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Investor Relations Handbuch


1 Strategische Relevanz der Investor Relations

Das Wichtigste in Kürze

Investor Relations sind ein Handlungsfeld der strategischen Unter­nehmenskommunikation. Sie bezeichnen bei einer Aktiengesellschaft die Beziehungspflege zu den Investoren.

Oberstes Ziel der IR ist die Optimierung der Börsenbewertung respektive der Eigenkapitalfinanzierung.

Zuverlässige, vertrauenswürdige und konsistente Informationen erhöhen überdies den Bekanntheitsgrad und die Vertrauensbasis von Unternehmen und stärken dadurch die Marktstellung.

In ausserordentlichen Situationen wie bei Transaktionen (M&A), dem Auftauchen von Aktionärsaktivisten oder in Krisen gewinnen die IR an strategischer Relevanz.

Je klarer die Unternehmensstrategie, je straffer deren Umsetzung, je disziplinierter der Kapital­ und Mitteleinsatz, desto besser die Grundlage für die Finanzkommunikation.

Auch eine enge Beziehungspflege mit den institutionellen Investoren hilft.

Ein gutes IR-­ und Kommunikationsprogramm startet mit einer guten Analyse. Welche Stärken und Schwächen hat das Unternehmen aus Investorensicht?

Bei der IR-­Strategie werden der Ist­ und Sollzustand der IR-­Ziele ermittelt und die Zielgruppen, Wahrnehmung, das Instrumentarium und die Kommunikationsgrundsätze definiert. Dabei wird es immer wichtiger, Risikoanalysen, Nachhaltigkeitsplanung und Geschäftsstrategie als integrierte Prozesse zu führen.

Für die IR-­Planung werden die strategischen Themen der Investor Relations operationalisiert und auf eine Zeitachse gelegt.

1.1 Herkunft

Die Wurzeln der Investor Relations reichen weit zurück. Es folgt ein kurzer Blick zurück in die Geschichte.

Am 24. Januar 1609 griff Isaac Le Maire, ein mit allen Wassern gewa­schener Kaufmann, zur Feder und schrieb der Dutch East India Com­pany (VOC), eine der grössten Handelsunternehmungen des 17. und 18. Jahrhunderts, einen geharnischten Brief (siehe Paul Frentrop und Joost Jonker1). Er beklagte sich über die miserable Corporate Governance, über den Missbrauch der Macht durch das Management, über die Strategie der Gesellschaft und die schlechte Behandlung der Aktionäre. Aktionärsaktivismus gab es also bereits vor über 400 Jahren. Diese Form der Einflussnahme ist auch heute noch häufig Anlass, um die Investorenbeziehungen zu verstärken oder auf eine neue Basis zu stellen.

Dasselbe gilt aus naheliegenden Gründen für Börsengänge. «New stock or bond flotations, upon which an expanding business must depend for its success, can be effected only if the concern has understood how to gain confidence and good will of the general public.» Das schrieb Edward Bernays in seinem Klassiker «Propaganda»2. 1928 publi­ziert, ist es eines der ersten Bücher, das die Grundzüge, den Sinn und Zweck der Unternehmenskommunikation beschreibt. Die Erkenntnis, dass die Beziehungen im Rahmen eines Börsengangs nicht nur zu den Investoren, sondern auch zur breiteren Öffentlichkeit intensiviert und professionalisiert werden sollten, ist also schon vor einiger Zeit gereift.

Entstehung des Begriffs

Während die Industrieikone General Electric (GE) bereits 1953 ein Kom­munikationsprogramm speziell für private Investoren entwickelt hat, etablierte sich der Begriff «Investor Relations» im deutschsprachigen Raum erst mit der Dissertation von H. K. Hartmann im Jahr 1968. In der Schweiz arbeitete Michael Drill 1995 das Thema mit einer Dissertation an der Universität St. Gallen systematisch auf3. Seine Überlegungen sind nach wie vor aktuell, weshalb Drill in diesem Handbuch mit einigen Darstellungen Tribut gezollt wird. Kristin Köhler hat in ihrem 2015 erschienenen Buch die Geschichte der IR detailliert aufgezeichnet und mit der Professionalisierung des IR­-Berufsstandes verknüpft4.

1

Frentrop, Paul/Jonker, Joost/Davis, Stephen: Shareholders Rights at 400, APG, 2009, Amsterdam

2

Bernays, Edward: Propaganda, H. Liveright, New York, 1928

3

Drill, Michael: Investor Relations. Funktion, Instrumentarium und Management der Beziehungspflege zwischen schweizerischen Publikums­-Aktiengesellschaften und ihren Investoren, Haupt, Bern, 1995

4

Köhler, Kristin: Investor Relations in Deutschand – Institutionalisierung – Professionalisierung – Kapitalmarktentwicklung – Perspektiven, Springer Gabler, Wiesbaden, 2015

1.2 Definition und Ziele

Investor Relations sind eine Spezialdisziplin der Unter­nehmenskommunikation.

Das US­-amerikanische National Institute of Investor Relations defi­niert den Kern dieser Tätigkeit dabei wie folgt (Definition vom März 2003, siehe ➔ niri.org/about-niri): «Investor relations is a strategic management responsibility that integrates finance, communication, marketing and securities law compliance to enable the most effective two-way communication between a company, the financial community, and other constituencies, which ultimately contributes to a company’s securities achieving fair valuation.»

Mit diesem Satz ist das Ziel auf den Punkt gebracht: «Investor Relations» nehmen Einfluss auf die Bewertung. Diesbezüglich offener ist die jüngst überarbeitete Definition des deutschen Fachverbandes DIRK (➔ www.dirk.org): «Investor Relations (IR) bezeichnet die strategische Managementaufgabe, Beziehungen des Unternehmens zu bestehenden und potenziellen Eigen- und Fremdkapitalgebern sowie zu Kapitalmarktintermediären zu etablieren und zu pflegen.»

Die nachfolgende Grafik stellt die Zielgrössen der Investor Relations detaillierter dar.

