11.2.1 Eckwerte aus der Greenwashing-Prävention der FINMA bei Fonds

Eine spezifische staatliche Regulierung gegen Greenwashing sieht in der Schweiz aktuell nur die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA in ihrer Praxis der Bewilligung und Aufsicht über kollektive Kapitalanlagen vor. Sie stützt sich unter anderem auf das Täuschungsverbot bei kollektiven Kapitalanlagen (Art. 12 des Kollektivanlagengesetzes). Die Eckwerte der FINMA-Aufsicht über Fonds bieten auch für andere Bereiche einen Referenzpunkt.

Die FINMA knüpft an jeglichen Nachhaltigkeitsbezug an. Einen solchen nimmt sie immer dann an, wenn «die Anleger­ bzw. Kundschaft den Eindruck haben könnte, dass die Nachhaltigkeit eine wesentliche Eigenschaft des Finanzprodukts darstellt». Dies ist etwa bei Verwendung von Bezeichnungen wie «grün», «umweltfreundlich» oder «ESG» der Fall. Die FINMA lässt die Definition von Nachhaltigkeit angesichts der Vielfalt der Definitionen offen. 

Was dabei Nachhaltigkeit ist, lässt die FINMA angesichts der Vielfalt der Definitionen offen.

Die FINMA spricht bei Greenwashing von der «Gefahr, dass die Anleger­ und Kundschaft – bewusst oder unbewusst – über nachhaltige Eigenschaften von Finanzprodukten und ­-dienstleistungen getäuscht werden»1. Es braucht also nicht unbedingt Absicht.

Falls ein Nachhaltigkeitsbezug im erwähnten Sinn besteht, geht die FINMA vor allem in folgenden Fällen von Greenwashing aus: 2

  • Tatsächlich wird keine nachhaltige Strategie verfolgt.
  • Ein angegebener Nachhaltigkeitsansatz (z.B. Best-in-Class, Integration von ESG-Kriterien, Stewardship) wird nicht umgesetzt.
  • Es gibt Aktivitäten, die mit dem angegebenen Nachhaltigkeitsansatz nicht im Einklang stehen.
  • Es werden nur Nachhaltigkeitsrisiken ausgeschlossen. Dies entspricht der Selbstregulierung der Asset Management Association Switzerland (AMAS), wonach die Anwendung blosser Ausschlusskriterien und die blosse ESG-Integration nicht per se als nachhaltig gilt.3
  • Es werden Begriffe wie «Impact» oder «Zero Carbon» verwendet, «ohne dass die angegebenen Auswirkungen oder Einsparungen mess­ und nachweisbar sind.» Aktuell verneint die FINMA in den meisten Fällen die Messbarkeit bei Angaben wie «Netto Null» oder Impact mit Active Onwership.
  • Es mag zwar eine Strategie geben und diese mag umgesetzt werden, aber «[d]ie Anlegerinnen und Anleger können sich aufgrund des mangelnden Detaillierungsgrades bzw. der mangelnden Transparenz kein Bild über die Berücksichtigung der Nachhaltigkeit verschaffen». Die FINMA erwähnt in diesem Zusammenhang auch mangelhafte nachträgliche Berichterstattung über die Umsetzung.

Im Falle eines Nachhaltigkeitsbezugs von kollektiven Kapitalanlagen stellt die FINMA bestimmte Anforderungen an:

(i) die Offenlegung: Die Dokumentation soll eine informierte Anlageentscheidung erlauben;
(ii) die Organisation: Integration der Strategie in die Prozesse, Festlegung der Nachhaltigkeitsstrategie durch den Verwaltungsrat, Sicherstellung von Fachwissen auf allen Ebenen der Organisation, Datenmanagement, Risikomanagement; und
(iii) das Marketing sowie die Beratung am Point of Sale.4

Auf diese Weise bildet sich in der Finanzmarktaufsicht ein Standard für die Greenwashing-Prävention heraus, der sich auf weitere Bereiche auswirkt. So verweist die Selbstregulierung der Schweizerischen Bankiervereinigung («SBVg») über Kollektivanlagen hinaus auch für weitere Finanzinstrumente auf die Praxis der FINMA zur Prävention gegen Greenwashing.5

 

11.2.2 Eckwerte des Bundesrats für eine Greenwashing­ Regulierung

Der Schweizerische Bundesrat hat in seinem «Standpunkt» folgende Vorgaben für eine künftige Regulierung von Greenwashing im Finanzsektor bzw. für eine entsprechende Selbstregulierung festgelegt.6

Für den Bundesrat liegt «Greenwashing im Finanzsektor […] unter anderem vor, wenn der Anschein vermittelt wird, ein Finanzinstrument­ oder eine Finanzdienstleistung verfüge über nachhaltige Eigenschaften oder würde Nachhaltigkeitsziele verfolgen, und dies die Realität nicht angemessen widerspiegelt». Bereits der «Anschein» genügt demnach. Massgeblich ist eine Abweichung des Anscheins von der effektiven Geschäftspraktik, wobei sich der Bundesrat mit dem Ausdruck «unter anderem» einen noch weiteren Greenwashing-Begriff vorbehält.

