Institutionelle Investoren wollen eine robuste Governance zu Nachhaltigkeitsthemen sehen, inklusive Oberaufsicht des Verwaltungsrats, und verlangen eine konsistente, vergleichbare und zuverlässige Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Folgende drei Prioritäten können ausgemacht werden:

  • Anleger wollen qualitativ bessere ESG-Daten. Einerseits haben sie Bedenken, ob Unternehmen tatsächlich so nachhaltig sind, wie sie vorgeben (Stichwort «Greenwashing»). Andererseits ist es notwendig, die Analyse der Nachhaltigkeitsdaten so zu verbessern, dass diese in Gesprächen mit Anlegern gut präsentiert werden können. Dazu gehört auch eine Diskussion über die entsprechenden Datenerhebungsverfahren und IT-Systeme.
  • Die überwiegende Mehrheit der Anleger vermisst einen klaren Fokus auf die Aspekte, die finanziell wichtig sind (finanzielle Wesentlichkeit). Weitschweifige Berichte ohne klaren Fokus können oft wichtige Informationen verdecken. Der Schlüsselfaktor ist hier die Verbindung zum Kerngeschäft eines Unternehmens, Anleger beobachten jedoch einen fehlenden Zusammenhang zwischen der ESG-Berichterstattung und der Finanzberichterstattung.
  • Anleger wünschen sich einen standardisierten globalen Berichterstattungsrahmen sowie verbindliche ESG-Berichterstattungsanforderungen, einschliesslich einer unabhängigen Prüfung, um die Konsistenz und Vergleichbarkeit der offengelegten Informationen sicherzustellen.

Derzeit decken die von dem International Business Council of the World Economic Forum (WEF IBC) und der IFRS-Stiftung/International Sustainability Standards Board (ISSB) bereitgestellten Rahmen die Bedürfnisse der Anleger ab, da sie sich durch die Linse der finanziellen Leistung auf Nachhaltigkeit konzentrieren. Die IFRS-Stiftung hat mit der Konsolidierung von TCFD, SASB und Integrated Reporting einen grossen Schritt hin zu einer weltweit einheitlichen Grundlage für die Nachhaltigkeitsberichterstattung gemacht. Die ersten Standards (IFRS S1 und S2) wurden Mitte 2023 publiziert. Über 20 Länder, welche die Hälfte des globalen BIP repräsentieren, haben sich bereits zur Übernahme der IFRS-Nachhaltigkeitsstandards verpflichtet.

Darüber hinaus wird Unternehmen empfohlen, über ihre externen Auswirkungen zu berichten. In dieser Hinsicht werden nach wie vor die GRI-Standards am häufigsten als Rahmen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung verwendet. Zumindest in Europa wird sich mit Inkrafttreten der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) mittelfristig der Ansatz der doppelten Wesentlichkeit durchsetzen, der ausdrücklich die Auswirkungen auf ein Unternehmen und die externen Auswirkungen dieses Unternehmens berücksichtigt. Darüber hinaus verspricht die EU-Taxonomie ein einheitliches Klassifikationssystem für Anleger, das festlegt, welche Geschäftstätigkeiten – und dementsprechend Unternehmen – als nachhaltig eingestuft werden können.

Wenngleich ein Schweizer Unternehmen noch nicht direkt von entsprechenden EU-Vorschriften betroffen sein sollte, können diese durchaus relevant sein, sei es, weil Anleger im Rahmen der EU-Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzprodukte (SFDR) Bericht erstatten müssen und Informationen über die zugrunde liegenden Instrumente und Investitionen benötigen, oder weil Kunden und Geschäftspartner bestimmte Informationen verlangen können. Globale Kapitalmärkte erstrecken sich über Landesgrenzen hinweg und Emittenten sollten diese internationalen regulatorischen Entwicklungen sorgfältig beobachten.

ESG-Ratings messen die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen auf das finanzielle Ergebnis.

Vermögensverwaltende, Finanzinstitute und Anlegerschaft ziehen neben ihren eigenen Analysen auch ESG-Ratings von Agenturen heran, um die Leistung von Unternehmen zu bewerten. Allerdings führt eine mangelnde Standardisierung dazu, dass dasselbe Unternehmen von verschiedenen Anbietern völlig unterschiedliche Bewertungen erhalten kann, je nachdem, wie Nachhaltigkeit definiert wird, d. h. welche ESG-Kriterien berücksichtigt und wie sie gewichtet werden. Was sie üblicherweise gemein haben, ist der Fokus auf die Auswirkungen von ESG auf das finanzielle Ergebnis des Unternehmens. Nachstehend sind die wichtigsten derzeitigen Anbieter aufgelistet:

  • Inrate: Grundlage für die ESG-Indizes von SIX, d. h. SIX Switzerland Sustainability 25 Index, SPI ESG, SPI ESG Weighted, SPI ESG Multi und Single Premia Indizes, SBI ESG und Subindizes, SBI ESG Screened AAA-BBB
  • Sustainalytics (gehört zu Morningstar)
  • S&P Global ESG Scores: Grundlage für den Dow Jones Sustainability Index
  • MSCI ESG
  • Bloomberg ESG
  • FTSE Russell ESG
  • ISS ESG (gehört zur Deutsche Börse Group)
  • Refinitiv (gehört zur London Stock Exchange Group)
  • Moody’s ESG Solutions Group
  • RepRisk
  • CDP
  • GRESB (für Real Estate)

Die Beantwortung von Datenanfragen dieser ESG-Rating-Agenturen kann sehr zeitaufwändig sein. Eine Priorisierung der wichtigsten ESG-Ratings unter Einbezug relevanter Anleger ist daher zu empfehlen.

Letztlich wünschen Anleger Transparenz und eine ausgewogene Berichterstattung über die Leistung eines Unternehmens und nicht nur Lippenbekenntnisse und Hochglanzbroschüren. In Hinsicht auf das erforderliche Mass an Glaubwürdigkeit berücksichtigen Anleger auch Governance-Aspekte wie ESG-Komponenten in den Vergütungssystemen der Unternehmensleitung, unabhängige Prüfungen der Nachhaltigkeitsleistung oder die Frage, ob das Nachhaltigkeitsteam direkt an die Geschäftsleitung berichtet und welche Rolle der Verwaltungsrat dabei spielt. Eine unterdurchschnittliche ESG-Leistung kann zu Aktionismus seitens der Aktionäre führen, der darauf abzielt, die Geschäftsführung zu beeinflussen und die Leistung eines Unternehmens zu verbessern. Bleibt dies erfolglos, können Anleger sogar eine Veräusserung von Aktien und Obligationen in Erwägung ziehen.

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