 

Zielgrössen der Investor Relations

 

IR-Instrumentalziele sind Mittel für
Ziele der Investor Relations sind Mittel für
Übergeordnete Ziele von 
Publikums-AG
  • Gewährleistung einer objektiven
    Titelbewertung
  • Erhöhung des Bekanntheits- und Beliebtheitsgrades der
    Gesellschaftstitel in der Financial Community
  • Gestaltung der Titel zu attraktiven
    Anlageobjekten
  • Hinreichende Marktgängigkeit der eigenen Titel

IR-Oberziel

Optimierung der Börsenbewertung im Sinne einer

  • langfristig maximal haltbaren
    Bewertungshöhe
  • angemessenen Bewertungsstabilität

 

Spezielle IR-Ziele

  • Erweiterung/Zusammensetzung des
    Aktionärskreises
  • Gewinnung Mehrung des Vertrauens der Investoren
  • Stärkung der Anlagetreue der Investoren

Steigerung des Shareholder Value

  • Vermeidung des Aktionärsaktivismus
  • Schutz vor feindlichen
    Unternehmensübernahmen

Optimierung der Eigenkapitalfinanzierung

  • Senkung der Eigenkapitalkosten
  • Sicherstellung der Eigenkapitalbeschaffung

Unterstützung sonstiger

Unternehmensziele

  • Verbesserung des Unternehmensimages
  • Sonderinteressen bei unechten

    Publikums-AG

IR-Ziele, Quelle: Drill1

Auf eine Finesse in der Grafik sei hingewiesen: Mittel zum Zweck der Steigerung des Shareholder Value (ein inzwischen in Verruf gekom­menes Konzept, doch der Begriff ist in seiner eigentlichen Bedeutung als «Unternehmenswert» nach wie vor zutreffend) ist eine faire Bewer­tung. Mit den Investor Relations sollen also der Status quo transparent beschrieben und realistische Erwartungen geweckt werden, im Sinne einer langfristig maximal haltbaren Bewertungshöhe und einer ange­messenen Bewertungsstabilität. Unrealistische Prognosen und leere Versprechen sind hingegen nicht die «idée de manœuvre».

Sind es aber nicht vielmehr die Strategie und deren Umsetzung, die auf dem Leistungsausweis des Managements beruhen und sich in harten Zahlen niederschlagen, für die faire Bewertung ausschlaggebend? Wozu noch viel Arbeitskraft und Geld in eine Tätigkeit stecken, die für die Wertentwicklung eines Unternehmens peripher ist? Die Antwort hängt von der Situation des Unternehmens ab. Finanziert eine Firma ihre Strategie aus dem operativen Cashflow und verfügt über einen Kernaktionär, der vor Übernahmen schützt, wird sie die Mittel wohl besser in die Forschung oder den Absatzmarkt investieren. Befindet sich die Firma jedoch auf einem steilen Wachstumspfad und braucht sie früher oder später frisches Kapital oder verfügt sie über ein zersplittertes Aktionariat, hat sie ein strategisches Interesse an einer möglichst hohen Bewertung und einem guten Renommee am Kapitalmarkt. Dazu können Investor Relations zumindest teilweise beitragen.

Wie die in der Grafik genannten kommunikationspolitischen Ziele er­ reicht werden können, wird in diesem Handbuch detaillierter beschrieben. Dass dabei Management­ und Kommunikationsaufgaben ineinander­ greifen, wird mit der nachstehenden Grafik dargestellt.

 

Senkung der Kapitalkosten als Ziel der Investor Relations
Grundlagen der Investor Relations, Quelle: Prof. Olaf Streuer2

Investor Relations, verstanden als Teil der strategischen Unternehmensführung und als Brennpunkt von Unternehmensstrategie, Corporate Governance, Corporate Finance und Unternehmenskommunikation, steuern die Erwartungen der Investoren. Wer weiss, wie die Investoren ticken, und ihre Rolle anerkennt, wird ihre Ansichten bei zentralen Fragen der Unternehmenssteuerung, etwa bei der Bestimmung von Strategie und Kapitalallokation durch Verwaltungsrat und Management, angemessen berücksichtigen, und die Kommunikation bedürfnisgerecht steuern.

Milchbüchleinrechnung zum Wert von Investor Relations

Es sei angenommen, eine Firma plane eine grössere Akquisition und hätte dafür in spätestens fünf Jahren einen Kapitalbedarf von CHF 100 Mio., der via Kapitalerhöhung finanziert werden müsste. Auch sei angenommen, es liesse sich mit professionellen Investor Relations eine Bewertungsprämie von 5 Prozent erzielen – Untersuchungen legen mindestens diesen Wert nahe. In dem Fall würde sich die Festanstellung zweier erfahrener IR­-Mitarbeitender auszahlen (sprich: ca. CHF 500 000 p. a.). Das Unternehmen hätte bei erfolgreicher Kapitalerhöhung immer noch über CHF 2 Mio. mehr in der Kasse. Und wäre zudem besser aufgestellt, wenn es in eine Krise geraten sollte.

1

Drill, Michael: Investor Relations. Funktion, Instrumentarium und Management der Beziehungspflege zwischen schweizerischen Publi­kums­-Aktiengesellschaften und ihren Investoren, Haupt, Bern, 1995

2Streuer, Olaf: IR Basics – Grundlagen der Investor Relations, Präsentation an DIRK-­Konferenz, Frankfurt a.M., 2016 ➔ https://www.dirk.org/wp-content/uploads/2020/11/170612_IR-Basics_Streuer_Grundlagen_IR.pdf

1.3 IR-Projekte von strategischer Relevanz

1.3.4 Aktivistische Aktionäre

Ein aktivistischer Aktionär erwirbt einen Anteil an der Gesellschaft mit dem Ziel, Druck auf den Verwaltungsrat auszuüben und mit seiner Inter­ vention den Unternehmenswert zu steigern.

Aktivisten analysieren die Zielgesellschaft vor einer Kontaktaufnahme mit dem Verwaltungsrat oder der Lancierung einer Medienkampagne genau. Die häufigsten Angriffspunkte bilden dabei die unterdurch­schnittliche Aktienkursentwicklung, ineffizienter Kapitaleinsatz (strate­gische Fehler, operative Misstritte) und mangelhafte Corporate Gover­nance oder ausgeprägte Schwächen im Bereich der nachhaltigen Geschäftsführung. Auch eine überhöhte Managementvergütung kann, vor allem in einer Medienkampagne, ein Angriffspunkt sein.

Die meisten institutionellen Investoren begrüssen die Zunahme aktivisti­scher Aktionäre, wie sie in Europa und auch in der Schweiz in den letzten Jahren zu verzeichnen ist. Auch wenn sie mit den jeweils spezifischen Forderungen nicht unbedingt einverstanden sind, unterstützen sie den generell höheren Druck auf die Unternehmen, sich besser und rascher an die sich wandelnden Marktverhältnisse anzupassen und «investorenfreundlich» zu operieren.

