11.3.1 Greenwashing vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäss OR und SIX-Regularien

Zunächst sollen nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten Greenwashing entgegenwirken, indem sie die Kommunikation standardisieren, vergleichbar machen und die Zuverlässigkeit der Daten sicherstellen.1 Unter anderem unterliegen grössere Schweizer Unternehmen, die Aktien oder Bonds an einer Börse im In- oder Ausland kotiert haben, der allgemeinen Berichterstattung über Umweltbelange gemäss Art. 964a ff. des schweizerischen Obligationenrechts («OR») und über Klimabelange im Besonderen gemäss der Klimaberichtsverordnung.

Für die Berichterstattung verantwortlich ist von Gesetzes wegen der Verwaltungsrat. Verantwortliche Personen, die vorsätzlich oder fahrlässig falsche Angaben im Bericht machen oder die Berichterstattung unterlassen, werden strafrechtlich verfolgt (Art. 325ter StGB).

Ausländische, an der SIX Swiss Exchange («SIX») kotierte Unternehmen unterliegen zwar nicht dem OR, sind aber nach Art. 7a der SIX-Richtlinie zur Offenlegung von Informationen betreffend Corporate Governance zu analogen Angaben im jährlichen Corporate-Governance-Bericht verpflichtet, sofern sie nicht einen gleichwertigen Bericht nach ausländischem Recht erstellen. Ein Verstoss dagegen wird von SIX Exchange Regulation, dem regulatorischen Arm der SIX, geahndet und sanktioniert. Es drohen unter anderem Bussen bis 10 Mio. CHF, bei Fahrlässigkeit bis 1 Mio. CHF, eine Sistierung des Handels, im Extremfall die Dekotierung und in jedem Fall eine nicht anonymisierte Medienmitteilung zum Verfahren («Naming & Shaming»).

An der SIX kotierte Gesellschaften können der SIX freiwillig ein Opting In in die Nachhaltigkeitsregulierung nach einem international anerkannten Standard (z. B. SASB oder GRI) melden.2 In der Folge werden sie auf der SIX-Website in die Liste der berichterstattenden Unternehmen aufgenommen. Dort wird der Bericht verlinkt und die Unternehmen unterwerfen sich bezüglich der Erfüllung der entsprechenden Berichterstattung der Aufsicht der SIX.

 

11.3.2 Greenwashing als unlauterer Wettbewerb und Betrug

Gemäss dem schweizerischen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb («UWG») ist es unlauter, für sich selbst oder einen anderen falsche Angaben unter anderem über das Unternehmen, Waren, Leistungen oder Geschäftsverhältnisse zu machen (Art. 3 lit. b UWG).

Ebenfalls als unlauter gilt die täuschende Verschleierung unter anderem der Beschaffenheit, des Nutzens oder der Gefährlichkeit von Waren oder Leistungen (Art. 3 lit. i UWG).

Im Rahmen des «CO2-Gesetzes für die Zeit nach 2024» wurde zudem per 1. Januar 2025 ein Zusatz im UWG eingeführt, wonach unlauter sind: «Angaben über sich, seine Waren, Werke oder Leistungen in Bezug auf die verursachte Klimabelastung […], die nicht durch objektive und überprüfbare Grundlagen belegt werden können.» (Art. 3 Abs. 1 lit. x E-UWG). Dies entspricht dem Greenwashing-Verständnis der EU und der FINMA.

Zeigt sich Greenwashing in falschen Angaben oder täuschender Verschleierung, kann dies strafrechtlich verfolgt werden (Art. 23 UWG) und zu Zivilklagen auf Unterlassung, Beseitigung oder Schadenersatz führen (Art. 9 f. UWG). Strafantrag und Klage können vor allem Konsumentinnen und Konsumenten, Wirtschaftsteilnehmer und das Staatssekretariat für Wirtschaft («SECO») einreichen.

Das SECO wird vor allem auf Hinweise von Konsumentenschutzorganisationen und der Staatsanwaltschaft hin aktiv. Verschiedene Verstösse wegen Greenwashings sind beim SECO bereits hängig. Im Strafverfahren ist entscheidend, ob Tatsachenaussagen gemacht wurden, die als falsch bewiesen werden können. Hierbei können Abweichungen von Nachhaltigkeitsstandards eine Rolle spielen. Vorausgesetzt wird ferner Eventualvorsatz, d. h., dass eine Irreführung zumindest in Kauf genommen wurde.