Als nachhaltig dargestellte Finanzprodukte oder Finanzdienstleistungen müssen entweder mit einem oder mehreren Nachhaltigkeitszielen, namentlich aus den 17 Sustainable Development Goals («SDG») der UN-Agenda 2030, vereinbar sein (z.B. durch Anlagen in Unternehmen mit Paris-konformen Transitionsplänen) oder einen Beitrag zur Umsetzung eines oder mehrerer solcher Nachhaltigkeitsziele leisten (z. B. mittels Impact-Investing oder Active Ownership).

Wie gemäss der FINMA-Praxis und der Selbstregulierung der AMAS darf ein Ansatz nicht als nachhaltig bezeichnet werden, wenn ausschliesslich ESG-Risiken für das Investment reduziert werden sollen oder die finanzielle Performance optimiert werden soll.

Weiter sieht der Bundesrat vor:

  • eine Pflicht zur detaillierten Beschreibung der angewendeten Nachhaltigkeitsansätze, der Umsetzung und der Key-Performance-Indikatoren zur Messung; 
  • periodische Berichterstattung anhand relevanter Indikatoren, wobei der Bundesrat hierfür das Klima-Label Swiss Climate Scores für Fonds empfiehlt;
  • eine Prüfung durch unabhängige Dritte; und
  • die rechtliche Durchsetzbarkeit und Klagbarkeit der Verpflichtungen.

Im Kontrast zur europäischen Regulierung setzt der Bundesrat nicht auf eine hoheitliche Definition dessen, was als nachhaltig gilt, sondern auf eine prinzipienbasierte Regulierung. Der Bundesrat schob die angekündigte Regulierung gegen Greenwashing dann aber zugunsten eines Selbstregulierungsentwurfs der Branchen bis August 2024 auf.7 In Anbetracht der zwischenzeitlichen Regulierungsbemühungen der AMAS8, der SBVg9  und des Schweizerischen Versicherungsverbandes sowie der Entwicklungen in der EU-Regulierung verzichtete der Bundesrat dann aber auf eine hoheitliche Regulierung.10 Die Grundsätze seines «Standpunkts» versteht er weiterhin als Massstab für die Selbstregulierung.

 

11.2.3 Eckwerte aus der EU-­Greenwashing-­Regulierung

Die Schweizer Ansätze stehen nicht im luftleeren Raum, sondern entwickeln sich vor dem Hintergrund der umfangreichen EU-Regulierung, die auch für grenzüberschreitend tätige Schweizer Unternehmen von Bedeutung ist.

Spezifisch gegen Greenwashing zielen vor allem die Sustainable Finance Disclosure Regulation (EU) 2019/2088 («SFDR») namentlich für Fonds, die Taxonomie-Verordnung (EU) 2020/852 («EU-Taxonomie»), welche Nachhaltigkeit für die Zwecke der SFDR und der Nachhaltigkeitsberichterstattungs-Richtlinie (EU) 2022/2464 («CSRD») definiert, sowie der revidierte Technische Regulierungsstandard («RTS») zur Finanzmarktrichtlinie MiFID II.11 Daraus ergeben sich die folgenden Eckwerte für die Definition von Greenwashing:

Die EU-Taxonomie definiert «Greenwashing» als «die Praxis […], durch die Bewerbung eines Finanzprodukts als umweltfreundlich einen unfairen Wettbewerbsvorteil zu erlangen, obwohl den grundlegenden Umweltstandards nicht entsprochen wird.»12 Damit knüpft sie an die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs an und misst allgemeine Umweltaussagen an als grundlegend bezeichneten Umweltstandards.

Der RTS zur SFDR (betreffend Fonds) und der revidierte RTS zu MiFID II (betreffend Finanzinstrumente allgemein)13 meinen mit «Bewerbung» insbesondere die «Empfehlung» eines Finanzprodukts. Sie weiten die Definition über Umweltstandards hinaus auf andere Nachhaltigkeitsstandards aus.14

Die Sustainable Finance Strategy der EU erfasst sodann unter Greenwashing auch Marketing mit «unsubstantiated sustainability claims» bezüglich Produkte, Aktivitäten und Policies.15 Die Qualifikation von nicht beweisbaren nachhaltigkeitsbezogenen Aussagen als Greenwashing hat die FINMA von der EU-Regulierung übernommen.

Die EC SFDR Q&A beziehen weiter mit ein: «conveying a false impression, or providing misleading information about how a financial product is performing in terms of ESG sustainability».16Damit weitet sich die Definition auf den blossen Anschein aus, was der Bundesrat übernommen hat, erfasst auch die nachträgliche Berichterstattung über die Performance und nimmt über die EU-Taxonomie hinaus das weite Feld internationaler ESG-Standards zum Massstab.