Ist das Haus in bester Ordnung…

Der beste Schutz, wenn der Einstieg eines aktivistischen Aktionärs im Raum steht, sind möglichst wenige offene Flanken: je klarer die Unter­nehmensstrategie, je straffer deren Umsetzung, je disziplinierter der Kapital­ und Mitteleinsatz, desto besser. Auch eine enge Beziehungs­pflege mit den institutionellen Investoren hilft.

Der zweitbeste Schutz ist ein gutes IR­- und Kommunikationsprogramm. Es startet mit einer fundierten Analyse. Welche Stärken und Schwächen hat das Unternehmen aus Investorensicht? Welche potenziellen Argumente eines Aktivisten ergeben grundsätzlich Sinn und müssten in der Strategie oder Organisation stärker berücksichtigt werden? Wie kann das konkret geschehen? Welche Argumente wären zu kontern, mit welchen Fakten könnten die Gegenargumente unterlegt werden? Neben strategischen müssen auch organisatorische Fragen beantwortet sein. Wie würden sich Verwaltungsrat und Geschäftsleitung beim Auftauchen eines Aktivisten organisieren, wer würde mit ihm sprechen? Welche Berater wären bei­ zuziehen?

Enge Führung der Kommunikation

Die spezifischen IR-­Massnahmen gleichen denjenigen zur Abwehr eines unfreundlichen Übernahmeangebots: Überprüfung der IR­-Strategie und Kapitalmarktstory, meist gefolgt von einer Intensivierung des IR­-Pro­gramms und der Beziehungspflege mit den Analysten und Investoren. Nützlich ist eine gute Kenntnis, wie die wichtigsten Investoren das Unter­nehmen beurteilen, wo sie in der Strategie Schwachpunkte orten, was sie zur Dividendenpolitik oder zur Kapitalallokation meinen. Überdies ist besonders genau auf die Einhaltung aller rechtlichen (Kommunikations­-) Pflichten zu achten, um keine zusätzlichen Angriffsflächen zu bieten.

Macht sich ein Aktivist bemerkbar, ist dessen Leistungsausweis sowie sein Verhalten gegenüber seinen früheren Zielobjekten zu prüfen. Auf der Basis ist zu entscheiden, ob der direkte Kontakt gesucht und wie die­ser gestaltet werden soll. Ein solcher direkter Kontakt ist, wie er bei jedem grösseren Aktionär erfolgt, meistens, aber nicht immer zielführend. Ge­nau umgekehrt ist es mit den Medien: Es ist meistens nicht sinnvoll, den Konflikt mit einem Aktivisten zunächst über die Medien zu eskalieren.


1.3.5 Kommunikation in Krisen

Schwere Unternehmenskrisen erfassen auch die IR. Finanzielle Prob­leme, abrupte Führungswechsel, Datenverlust, Produkterückrufe, Un­glücksfälle – Krisen können viele Ursachen haben, weshalb es kein Stan­dardrezept gibt, wie die konkrete IR-­Strategie im Einzelfall auszusehen hat.

Eigen ist den meisten Unternehmenskrisen allerdings, dass sich die unterschiedlichen Informationsbedürfnisse der einzelnen Ziel­gruppen akzentuieren. Kunden, Mitarbeitende und Investoren müssen noch mehr als im Tagesgeschäft mit zielgruppenspezifi­schen Informationen bedient werden, bei gleichzeitiger Konsistenz der Kernbotschaften. Der Grundsatz gilt auch innerhalb der IR, indem sich im Krisenfall der Blick von Aktionären, Obligationären und kreditgebenden Banken auf verschiedene Finanzkenn­zahlen und strategische Aspekte richtet.

Investor Relations sind im Tagesgeschäft eine ernst zu nehmende, wenn auch wenig spektakuläre Angelegenheit.

Die üblichen Massnahmen sowie die kommunikativen Pflichten sind in den Kapiteln ➔ 6 und ➔ 8 beschrieben. Aufgrund ausserordentlicher Unternehmenssituationen können IR­-Themen plötzlich strategische Relevanz erlangen und zuoberst auf der Prioritätenliste von Verwaltungs­rat und Geschäftsleitung aufscheinen. Eine Auswahl solcher Situationen wird nachfolgend beschrieben.


1.3.1 Börsengang/Spin-off

Für die allermeisten Unternehmen bildet der Börsengang den Auslöser und Ausgangspunkt für die Etablierung oder Professionalisierung der Investor Relations. Aus Sicht der institutionellen Anleger, welche bei einem Initial Public Offering (IPO) fast immer die wichtigste Zielgruppe bilden, ist ein Börsengang ein klar definierter Prozess, bei dem es darum geht, ein Unternehmen zu bewerten, einen Investitionsent­scheid zu fällen, im Zusammenspiel mit der Emissionsbank Angebot und Nachfrage auszuloten und für ein Aktienpaket einen angemesse­nen Preis zu definieren. Unternehmen und Medien können aus unter­ schiedlichen Beweggründen ein Interesse haben, diesen rationalen Prozess emporzustilisieren und Emotionen zu schüren. Dies geschieht über die mediale Positionierung des Unternehmens und seiner Expo­nenten. Die Aufgaben und Prozesse beim Börsengang, auch jene aus Kommunikationssicht, sind im IPO Guide von SIX umfassend darge­ stellt, siehe ➔ www.six-group.com/de/products-services/the-swiss- stock-exchange/listing/equities/ipo.html

IPO als Basis der IR

Darum hier nur ganz kurz: Ein Börsengang bereitet das Fundament für jegliche IR-­Tätigkeit. Im IPO wird der Grundstein gelegt, sowohl inhaltlich, konkret im Prospekt und in der Roadshow-Präsentation (dazu mehr im ➔ Kapitel 2), als auch hinsichtlich der Investoren­ und Aktionariatsstruktur (➔ Kapitel 4). Zudem wird im ersten Jahr nach dem Börsengang mit den kontinuierlichen IR festgelegt, wie transparent und wie häufig eine Gesellschaft über die Strategie, das Erreichte und das Beabsichtigte (siehe dazu Kapitel ➔ 2 und ➔ 3) kom­muniziert. Empfehlenswert ist, dies auf Basis eines Konzepts statt aus dem Augenblick heraus (ad-­hoc) zu tun.