Vorsätzliches Greenwashing kann schliesslich im Extremfall strafrechtlich als Betrug qualifiziert werden. Dies setzt voraus, dass jemand durch die Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig und mit Bereicherungsabsicht im Vermögen geschädigt wird (Art. 146 StGB). Vermögensschäden durch Greenwashing sind besonders im Kapitalmarkt durchaus denkbar. «Arglist» wird angenommen, wenn eine Lüge kaum überprüfbar ist oder sich auf falsche Beweise wie beispielsweise wissenschaftliche Studien oder Zertifikate beruft.

 

11.3.3 Praxis der Schweizerischen Lauterkeitskommission

Die von der Kommunikationsbranche getragene Schweizerische Lauterkeitskommission beurteilt als Selbstregulierungsorganisation Beschwerden gegen unlautere Werbung. Ihre Beschlüsse sind keine bindenden Urteile, sondern Empfehlungen, die sie veröffentlicht und die regelmässig auf ein grosses Medienecho stossen. Doch in der Regel setzen Unternehmen diese umgehend um. Beurteilt die Lauterkeitskommission eine Werbung als unlauter, birgt dies Reputationsrisiken und kann zudem, weil die Kommission auf das UWG Bezug nimmt, ein Anknüpfungspunkt für Zivil-, Straf- und Aufsichtsverfahren sein.

Die Standards und Praxis der Lauterkeitskommission erweisen sich als Fundgrube. Sie stützt sich bei der Beurteilung nebst ihren eigenen, an das UWG angelehnten Grundsätzen der «Lauterkeit in der kommerziellen Werbung» auf Kapitel D «Werbung und Marketing mit Umweltbezug» des Kodex der International Chamber of Commerce (ICC) zur Werbe- und Marketingkommunikation («ICC-Kodex»).

Art. D1 ICC-Kodex verbietet irreführende umweltbezogene Aussagen oder visuelle Darstellungen bezüglich Produkte oder Aktivitäten. Unzulässig ist es insbesondere: 

  • zu übertreiben; 
  • Statistiken irreführend zu nutzen; 
  • einzelne umweltbezogene Aspekte auf das ganze Produkt oder Unternehmen zu beziehen; 
  • unklar zu lassen, worauf sich eine Umweltaussage bezieht; 
  • Umweltaspekte zu nennen, die nicht vorhanden sind, für das Produkt nicht relevant sind oder voraussichtlich nicht für die gesamte Lebensdauer des Produkts zutreffen; 
  • unspezifische Umweltaussagen zu machen, wenn sie nicht generell zutreffen; 
  • keinen oder einen positiven CO2-Einfluss zu behaupten, ohne einem hohen Beweisanspruch zu genügen; 
  • die Erfüllung von Nachhaltigkeitszielen zu behaupten, zu denen es noch keine definitiven, allgemein akzeptierten Methoden zur Messung oder Umsetzung gibt; 
  • gemäss Art. D2: unsachgemäss, ohne zuverlässige wissenschaftliche Beweise oder in für die Adressaten unverständlicher Weise Umweltjargon zu verwenden oder auf umweltwissenschaftliche Erkenntnisse zu verweisen.

Der ICC-Kodex enthält in Art. D2–D7 zusätzliche konkrete Vorschriften und verweist ausserdem auf ISO 14021 zu umweltbezogenen Anbietererklärungen sowie das ICC Framework for Responsible Environmental Marketing Communications mit weiteren Beispielen, Definitionen gebräuchlicher Begriffe und einer Checkliste umweltbezogener Aussagen. Publikumsgesellschaften sollten diese Regelwerke bei der Ausformulierung einer internen Policy berücksichtigen.

Die Schweizer Stiftung Konsumentenschutz hat bei der Lauterkeitskommission zahlreiche Beschwerden wegen Greenwashing gegen teils namhafte Unternehmen eingereicht. Die Kommission hat bereits in einigen Fällen nachhaltigkeitsbezogene Werbung als unlauter qualifiziert. In Einzelfällen hat die Stiftung Konsumentenschutz zugleich beim SECO ein Begehren um Stellung eines Strafantrags bei der zuständigen Staatsanwaltschaft gestellt.