Wer mit der Nachhaltigkeit des Investments wirbt, darf dies nur tun, wenn im Sinne der Erreichung eines Umweltziels in eine nachhaltige Wirtschaftstätigkeit investiert wird («dark green», Art. 2 Ziff. 17 und Art. 9 SFDR). Als nachhaltig wird eine Wirtschaftstätigkeit klassifiziert, wenn sie zu einem definierten umweltbezogenen oder sozialen Nachhaltigkeitsziel beiträgt und keines der Nachhaltigkeitsziele wesentlich beeinträchtigt. Weiter muss die Wirtschaftstätigkeit mit Verfahrensweisen einer guten Unternehmensführung (einschliesslich Einhaltung der Steuervorschriften) einhergehen.17 Zudem muss sie den sozialen Mindestschutz gemäss den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen, den ILO-Abkommen und der UNO-Menschenrechtscharta im Sinne einer Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen sicherstellen.18 In Abweichung vom Ansatz des Bundesrats darf ein rein ökologischer Nachhaltigkeitsaspekt ganz ohne Berücksichtigung von Unternehmensführung und sozialer Nachhaltigkeit oder unter Beeinträchtigung eines anderen Nachhaltigkeitsziels nicht als nachhaltig bezeichnet werden.

Wenn nicht mit der Nachhaltigkeit eines Investments bzw. einer Wirtschaftstätigkeit, sondern lediglich mit ökologisch oder sozial nachhaltigen Merkmalen eines Finanzprodukts neben anderen Merkmalen geworben wird («light green»), wird vorausgesetzt, dass offengelegt wird, wie die nachhaltigen Merkmale erfüllt werden, und dass die Unternehmen, in die investiert wird, Verfahrensweisen einer guten Unternehmensführung anwenden (Art. 8 SFDR). Insofern der Nachhaltigkeitsbegriff des Bundesrats keinen Bezug auf Verfahrensweisen guter Unternehmensführung nimmt, ist er ebenfalls nicht mit dem EU-Ansatz kompatibel.

Die blosse Vermeidung von Nachhaltigkeitsrisiken für das Investment darf nicht nachhaltig genannt werden. Darüber herrscht auch in der Schweiz Konsens.

Die EU-Taxonomie und zahlreiche delegierte Verordnungen/RTS definieren im Detail, welche Wirtschaftstätigkeiten als ökologisch nachhaltig bezeichnet werden dürfen. Hier liegt der grösste Unterschied zum Schweizer Regulierungsansatz, der stattdessen eine prinzipienbasierte Regulierung anstrebt und zuletzt auf Selbstregulierung setzt.

Schliesslich liegen ein Entwurf einer Regulierung von Nachhaltigkeitsaussagen und Greenwashing ausserhalb des Finanzsektors (die Green Claims Directive) sowie der Vorschlag eines EU-Ecolabels für Finanzinstrumente vor.

1

FINMA-Aufsichtsmitteilung 05/2021 «Prävention und Bekämpfung von Greenwashing» vom 3. November 2021, S. 1 mit Fn 1, S. 3

2

Zum Folgenden FINMA-Aufsichtsmitteilung 05/2021, S. 4 f.

3

AMAS, Selbstregulierung zu Transparenz und Offenlegung bei Kollektivvermögen mit Nachhaltigkeitsbezug (Version 2.0) vom 29. April 2024, Art. 17 Abs. 4

4

FINMA-Aufsichtsmitteilung 05/2021, S. 3 ff.

5

Vgl. Art. 7 Abs. 3 der Richtlinien der SBVg für die Finanzdienstleister zum Einbezug von ESG-Präferenzen und ESG-Risiken und zur Prävention von Greenwashing bei der Anlageberatung und Vermögensverwaltung vom Mai 2024, siehe dort Art. 7 Abs. 3.

6

Zum Folgenden siehe Bundesrat, Standpunkt bezüglich Greenwashing-Prävention im Finanzsektor vom 16. Dezember 2023, S. 1, 3 ff.

7

«Weitere Arbeiten zur Vermeidung von Greenwashing», Pressemitteilung des Bundesrats vom 25. Oktober 2023

8

Siehe oben in Fn 5.

9

SBVg, Richtlinien für die Finanzdienstleister zum Einbezug von ESG-Präferenzen und ESG-Risiken und zur Prävention von Greenwashing bei der Anlageberatung und Vermögensverwaltung vom Mai 2024

10

«Bundesrat stellt Fortschritte der Finanzbranche bei Verhinderung von Greenwashing fest», Pressemitteilung des Bundesrats vom 19. Juni 2024

11

Zum Folgenden siehe etwa Tadas Zukas/Uwe Trafkowski, Sustainable Finance: The Regulatory Concept of Greenwashing under EU Law, EuZ 02/2022, C 2 ff.

12

EU-Taxonomie-Verordnung (EU) 2020/852, Erw. 11

13

RTS zur MiFID II Delegierte Verordnung (EU) 2021/1253

14

RTS zur SFDR Delegierte Verordnung (EU) 2022/1288, Erw. 16

15

 COM (2021) 390, 6. Juli 2021, 3 Fn 11

16

SFDR EC Q&A 7/2021, 7

17

Art. 2 Abs. 17 SFDR

18

Art. 18 Abs. 1 und 2 EU-Taxonomie

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