1.3.2 Fusionen und Übernahmen

Fusionen und Übernahmen, kurz M&A, sind bei vielen Unternehmen fester Bestandteil der Strategie. Darunter fallen Vorgänge im Zusam­menhang mit Eigentumsrechten an Unternehmen einschliesslich der Umstrukturierung von Konzernen, der Verschmelzung, der Finanzie­rung des Unternehmenserwerbs, der Gründung von Gemeinschafts­unternehmen sowie der Übernahme von Unternehmen.

So unterschiedlich die Prämissen, so unterschiedlich Ziele und Relevanz der Kommunikation. Am häufigsten sind Transaktionen, bei welchen sich die beiden Parteien diskret einigen und gemeinsam über den Zusammen­schluss oder die Übernahme orientieren. Zusätzlich zur Vorbereitung auf ein Informationsleck, einer schlüssigen Begründung des Zusam­menschlusses und der Finanzierung sowie einer technisch tadellosen Ankündigung und Abwicklung der Transaktion besteht die Aufgabe der IR vor allem darin, für allfällige Kritik seitens einzelner Aktionäre gewappnet zu sein. Die Ankündigung der Transaktion bildet dabei den Höhepunkt des Kommunikationskonzepts. Sie wird, was die Kommuni­kation mit den Investoren betrifft, gefolgt von der Abwicklung, wie sie die Übernahmekommission respektive die Ad­-hoc­-Regeln vorschreiben.

Übernahmekommission

In der Schweiz schreibt die Übernahmekommission für M&A­-Trans­aktionen ein detailliertes Regelwerk vor. Es verpflichtet überneh­mende Unternehmen namentlich auf einen genauen Zeitplan, von der Vorankündigung über den Kaufprospekt bis hin zur Information über die Zwischen­ und Endresultate. Die Regeln bestimmen auch den technischen Teil der Kommunikation. Bei grenzüberschreitenden Transaktionen ist überdies eine Abstimmung der Kommunikation mit den rechtlichen Vorschriften beider betroffenen Länder erforderlich. Betreffend Rechtsgrundlagen sei verwiesen auf die Website der Übernahmekommission (➔ takeover.ch) sowie auf die Verordnung der Übernahmekommission über öffentliche Kaufangebote, siehe ➔ admin.ch/opc/de/official-compilation/2013/1119.pdf

Bieterkämpfe

Komplexer sind die IR-­Aufgaben bei umstrittenen Transaktionen. So wichtig auch in solchen Fällen die erste Ankündigung ist – wer sagt was und in welchem Tonfall? –, so nehmen Übernahmeangebote, unfreund­liche Übernahmen und Bieterkämpfe häufig einen ungewissen Verlauf. Hier hängt der Erfolg wesentlich von der Kommunikation im Nachgang zur ersten Ankündigung ab. Die Financial Community will mit guten Argumenten und guter Kommunikation überzeugt werden. Zusätzlich zum oben genannten Basisinstrumentarium gewinnt hier der Nachrich­tendienst, also eine umfassende und aktuelle Analyse der Meinungen von Investoren, Analysten und Journalisten, an Bedeutung, nicht zuletzt deshalb, um Verlautbarungen der Gegenseite rasch zu kennen. Je mehr Zeit für den eigenen Positionsbezug zur Verfügung steht, umso besser. Mit Internet und Social Media hat sich der früher tägliche Newszyklus auf einen Stundenzyklus verkürzt.

Zweifellos erleichtert gute Kommunikation einem akquirierenden Unter­ nehmen ein M&A­-Vorhaben, auch wenn Investoren schliesslich auf Basis harter Zahlen, sprich der Höhe und Form des Kaufpreises, entscheiden. Firmen, die die eigenen Aktionäre gut kennen, erhöhen jedoch die Chan­ce, eine Transaktion zu einem guten Preis zu realisieren. Sie reduzieren die Wahrscheinlichkeit, dass Aktionäre einer oder beider betroffenen Gesellschaften Widerstand leisten.

Unfreundliche Übernahmeangebote

Ebenso hat eine Firma, die mit einem unfreundlichen Übernahme­ angebot konfrontiert ist, mit guter Kommunikation eher Aussicht dar­auf, einen höheren als den ersten gebotenen Preis zu realisieren. Dies ist notabene auch das häufigste Ziel, wenn ein verbindliches Übernahmeangebot auf dem Tisch liegt; die Bewahrung der Un­abhängigkeit ist es selten. Folglich fokussiert bei einer feindlichen Übernahme die Kommunikation der Zielgesellschaft meist auf die Elemente, die eine höhere Bewertung nahelegen. Überdies sind bei umstrittenen Transaktionen rechtliche Auseinandersetzungen – zwischen den Gesellschaften oder zwischen Aktionären und Ge­sellschaften – vom Ausnahme­ zum Regelfall und Teil der Verhand­lungstaktik geworden. Das hat zur Folge, dass alle Formulierungen, sei es in Medienmitteilungen oder Präsentationen, auf die Gold­waage der Juristen gelegt werden müssen.

Erfolgsfaktoren in M&A-Situationen

  • Der erste Eindruck zählt: schlüssige Argumentation und möglichst wenige offene Fragen bei der ersten Ankündigung
  • Nicht nur die harten Fakten zählen, der Kommunikationsstil ist ebenso wichtig
  • Kommunikation auf einzelne Events im M&A­-Prozess zuspitzen, um eine Wirkung zu erzielen
  • Persönliche und direkte Kommunikation des CEO ist am wirkungsvollsten
  • Szenarien planen und dabei auch ESG­-Risiken und ­Chancen berücksichtigen
  • Zielgruppenorientierte Kommunikation: nicht nur die Financial Community, auch die Mitarbeitenden konsistent und wissens­gerecht informieren ebenso wie Geschäftspartner und Kunden
  • Enge Abstimmung mit dem Juristenteam
  • Bei grenzüberschreitenden Transaktionen den jeweils lokalen Kommunikationsstil pflegen
  • Frühzeitige Involvierung der Kommunikation, nicht zuletzt wegen steigender Gefahr eines Lecks
  • Genügend Ressourcen bereitstellen, auch für Unvorhergesehenes
  • Im Vorfeld eine Ad-­hoc-­Publikation vorbereiten
1.3.3 Schutz gegen unfreundliche Übernahmen


Nicht immer, aber häufig kommen unfreundliche Übernahmeangebote überraschend. Folglich steht wenig Zeit für die Entscheidungsbildung und die Vorbereitung der nötigen Massnahmen zur Verfügung. Unter­nehmen, die mit einer Unterbewertung konfrontiert sind, sind darum angehalten, entsprechende Vorbereitungen zu treffen; nicht nur juristi­sche, sondern auch kommunikative. Zudem gilt es, die Organisation des allfälligen Abwehrteams klar zu definieren.

