Nachhaltigkeit wird nicht mehr nur als «Nice-to-have» oder als Marketingmassnahme angesehen, sondern ist heute integraler Bestandteil von Risiko-Chancen-Überlegungen und Unternehmensstrategien. Anleger wollen wissen, wie Unternehmen langfristig Mehrwert schaffen und wie Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte (ESG)  die Finanzergebnisse eines Unternehmens beeinflussen. Diese sogenannte «Financial Materiality»-Perspektive ist auch Bestandteil einiger Nachhaltigkeitsreporting-Regulierungen und Standards, wie der Europäischen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und der dazugehörenden European Sustainability Reporting Standards (ESRS).

In den letzten Jahren verzeichneten nachhaltige Anlagen in der Schweiz ein enormes Wachstum und erreichten bis Ende 2021 ein Volumen von fast 2000 Milliarden CHF. Die Abnahme auf rund 1600 Milliarden CHF im Jahr 2022 ist hauptsächlich auf die Marktentwicklung zurückzuführen. 2023 erlebte der Markt für nachhaltige Anlagen mit einem Gesamtwachstum von 3% eine leichte Erholung, was allerdings unter der Gesamtmarktperformance von rund 15% lag.1  Im Jahr 2024 setzte die Markterholung mit einer signifikanten Wachstumsrate von 13% im Vergleich zum Vorjahr fort und erreichte fast wieder 1.900 Milliarden CHF. Treiber waren unter anderem die erweiterte Verfügbarkeit nachhaltiger Anlageprodukte, die von Schweizer Retail- und Regionalbanken angeboten werden. Darüber hinaus trugen die günstigen Marktbedingungen im Jahr 2024 zu starken Renditen bei nachhaltigkeitsbezogenen Investitionen bei. Ein Generationenwechsel scheint ebenfalls eine Rolle zu spielen, da jüngere Anleger, die grösseren Wert auf Nachhaltigkeit legen, zunehmend die Nachfrage nach diesen Produkten antreiben.2

Entwicklung nachhaltiger Anlagen in der Schweiz2

In Milliarden CHF

Diese Abbildung berücksichtigt nur jene Teilnehmenden in den Daten für 2023 und 2024, die in beiden Jahren teilgenommen haben, um den Einfluss von Veränderungen in der Teilnehmerzusammensetzung auf die gesamten nachhaltigkeitsbezogenen Volumina zu kontrollieren.

Der gängigste Ansatz im Bereich nachhaltige Investments ist der Ausschluss von Wertschriften aus dem Anlageuniversum, die als nicht nachhaltig gelten, beispielsweise die Tabak- und Waffenindustrie. Im Gegensatz zum Vorjahr ist der zweithäufigste Ansatz das ESG-Engagement, bei dem Aktionäre versuchen, das Management dazu zu bringen, Nachhaltigkeits-Kriterien stärker zu berücksichtigen. Die normbasierte Screening-Methode, bei der die Übereinstimmung mit internationalen Standards wie dem UN Global Compact, den OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen oder den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte berücksichtigt wird, liegt nun auf dem vierten Platz, nachdem sie zuvor den zweiten Platz einnahm. Die Integration von ESG-Risiken und -Chancen in die Finanzanalyse bleibt auf dem dritten Platz. Alle Ansätze für nachhaltige Investitionen verzeichneten im Jahr 2024 einen Anstieg. Das signifikanteste Wachstum wurde im ESG-Engagement und bei klimafreundlichen Investitionen beobachtet, die beide um mehr als 30% wuchsen.2

Entwicklung der Ansätze zu nachhaltigen Anlagen in der Schweiz2

In Milliarden CHF (n=78)

% of total sustainability-related volumes applying respective approach

Die Berücksichtigung von ESG-Faktoren bei Investitionsentscheidungen erfordert ausreichend detaillierte Offenlegungen seitens der Unternehmen. Während Europa traditionell im Bereich der ESG-Investitionen führend war, haben Investoren in Nordamerika und im asiatisch-pazifischen Raum in den letzten Jahren ähnliche Prioritäten übernommen. Allerdings sind ESG-Investitionen, insbesondere in den USA, derzeit Gegenstand erheblicher Kontroversen und sehen sich politischen Widerständen gegenüber. Im Rahmen eines allgemeinen „ESG-Backlash“ führt die EU derzeit „Omnibus“-Vereinfachungen für eine Reihe von Vorschriften ein, die aus dem Europäischen Green Deal stammen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und die Compliance-Belastung zu begrenzen.

Die Welt wird zunehmend multipolar wahrgenommen, wobei Jurisdiktionen unterschiedlich schnell und manchmal in unterschiedliche Richtungen voranschreiten. Trotz regulatorischem und politischem Gegenwind in einigen Ländern wachsen die ESG-Investitionen weiterhin, unterstützt durch die Nachfrage von institutionellen und privaten Anlegern. ESG bleibt relevant und umfasst Themen wie Klima und Natur, Menschenrechte, Mitarbeiterbeziehungen, verantwortungsvolle Wertschöpfungsketten, Korruptionsbekämpfung oder Cybersicherheit. Auf der anderen Seite haben rechtliche Risiken und Bedenken hinsichtlich der Treuhandpflichten auch zu einem vorsichtigeren Ansatz betreffend ehrgeiziger Zielsetzungen unter insbesondere US-Investoren geführt. Weltweit hat die Angst vor Klimaklagen dazu geführt, dass einige Finanzinstitute Initiativen wie die Glasgow Financial Alliance for Net Zero (GFANZ) verlassen haben.

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