 

11.3.4 Greenwashing als kursrelevante Information – Ad-hoc-Publizität, Insiderrecht, Marktmanipulation

Nachhaltigkeitsbezogene Aussagen und vor allem Skandale um potenzielles Greenwashing können die Investitionsentscheidungen der Anlegerinnen und Anleger beeinflussen und sich damit auf den Börsenkurs auswirken. Als nicht öffentliche, erheblich kursrelevante Informationen unterliegen sie der Ad-hoc-Pflicht gemäss Art. 53 des Kotierungsreglements der SIX («KR») und sind über die vorgeschriebenen Kanäle umgehend dem Markt bekannt zu geben.

Zu denken ist etwa an den internen Erlass einer neuen, für das Unternehmen folgenreichen Nachhaltigkeitsstrategie, das Verfehlen eines zentralen Nachhaltigkeitsziels, die Entdeckung von Greenwashing in den eigenen Reihen oder beim wichtigsten Vertragspartner. Die Sanktionspraxis der SIX hat auch schon die Verkündigung einer neuen, nicht ernsthaft verfolgten Strategie an einer Medienkonferenz als Ad-hoc-Pflichtverletzung qualifiziert (Entscheid DK/AHP/I/02 vom 15. Mai 2002, Ziff. 2.1c). Eine verspätete Veröffentlichung oder eine selektive Mitteilung entsprechender Informationen an einzelne Anlegerinnen und Anleger oder in einem Interview verletzt die Ad-hoc-Publizitätspflicht. Der Bekanntgabeaufschub nach Art. 54 KR dürfte in solchen Fällen in der Regel nicht zur Verfügung stehen.

Gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht verstösst auch, wer entgegen Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie der SIX betreffend Ad-hoc-Publizität in der Ad-hoc-Meldung nicht wahrheitsgemäss, klar und vollständig informiert, also wenn die Ad-hoc-Meldung selbst Greenwashing darstellt.

Bei einem Verstoss gegen die Ad-hoc-Publizität kann SIX Exchange Regulation die im Entscheid vom 15. Mai 2002 erwähnten Sanktionen verhängen.

Das Insiderrecht verbietet es sodann, erheblich kursrelevante, nicht öffentliche und nachhaltigkeitsbezogene Informationen oder Informationen zu einem möglichen Greenwashing weiterzugeben oder für Transaktionen mit Aktien oder Derivaten auszunützen (Art. 142 und 154 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes, «FinfraG»).

Nachhaltigkeitsbezogene Aussagen, die ein falsches Signal an den Kapitalmarkt senden, können des Weiteren unter Umständen aufsichtsrechtlich verfolgte Marktmanipulation oder strafrechtlich verfolgte Kursmanipulation darstellen (Art. 143 und 155 FinfraG).

Die FINMA kann im Falle einer Verletzung des Insiderrechts oder des Verbots der Marktmanipulation unter anderem eine Feststellungsverfügung erlassen, diese veröffentlichen und allfällige Gewinne einziehen. Bei Vorsatz und einer Gewinnabsicht kann ausserdem die Bundesstaatsanwaltschaft ein Strafverfahren eröffnen; hier drohen Gefängnis- und Geldstrafen (Art. 154 und 155 FinfraG).

 

11.3.5 Prospekthaftung und finanzmarktrechtliche Werberegulierung

Falsche oder unterlassene nachhaltigkeitsbezogene Informationen in einem Prospekt für ein öffentliches Angebot von Effekten oder für deren Handelszulassung oder in einem Basisinformationsblatt zu bestimmten Finanzinstrumenten können eine Prospekthaftung auslösen, wenn dadurch ein Anlageschaden entsteht (Art. 69 des Finanzdienstleistungsgesetzes, «FIDLEG»). Das Gleiche gilt für Angaben in «ähnlichen Mitteilungen» im Zusammenhang mit einem öffentlichen Angebot oder der Kotierung neuer Effekten. Vorsätzlich falsche oder verschwiegene wesentliche Angaben im Prospekt etc. werden sodann strafrechtlich verfolgt (Art. 90 Abs. 1 lit. a FIDLEG).