Übernahmekämpfe werden meist durch den Kaufpreis respektive die Prämie entschieden. Die beste Abwehrmassnahme ist daher die Kurs­pflege: Der Aktienkurs soll möglichst wenig vom tatsächlichen Wert des Unternehmens abweichen. Letzterer basiert vor allem aus den zukünftig zu erwartenden Gewinnen und Cashflows. Im Fall einer vermuteten Unterbewertung ist also eine generelle Überprüfung der IR­-Strategie und der Kapitalmarktstory angezeigt. Meist mündet sie in eine Intensi­vierung des IR-Programms und eine genaue Beobachtung von Verände­rungen im Aktionariat.

Spezialistenteam

Ein potenzieller Bieter kann eine Aktienposition aufbauen, den Verwal­tungsrat informell kontaktieren oder die Zielgesellschaft ins Gespräch bringen. In allen Fällen empfiehlt sich der Beizug eines qualifizierten Rechtsberaters, allenfalls auch einer Bank und eines Kommunikations­beraters, einerseits zur Evaluierung der juristischen Optionen, ander­seits zur Frage, aufgrund welcher Kriterien eine öffentliche Kommunika­tion nötig oder empfehlenswert ist.

Es gibt auch Fälle, bei welchen der Verwaltungsrat via Meldung einer Nachrichtenagentur erfahren hat, dass ein Bieter – mit oder ohne Voran­meldung – ein öffentliches Übernahmeangebot publiziert hat. Juristisch ist der Verwaltungsrat nicht verpflichtet, sich sofort öffentlich zu einer Voranmeldung respektive zu einem Übernahmeangebot zu äussern. Dennoch kann es ratsam sein, in Form einer Ad-­hoc­-Mitteilung (siehe ➔ Kapitel 8.6) und begleitenden PR-­ und IR-­Massnahmen rasch öffent­lich Stellung zu nehmen. Viele Unternehmen haben zu dem Zweck ein Abwehrdispositiv vorbereitet, das unter anderem Entwürfe für Medien­mitteilungen und für weitere Kommunikations-­ und IR-­Instrumente enthält.

Bericht des Verwaltungsrates

Der Verwaltungsrat ist verpflichtet, spätestens am 15. Börsentag nach der Veröffentlichung eines Angebots einen Bericht zu veröffentlichen, welcher sauber begründet ausführt, ob der Verwaltungsrat das Angebot annimmt, ablehnt oder sich einer Empfehlung enthält. Die weiteren Fris­ten sind in der nachstehenden Darstellung vermerkt.

Zeitplan Übernahmeangebot
Zeitplan öffentliches Übernahmeangebot, Quelle: Wenger & Vieli
1.3.4 Aktivistische Aktionäre

Ein aktivistischer Aktionär erwirbt einen Anteil an der Gesellschaft mit dem Ziel, Druck auf den Verwaltungsrat auszuüben und mit seiner Inter­ vention den Unternehmenswert zu steigern.

Aktivisten analysieren die Zielgesellschaft vor einer Kontaktaufnahme mit dem Verwaltungsrat oder der Lancierung einer Medienkampagne genau. Die häufigsten Angriffspunkte bilden dabei die unterdurch­schnittliche Aktienkursentwicklung, ineffizienter Kapitaleinsatz (strate­gische Fehler, operative Misstritte) und mangelhafte Corporate Gover­nance oder ausgeprägte Schwächen im Bereich der nachhaltigen Geschäftsführung. Auch eine überhöhte Managementvergütung kann, vor allem in einer Medienkampagne, ein Angriffspunkt sein.

Die meisten institutionellen Investoren begrüssen die Zunahme aktivisti­scher Aktionäre, wie sie in Europa und auch in der Schweiz in den letzten Jahren zu verzeichnen ist. Auch wenn sie mit den jeweils spezifischen Forderungen nicht unbedingt einverstanden sind, unterstützen sie den generell höheren Druck auf die Unternehmen, sich besser und rascher an die sich wandelnden Marktverhältnisse anzupassen und «investorenfreundlich» zu operieren.

Ist das Haus in bester Ordnung…

Der beste Schutz, wenn der Einstieg eines aktivistischen Aktionärs im Raum steht, sind möglichst wenige offene Flanken: je klarer die Unter­nehmensstrategie, je straffer deren Umsetzung, je disziplinierter der Kapital­ und Mitteleinsatz, desto besser. Auch eine enge Beziehungs­pflege mit den institutionellen Investoren hilft.

Der zweitbeste Schutz ist ein gutes IR­- und Kommunikationsprogramm. Es startet mit einer fundierten Analyse. Welche Stärken und Schwächen hat das Unternehmen aus Investorensicht? Welche potenziellen Argumente eines Aktivisten ergeben grundsätzlich Sinn und müssten in der Strategie oder Organisation stärker berücksichtigt werden? Wie kann das konkret geschehen? Welche Argumente wären zu kontern, mit welchen Fakten könnten die Gegenargumente unterlegt werden? Neben strategischen müssen auch organisatorische Fragen beantwortet sein. Wie würden sich Verwaltungsrat und Geschäftsleitung beim Auftauchen eines Aktivisten organisieren, wer würde mit ihm sprechen? Welche Berater wären bei­ zuziehen?

Enge Führung der Kommunikation

Die spezifischen IR-­Massnahmen gleichen denjenigen zur Abwehr eines unfreundlichen Übernahmeangebots: Überprüfung der IR­-Strategie und Kapitalmarktstory, meist gefolgt von einer Intensivierung des IR­-Pro­gramms und der Beziehungspflege mit den Analysten und Investoren. Nützlich ist eine gute Kenntnis, wie die wichtigsten Investoren das Unter­nehmen beurteilen, wo sie in der Strategie Schwachpunkte orten, was sie zur Dividendenpolitik oder zur Kapitalallokation meinen. Überdies ist besonders genau auf die Einhaltung aller rechtlichen (Kommunikations­-) Pflichten zu achten, um keine zusätzlichen Angriffsflächen zu bieten.

