11.5 Zusammenfassung
Als Schnittpunkt der Greenwashing-Definitionen aus den verschiedenen Bereichen kann wie folgt festgehalten werden:
Anknüpfungspunkt ist ein Marktauftritt, der bei der Anleger- oder Kundschaft den Anschein nachhaltiger Eigenschaften oder Tätigkeiten erweckt (Anlegersicht) oder mit entsprechenden Aussagen einen unfairen Wettbewerbsvorteil erzielt (Marktsicht).
Als nachhaltig gilt aus Schweizer Sicht zumindest die Vereinbarkeit mit einem allgemein anerkannten Nachhaltigkeitsziel oder ein Beitrag zu dessen Umsetzung, was allerdings in beiden Fällen unterhalb des EU-Standards bleibt.
Greenwashing liegt vor, wenn sich der geweckte Anschein in der Realität nicht angemessen widerspiegelt oder «grundlegende» Standards nicht eingehalten werden.
Die ist etwa der Fall, wenn
eine entsprechende Strategie fehlt;
sie nicht umgesetzt wird;
sie nicht von allen Aktivitäten gedeckt wird;
sie nur auf die Reduktion von Nachhaltigkeitsrisiken oder die Optimierung der finanziellen Performance ausgerichtet ist;
angegebene Auswirkungen nicht gemessen oder nachgewiesen werden können;
Aussagen zu unbestimmt und intransparent sind;
über die Zielerreichung nicht berichtet wird.
Konkretisierungen anhand typischer Fälle bieten die internationalen Werberegeln und die zugehörige Praxis der Schweizerischen Lauterkeitskommission.
Folgende Rechtsrisiken von Greenwashing kommen in Frage:
Unrichtige, irreführende oder verschwiegene Angaben im Nachhaltigkeitsbericht unterliegen der Strafverfolgung.
Greenwashing im genannten Sinn stellt unter Umständen unlauteren Wettbewerb dar und kann als solcher zivil- und strafrechtlich verfolgt werden. Unter anderem das SECO initiiert entsprechende Strafverfahren. Die nichtstaatliche Schweizerische Lauterkeitskommission entwickelt eine Spruchpraxis zur Beurteilung von Greenwashing als unlauterer Wettbewerb.
Soweit nachhaltigkeitsbezogene Aussagen die Investitionsentscheidung der Anlegerinnen und Anleger beeinflussen können, sind die Ad-hoc-Publizität, deren Verletzung von der SIX sanktioniert wird, und das Insiderrecht sowie das Verbot der Marktmanipulation, die von der FINMA und der Bundesanwaltschaft geahndet werden, zu beachten. Weiter sind solche Aussagen unter Haftungs- und Strafdrohung mit einem allfälligen Prospekt und Basisinformationsblatt abzugleichen.
Schliesslich drohen im Schadensfall Haftungsfolgen für das Unternehmen und die Leitungspersonen in der Schweiz und im Ausland. So liegt die oberste Verantwortung für die nachhaltigkeitsbezogene Kommunikation bei den Mitgliedern des Verwaltungsrats und der obersten Geschäftsführung, die bei Verletzung ihrer Organisations-, Berichts- und Sorgfaltspflichten schadenersatzpflichtig werden können.
Was die Greenwashing-Prävention betrifft, so kann diese nicht erst beim Marketing ansetzen. Sie muss sämtliche Kommunikations- und Management-Prozesse im Unternehmen und in der Wertschöpfungskette integrieren, damit nachhaltigkeitsbezogene Aussagen auf einer gelebten Nachhaltigkeitsstrategie beruhen und transparent sowie nachweisbar umgesetzt werden.
Bei aller Bürokratie gilt es jedoch, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren: das langfristige Gedeihen des Unternehmens und seiner Umwelt.