9.2 Die Vernetzung von ESG und ESG-Daten
Die Themenbereiche Umwelt, Soziales und Governance bzw. Unternehmensführung (ESG) sind eng miteinander vernetzt und beeinflussen sich gegenseitig. Diese Vernetzung beruht auf der Tatsache, dass unternehmerische Entscheidungen und Aktivitäten stets mehrere Dimensionen gleichzeitig betreffen und nachhaltige Ergebnisse nur erzielt werden können, wenn alle drei Aspekte berücksichtigt werden. Die Integration und gemeinsame Betrachtung von ESG-Themen sind wichtig, weil:
- Eine Interdependenz der ESG-Faktoren existiert: Entscheidungen in einem ESG-Bereich haben direkte und indirekte Auswirkungen auf die anderen Bereiche. Beispielsweise kann eine umweltfreundliche Technologie nicht nur ökologische Vorteile bieten, sondern auch soziale (z.B. Schaffung oder Verlust von Arbeitsplätzen) und Governance-Aspekte (z.B. Einhaltung von regulatorischen Standards) betreffen. Wenn Unternehmen nur einen Bereich isoliert betrachten, könnten sie potenzielle Risiken übersehen oder Chancen ungenutzt lassen.1
- Heutzutage empfohlen wird, ein ganzheitliches Risikomanagement zu verfolgen: Ein integrierter Ansatz bei der Betrachtung von ESG-Themen ermöglicht ein umfassenderes Risikomanagement.2 Umweltrisiken, wie der Klimawandel, können erhebliche soziale und wirtschaftliche Auswirkungen haben. Durch die ganzheitliche Analyse können Unternehmen besser auf zukünftige Herausforderungen vorbereitet sein und widerstandsfähiger agieren.3
- Damit eine Steigerung der langfristigen Wertschöpfung angestrebt wird: Nachhaltige Unternehmensführung, die alle ESG-Aspekte einbezieht, trägt zur langfristigen Wertschöpfung bei. Ein Unternehmen, das umweltbewusst handelt, seine sozialen Verpflichtungen ernst nimmt und über eine gute Unternehmensführung verfügt, wird von Stakeholdern, darunter Investoren, Kundinnen/Kunden und Mitarbeitenden, positiver wahrgenommen. Dies kann zu einem besseren Ruf, höherer Kundentreue und einem stabileren finanziellen Erfolg führen.4
Die Erkenntnis der Vernetzung und die gemeinsame Betrachtung von ESG-Themen ermöglichen es Unternehmen, nachhaltig und verantwortungsvoll zu handeln. Dies kann nicht nur als ein Beitrag zu einer besseren Welt gesehen werden, sondern auch als Beitrag zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und damit zur Sicherung des langfristigen Unternehmenserfolgs.
ESG-Daten von Unternehmen beziehen sich auf Faktoren, die die Nachhaltigkeit von Investitionen oder Unternehmen messbar machen sollen. Die Erfassung von ESG-Rohdaten ergibt sich durch Veröffentlichungen der Unternehmen (Selbstauskunft), die standardisierte Berichterstattung (obligatorische Berichte und freiwillige Rahmenwerke), Nachrichten und Medien, die Berichterstattung von NGOs, Unternehmensbewertungen (Due-Diligence-Fragebogen) oder durch interne Modelle, die fehlende oder verzerrte Daten durch statistische Modelle vervollständigen. Nach Bereinigung der Daten können diese zur Berechnung von ESG-Kennzahlen genutzt werden. Diese Kennzahlen werden wiederum gruppiert und verschiedenen ESG-Themen wie Biodiversität oder Menschenrechte zugeordnet, die in den drei Säulen Umwelt, Soziales oder Governance unterteilt sind.5
ESG-Themen, die zur Bewertung von Unternehmen verwendet werden, können je nach Rating-Agentur und angewandter Methodik erheblich variieren.6 In der nachfolgenden Abbildung werden häufig genannte ESG-Themen aufgeführt, die von führenden Rating-Agenturen wie Bloomberg, MSCI oder LSEG (ehemals Refinitiv / Thomson Reuters) verwendet werden:7

ESG-Daten können mit Problemen behaftet sein, was nachfolgender Exkurs illustriert.8
Exkurs: Problematik ESG-Daten
Die ESG-Datenerhebung, -beschaffung und -qualität ist mit diversen Herausforderungen und Barrieren verbunden. ESG-Faktoren sind häufig qualitativer Natur, was die Übersetzung in quantitative und aggregierte Daten erschwert. Es kann schwierig sein, Aspekten wie den CO2-Emissionen einer Unternehmung, der Einhaltung von Menschenrechten oder der Vergütungsstrategie von Führungskräften einen skalierbaren Wert zuzuweisen und diese Werte dann zu bewerten.9 Zusätzlich erschweren Unsicherheiten in Bezug auf den Zeithorizont, die Intensität und Häufigkeit die Quantifizierung eines ökologischen oder sozialen Risikos.10 Eine weitere Herausforderung besteht in der Klassifizierung von ESG-Themen. Die Klassifizierung ist aus einer externen Unternehmensperspektive oft intransparent und es ist nicht klar, welche Aspekte ganz konkret in welcher Säule der Nachhaltigkeit eingebunden werden (siehe hierzu Abbildung 1). Ökologische oder soziale Problemstellungen sind oft komplex und miteinander verbunden. So kann die Lieferkette beispielsweise eine soziale Frage sein, wenn betrachtet werden soll, ob Zulieferer die Menschenrechte respektieren. Gleichermassen kann es sich um eine ökologische Frage handeln, wenn der ökologische Fussabdruck eines Zulieferers gemessen werden soll.
1 Porter & Kramer, 2011
2 Siehe hierzu beispielsweise die Ausführungen zum Thema Enterprise Risk Management, kurz ERM, in Lütolf et al., 2018.
3 WEF, 2019
4 Eccles et al., 2014
5 Roncalli 2024, S. 59-61
6 Berg et al. 2022
7 Bloomberg, online; LSEG, online; MSCI, online
8 Eigene Darstellung in Anlehnung an die Ratingagenturen Bloomberg, MSCI und LSEG
9 CFA Institute, 2015
10 CISL & UNEP FI, 2014