Macht sich ein Aktivist bemerkbar, ist dessen Leistungsausweis sowie sein Verhalten gegenüber seinen früheren Zielobjekten zu prüfen. Auf der Basis ist zu entscheiden, ob der direkte Kontakt gesucht und wie die­ser gestaltet werden soll. Ein solcher direkter Kontakt ist, wie er bei jedem grösseren Aktionär erfolgt, meistens, aber nicht immer zielführend. Ge­nau umgekehrt ist es mit den Medien: Es ist meistens nicht sinnvoll, den Konflikt mit einem Aktivisten zunächst über die Medien zu eskalieren.


1.3.5 Kommunikation in Krisen

Schwere Unternehmenskrisen erfassen auch die IR. Finanzielle Prob­leme, abrupte Führungswechsel, Datenverlust, Produkterückrufe, Un­glücksfälle – Krisen können viele Ursachen haben, weshalb es kein Stan­dardrezept gibt, wie die konkrete IR-­Strategie im Einzelfall auszusehen hat.

Eigen ist den meisten Unternehmenskrisen allerdings, dass sich die unterschiedlichen Informationsbedürfnisse der einzelnen Ziel­gruppen akzentuieren. Kunden, Mitarbeitende und Investoren müssen noch mehr als im Tagesgeschäft mit zielgruppenspezifi­schen Informationen bedient werden, bei gleichzeitiger Konsistenz der Kernbotschaften. Der Grundsatz gilt auch innerhalb der IR, indem sich im Krisenfall der Blick von Aktionären, Obligationären und kreditgebenden Banken auf verschiedene Finanzkenn­zahlen und strategische Aspekte richtet.

Crisis, what crisis?

Die Krise (Alt­ und gelehrtes Griechisch κρίσις, krísis – heute κρήση, krísi) ursprünglich «die Meinung», «Beurteilung», «Entscheidung», später mehr im Sinne von «die Zuspitzung» bezeichnet eine problema­tische, mit einem Wendepunkt verknüpfte Entscheidungssituation.

Krisenkommunikation ist dabei der Teil des Krisenmanagements, der der Einflussnahme auf weiche Faktoren dient, um Unternehmenskrisen zu verhindern oder zu bewältigen.

Allen Unterschieden zum Trotz haben sich die folgenden Grundsätze bewährt:

Führung und Organisation der Krisenkommunikation und IR

  • Kleines Gremium (Krisenstab)
  • Direkte Involvierung der Entscheidungsträger (hohe Verfügbarkeit)
  • Unternehmensinterne Klarheit, wer zum Entscheidungsgremium gehört
  • Hohe Kadenz des Informationsaustauschs, rasche Entscheide
  • Macht über signifikante Ressourcen

Kommunikation

  • Fakten klären respektive eruieren und dokumentieren
  • Rasch die bekannten Fakten, auch wenn es wenige sind, vermitteln
  • Hoher Informationsrhythmus, Kommunikationsfenster definieren, in welchen kompakt informiert wird
  • «One­-Voice-­Policy», sprich die Konzentration auf ganz wenige oder nur einen, möglichst hochrangigen Sprecher für die Investor Relations (meist CFO)

Prävention

  • Gute Beziehungspflege zu den wichtigsten Investoren
  • Vertrautheit mit der Sicht der Investoren auf das Unternehmen
  • IR-­Krisenstab und ­Rollen definieren
1.3.6    Strategische Relevanz der Nachhaltigkeit für die IR

Nachhaltigkeit im Kontext der Führung und Kommunikation
Nachhaltigkeit wird zunehmend in die Unternehmensstrategie integriert, getrieben durch regulatorische Anforderungen und staatliche Klimaziele. ESG (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) sollte als zentraler Bestandteil der Unternehmensentwicklung und -kommunikation betrachtet werden. Besonders die Governance spielt eine entscheidende Rolle für den strategischen Geschäftserfolg in Bezug auf ökologische und soziale Faktoren. Aktionärskommunikation sollte aufzeigen, wie nachhaltige Geschäftspraktiken Chancen schaffen und zur Wertschöpfung beitragen. Berichterstattungsmodelle wie TCFD, TNFD und ISSB bieten hilfreiche Ansätze zur Integration von Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie.

Wesentlichkeit und Stakeholder-Engagement im Fokus der Investor Relations
Die Vielzahl an Nachhaltigkeitskennzahlen ist überwältigend. 53% der Schweizer Emittenten und 56% der institutionellen Investoren berichten, dass das Sammeln dieser Daten erhebliche Ressourcen erfordert. Gleichzeitig haben 69% der institutionellen Aktionäre kein gutes Verständnis der relevanten ESG-Faktoren. Hier kommt Investor Relations ins Spiel, um wesentliche Themen und Daten verständlich zu machen. Die SASB-Wesentlichkeitsmatrix kann als Ausgangspunkt dienen, um Massnahmen und Kapitalzuteilungen zu erläutern. ESG-Daten entwickeln sich aber ständig weiter und stehen oft im Widerspruch zu finanziellen Zielen. Daher muss die Kommunikation durch das Management und IR Klarheit bieten und Stakeholder regelmässig informieren. Belege aus einer Umfrage von SWIPRA Services (2022) zeigen, dass ESG-Engagements institutionellen Aktionären helfen, wesentliche Faktoren und deren strategische Integration zu verstehen.

Transparente IR-Kommunikation schafft Verständnis für Nachhaltigkeitsinvestitionen
Nachhaltigkeitsinvestitionen konkurrieren mit kurzfristigen Renditen. Ein klares Verständnis und Vertrauen in die Unternehmensführung führen dazu, dass Investoren eher bereit sind, zugunsten langfristiger Nachhaltigkeitsziele auf kurzfristige Gewinne zu verzichten. Weniger als 10% der Vermögensverwalter und 30% der Vermögensbesitzer halten eine Reduzierung des kurzfristigen Gewinns aufgrund von Nachhaltigkeitsinvestitionen für inakzeptabel. Für 66% derjenigen, die bereit sind, auf kurzfristige Renditen zu verzichten, hängt die Reduktion von der Transparenz des Unternehmens ab. Gleichzeitig versteht nur etwa ein Drittel der institutionellen Investoren die Nachhaltigkeitsüberlegungen hinter den Kapitalallokationen der Unternehmen. Transformationsprozesse sollten daher mit erhöhter Transparenz und verbesserter Reputation der Führung einhergehen. Quantitative Belege für den Wertbeitrag von ESG sind uneinheitlich, aber es besteht Konsens über die höhere Profitabilität nachhaltiger Produkte. Nachhaltigkeitsbemühungen verbessern auch den Zugang zum Kapitalmarkt. Transparenz über ESG-Bemühungen und deren strategische Ziele kann sich positiv auf Finanzierung und Einnahmen auswirken. IR spielt eine wichtige Rolle bei der Vermittlung dieser Botschaften.