Nachhaltigkeitsbezogene Aussagen in der Anlegerinformation und in der Werbung für ein Finanzinstrument müssen sodann zwingend mit einem veröffentlichten Prospekt oder einem abgegebenen Basisinformationsblatt übereinstimmen (Art. 68 Abs. 3 FIDLEG). Die FINMA kann einen entsprechenden Verstoss gegenüber beaufsichtigten Finanzinstituten aufsichtsrechtlich verfolgen. Bei anderen Marktteilnehmern kann eine Verletzung dieses Grundsatzes zivilrechtliche Konsequenzen haben, die hier nicht weiter vertieft werden.3

Anders als das EU-Recht kennt das Schweizer Finanzmarktrecht kein allgemeines Verbot falscher oder irreführender Anlegerinformation; im Gesetzgebungsverfahren wurde hierfür ausdrücklich auf das UWG verwiesen. Die FINMA ist somit für Fälle von Greenwashing im Kapitalmarkt ausserhalb des erwähnten Täuschungsverbots im Recht der kollektiven Kapitalanlagen und der allgemeinen Aufsicht über Banken, Versicherungen und Finanzinstitute nicht zuständig.

 

11.3.6 Haftung des Unternehmens, des Verwaltungsrats und der obersten Geschäftsführung

Greenwashing kann unter verschiedenen Titeln eine Haftung des Unternehmens, des Verwaltungsrats und der obersten Geschäftsführung zur Folge haben (Stichwort «Climate Litigation»), etwa in Form einer Haftung für unlauteren Wettbewerb (Art. 9 Abs. 3 UWG). Weitere Haftungsrisiken drohen im Ausland. Herausgegriffen sei hier die aktienrechtliche Verantwortlichkeit:

Geht falsche oder irreführende nachhaltigkeitsbezogene Kommunikation auf eine Verletzung von Organpflichten des Verwaltungsrats oder der Geschäftsführung zurück, droht deren Mitgliedern eine persönliche Haftung (Art. 754 ff. OR).4 Verletzt sein können neben der allgemeinen Sorgfaltspflicht die Pflichten betreffend Oberleitung, Oberaufsicht, Organisation, Risikokontrolle oder Reporting (Art. 716a, 717, 964c Abs. 1 OR). Die Behauptung der Verfolgung von Nachhaltigkeitszielen oder der Einhaltung interner Prozesse, die nicht wirklich umgesetzt werden, dürfte regelmässig eine Sorgfaltspflichtverletzung indizieren. Der auch in der Schweiz von den Gerichten anerkannte richterliche Schutz des Geschäftsermessens («Business Judgment Rule») bewahrt gerade bei der Verletzung informationsbezogener Pflichten kaum vor einer Haftung.

Doch nicht jede falsche Aussage in der Werbung oder einem Bericht stellt eine haftpflichtrechtlich relevante Verletzung einer Organpflicht dar. Eine Haftung setzt sodann einen Schaden der Gesellschaft oder, bei Greenwashing typischer, der Aktionärinnen und Aktionäre, etwa in Form eines Kursschadens, und zumindest leichte Fahrlässigkeit voraus. Zwar sind die Prozesshürden hoch. Die Prozessrisiken dürften jedoch mit dem öffentlichen Druck und der Etablierung von Nachhaltigkeitsstandards eher zunehmen. Geeignete Präventionsmassnahmen sind deshalb ein Gebot der Stunde.

1

Vgl. die europäische Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie Corporate Sustainable  Reporting Directive («CSRD») (EU) 2022/2464, Erw. 13; EU-Taxonomie-Verordnung (EU) 2020/852, Erw. 20.

2

Art. 9 Richtline der SIX betr. Informationen zur Corporate Governance

3

Siehe dazu: Daniel Dedeyan, Komm. zu Art. 68 FIDLEG N 54 ff., 62 ff., in: Rolf Sethe et al. (Hrsg.), Kommentar zum FIDLEG, Zürich 2021.

4

Siehe dazu eingehend: Daniel Dedeyan, Haftung für fehlerhafte Unternehmenskommunikation: Neue Risiken im Zuge der Nachhaltigkeitsregulierung, in: Peter R. Isler/Rolf Sethe, Managerhaftung bei Unternehmenszusam-menbrüchen, Zürich 2023, S. 67 ff.

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