilden. Buy­-side­-Analysen sind nicht für eine breitere Öffentlichkeit bestimmt.
  • ESG-Analysten sind sowohl auf Sell­ wie auch auf Buy­-side immer stärker vertreten. Von der ESG­-Analyse als einer Grundlage für Investitionsent­scheide unter vielen bis hin zu einer reinen Nachhaltigkeitsstrategie, in der die ESG-Analyse zuoberst steht, sind alle Ausprägungen vertreten. Investitionsentscheide ganz ohne Berücksichtigung von Nachhaltigkeits­aspekten und damit verbundenen Risiken werden heute fast keine mehr getroffen. ESG­-Data­-Anbieter prüfen Firmen mittels verschiedener Daten­modelle und verlangen teilweise umfassende Auskünfte. Es ist ratsam, sowohl fundierte ESG­-Daten zu veröffentlichen als auch die spezifischen Fragen der ESG­-Analysten auf Antrag zu beantworten.

Investoren stehen global viele Tausend unterschiedliche Aktientitel zur Auswahl. Die Aktienanalyse nimmt eine wichtige Stellung ein, denn auf diese Weise kann eine sorgfältige Auswahl der Aktien auf Grundlage verschiedener Faktoren erfolgen. Somit hat die Aktienanalyse zum Ziel, die «schlechten» von den guten und somit aussichtsreichen Aktien­ werten zu trennen.

Qualität der Prognosen

Wie gut sind die Prognosen von Analysten? Über die Qualität der Arbeit von Analysten gibt es viele Analysen. Die meisten kommen zum Schluss, dass die Prognosen von Analysten tendenziell zu optimis­tisch, aber besser als einfache Extrapolationen sind. Die Qualität der Analysen respektive Analysten korreliert dabei positiv mit der indi­viduellen Erfahrung, der Breite der jeweiligen Branchenabdeckung und der Grösse des Arbeitsgebers. Gute Analysten kennen die betreffende Branche besonders gut, sind ausgezeichnet vernetzt und haben Zugang zu den Kunden der betreffenden Gesellschaften (mehr dazu im Buch von Baruch Lev1).

Analysten erstellen zu dem Zweck Schätzungen für die zukünftigen Geschäftsjahre zu einer Fülle von Kennziffern und Verhältniszahlen. Verschiedene Datenanbieter wie Bloomberg oder die Schweizer Nach­ richtenagentur AWP fassen die publizierten Kennzahlen zu Konsens­ schätzungen zusammen, meist für Umsatz und Gewinn respektive Gewinn pro Aktie. Diese gewinnen öffentliche Relevanz.

Interessenkonflikte

Analysten arbeiten sowohl für ihre Kunden als auch für ihren Arbeitgeber. Ist der Arbeitgeber eine Bank, die mit Aktien handelt, dann besteht ein potenzieller Interessenkonflikt, nämlich dass Analysten mit pointierten Meinungen und Prognosen den Aktien­handel (Brokerage) stimulieren oder im Rahmen eines Börsen­gangs oder einer Kapitalerhöhung mit optimistischen Analysen die für die Investmentbanker zentrale Bewertung optimieren. Klare organisatorische Trennungen, sogenannte Chinese Walls, und bankinterne Vorschriften sollen diese Interessenkonflikte minimieren.

1

Lev, Baruch: Winning Investors Over, Harvard Business Review Press, Boston 2012

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