Schlussbemerkungen

ESG-Bemühungen müssen in die Unternehmenskommunikation eingebettet werden. Dies erfordert eine zukunftsgerichtete, langfristige strategische Diskussion, die über die kurzfristige Kapitalmarktkommunikation hinausgeht. ESG-Themen betreffen eine breite Gruppe von Stakeholdern und erfordern eine konsistente Botschaft über alle Kommunikationskanäle hinweg. IR übernimmt eine Schlüsselrolle bei der Förderung des Dialogs und unterstützt den Verwaltungsrat sowie das Führungsteam.

Autoren: 
Barbara A. Heller, Managing Partner, SWIPRA Services 
Dr. Christoph Wenk Bernasconi, Senior Partner, SWIPRA Services

1.4 IR-Strategie

1.4.1 Unternehmensstrategie

Zunächst leitet sich die IR-­Strategie ab aus der Unternehmensstrategie. Wichtige Elemente sind dabei:

Wachstumsstrategie

  • Wachstumsambitionen
  • Finanzierung des Wachstums, über den Mittelzufluss aus operativer Tätigkeit hinaus
  • Wahrscheinlichkeit von Kapitalerhöhungen oder M&A­-Transak­tionen mit eigenen Aktien als Kaufpreiselement
  • Geografische Expansion – kann Einfluss auf zukünftige Investoren­basis haben

Investorengerechtes Finanzmanagement

  • Titelpolitik (Namen­ vs. Inhaberaktie; verschiedene Aktienkategorien)
  • Emissionspolitik
  • Dividendenpolitik
  • Börsenpolitik 

Corporate Governance

  • Unabhängigkeit des Verwaltungsrates
  • Führungs­ und Unternehmenskultur
  • Konzept für Managementvergütung

Kommunikationsstrategie

  • Relevanz des (IR-­)Brandings für den Unternehmenserfolg
  • Transparenzgrad

In der IR-­Strategie wird definiert, welche IR­-Ziele über das Erfüllen der gesetzlichen Vorgaben hinaus angestrebt werden sollen und wie dies geschehen soll. Ausgangspunkt dafür ist eine saubere Analyse, siehe nachstehende Darstellung.

Analysethemen der Investor Relations

Aktienmarktanalyse

  • Tägliche Kurs­ und Börsenumsatzentwicklung der eigenen Titel
  • IR-­Aktivitäten vergleichbarer Gesellschaften
  • Entwicklung der Aktien­ und sonstigen Kapitalmärkte (u. a. Dividendenrendite, PER, PCFR und PBR in der Branche)
  • Konjunkturelles, politisch­-rechtliches und gesellschaftliches Umfeld
  • Anlagepotenzial der unterschiedlichen Finanzplätze und Investorentypen

Investorenanalyse

  • Breite und Identität der Aktionärsbasis (Gesamtzahl, Name, Anschrift, Engagement, Anlagevolumen der Aktionäre)
  • Struktur der Aktionärsbasis nach Investorentypen (individuelle/institutionelle Investoren), Grössenklassen, Heimatsitz (Region, Ausland), ESG­-Strategien etc.
  • Engagementdauer der Investoren; Engagementänderungen bei Investoren
  • Tägliche Identifikation von Käufern und Verkäufern grösserer Volumina sowie Ermittlung der Motive für den Anlageentscheid
  • Identifikation potenzieller institutioneller Investoren, die sich in Aktien der gleichen Branche und/oder des Heimatlandes engagieren
  • Anlageverhalten, Anlagetreue, Anlageziele, Risikoeinstellung, Aktionärs­aktivismus gegenwärtiger und potenzieller Investoren (­-gruppen)
  • Informationsbedürfnisse, Interessen und Erwartungen der individuellen und institutionellen Investoren hinsichtlich der IR­-Arbeit der Gesellschaft

Multiplikatorenanalyse

  • Identifikation der massgeblichen Multiplikatoren, die das Unternehmen regelmässig mit Gesellschaftsstudien und Presseberichten verfolgen
  • Informationsanforderungen, Interessen und Erwartungen der Multiplikatoren hinsichtlich der IR­-Arbeit der Gesellschaft

Unternehmensanalyse

  • Chancen/Risiken­- und Stärken/Schwächen­-Profil des Unternehmens unter expliziter Berücksichtigung der eingeschlagenen und geplanten Strategien
  • Finanzielle und strategische (zukunftsbezogene) Unternehmensbewertung (DCF­-Methode); Einschätzung der Angemessenheit der Börsenbewertung

Analysenraster, Quelle: Drill1

Grundsätze der Kommunikationspolitik

Grundsatz der Zielgruppenorientierung

  • Zielgruppengerechter Einsatz der Kommunikationsinstrumente
  • Genaues Zuschneiden der Kommunikationsinhalte auf die Informations­bedürfnisse der einzelnen Zielgruppen

Grundsatz der Gleichbehandlung

  • Sinngemäss gleiche Auskünfte auf gleiche Fragen sowie zeitgleiche Unterrichtung der Zielgruppen mit neuen, kursrelevanten Informationen (Insiderproblematik)
  • Keine bewusste Bevorzugung oder Diskriminierung bestimmter Zielgruppen oder einzelner Mitglieder der Financial Community

Grundsatz der Wesentlichkeit

  • Klares, verständliches und kompaktes Vortragen wesentlicher neuer Informationen
  • Kein Vortragen für die jeweilige Zielgruppe unwesentlicher Details

Grundsatz der Kontinuität

  • Regelmässige Kommunikation mit der Financial Community
  • Gleichbleibende, jederzeit verfügbare Kommunikatoren im Unternehmen

Grundsatz der zeitlichen Nicht-Kommunikation

  • Verzicht auf IR-­Aktivitäten während einer «quiet period»
  • Zurückhalten noch nicht öffentlich bekannter, kritischer Informationen bis zum vorgesehenen Veröffentlichungstermin (z. B. geplante M&A­-Transaktion)

Grundsatz der «Corporate Communications»

  • Inhaltliche Abstimmung der Finanz­ mit der übrigen Unternehmenskommunikation zur Sicherstellung einer kohärenten Gesamt-­Unternehmenskommunikation
  • Äusserliche Übereinstimmung der Finanz­- mit der übrigen Unternehmenskommu­nikation zur Sicherstellung eines einheitlichen Erscheinungsbilds

IR-Grundsätze, Quelle: Drill1

Was den Grundsatz der zeitlichen Nicht-­Kommunikation betrifft, sei auf die regulatorischen Vorgaben und insbesondere die Ad-hoc-Kommunikation verwiesen (siehe ➔ Kapitel 8.6).

1

Drill, Michael: Investor Relations. Funktion, Instrumentarium und Management der Beziehungspflege zwischen schweizerischen Publi­kums­-Aktiengesellschaften und ihren Investoren, Haupt, Bern, 1995

1.5 IR-Planung

Bei der IR­-Planung werden die strategischen Themen der Investor Relations operationalisiert und auf eine Zeitachse gelegt.

Wann werden welche Zielgruppen mit welchen Instrumenten, Themen und Botschaften angesprochen? Zudem wird die Ressourcenallokation (IR-­Finanzmittel, IR-­Personal) definiert. Nicht nur die Geschäftsleitung, auch der Verwaltungsrat muss den IR-Jahresplan kennen. Die nachste­hende Tabelle stellt eine solche Jahresplanung vereinfacht dar. Die ein­zelnen IR-­Massnahmen sind im ➔Kapitel 6 beschrieben.

Was ist eine Quiet period und wofür braucht es sie?

Viele kotierte Unternehmen verfügen für das Management und die Mitarbeitenden, die in die Jahres­ und Zwischenabschlüsse involviert sind, eine Handelssperrzeit, auch Quiet period genannt. Es ist eine angemessene Zeitspanne, meist zwischen vier bis acht Wochen vor der Ver­öffentlichung von Quartals­ bzw. Jahresergeb­nissen, während der es verboten ist, Aktien des Unternehmens zu kaufen oder zu verkaufen.

Parallel dazu schränken viele Unternehmen die IR in derselben Zeitspanne ein, etwa indem keine Einzelgespräche mit Investoren aufgesetzt oder keine Termine an Investorenkonferenzen wahr­ genommen werden, um eine Gleichbehandlung
aller Aktionäre sicherzustellen und keinerlei Informationen zum anste­henden Ergebnis durchsickern zu lassen. Vereinzelt publizieren Emit­tenten diese Quiet period auch auf der Website. Die Zeitspanne der
«Quiet Period» muss im Corporate-­Governance­-Bericht ersichtlich sein.

Muster einer IR-Planung für Small & Mid Cap

Jahresziele

  • Kapitalmarktstory schärfen: Wachstum/Investitionsschwer­punkt für nächste 3–5 Jahre bei Sparte A; Sparte C auf dem Prüfstand
  • Daraus abgeleitet, und ganz generell, bessere Übereinstimmung der Markterwartungen mit den eigenen Finanzprojektionen
  • Investorenbasis (zusätzlich zu Schweiz, Grossbritannien und USA) in Deutschland und Skandinavien verbreitern
  • Kenntnisstand über Wahrnehmung der Gesellschaft bei institutionellen Investoren verbessern
IR-Jahresplan

1.6 Tipps

  1. Es ist wie beim Sport: Je besser die Grundkondition, je vertrauter die Bewegungsabläufe, desto bessere Leistungen können im Ernstfall abgerufen werden. Sprich, eine gute und gut eingespielte IR­-Funktion erhöht sowohl im «Business as usual» und speziell in Sondersituationen die Wahrscheinlichkeit, dass die jeweiligen Unternehmens- und Kommunikationsziele erreicht werden können.
  2. IR­-Strategie, Kapitalmarktstory und Financial Guidance sollen regelmässig überprüft werden.
  3. Es lohnt, sich alle 12–18 Monate in strukturierter Form ein Bild davon zu verschaffen, wie das Unternehmen von Investoren beurteilt wird. Passt dieses Bild auf die aktuelle Strategie? Müssen neue Investorengruppen angesprochen werden? 
  4. Die wichtigsten Jahresziele und Meilensteine sind intern trans­parent zu machen. Nicht nur die Geschäftsleitung, auch der Ver­waltungsrat muss den IR­-Jahres­plan kennen.
  5. Wer ist im Krisenfall Teil des Kernteams? Für kleinere Unternehmen empfiehlt sich der Beizug spezialisierter Anwälte und Berater, und sei es auch nur auf «Stand­by­-Basis».

2 Inhalte der Investor Relations

Das Wichtigste in Kürze

Der Wert eines Unternehmens wird in der mittleren und langen Frist definiert von  

  • der Entwicklung des jeweiligen Absatzmarktes,  
  • der Unternehmensstrategie,  
  • der betriebswirtschaftlichen Leistung im Allgemeinen,  
  • dem Umsatz- und Gewinnwachstum respektive der Kapitalverzinsung im Spezifischen,  
  • der Qualität und Kommunikationsstärke des Managements.

Investoren wollen wissen, wo das Unternehmen genau steht, und ebenso genau, wohin es will. Das Unternehmen hat dafür die richtigen Informationen zur Verfügung zu stellen.

Die Kapitalmarktstory ist das Herzstück der Investor Relations. Sie dreht sich im Kern darum, wie das Unternehmen in der Zukunft Umsatz und Gewinn steigern respektive die Dividende verdienen wird.

Was die Qualität der Unternehmenskommunikation und der Investor Relations betrifft, ist nicht nur die Substanz entscheidend, sondern auch die Art und Weise, wann und wie die Informationen präsentiert werden.

Die Nachhaltigkeitsberichterstattung muss zur Unternehmensstrategie passen und in diese eingebunden sein. Auch hier geht es darum, die wesentlichen Themen zu erfassen und ausgewogen zu berichten. Insbesondere die als verbesserungswürdig identifizierten Themen­bereiche und die dazu angestossenen Prozesse sind relevant. ­«Greenwashing» oder das Auftreten als Wohltäter über externe ­Projekte ohne direkten Bezug zum Kerngeschäft sind zu vermeiden.

Die Emittenten können mittels eines Opting In erklären, einen Nachhaltigkeitsbericht gemäss einem international anerkannten Standard, wie etwa der Global Reporting Initiative (GRI), zu erstellen. Per Geschäftsjahr 2023 wurde ein Basis-Bericht zur Nachhaltigkeit gesetzliche Pflicht (Nichtfinanzielle Berichterstattung).

2.1 Themen und Kapitalmarktstory

Auf welche Inhalte hat sich die Investor Relations zu fokussieren? Die Frage kann auf verschiedene Arten beantwortet werden.

Eine erste: Die Inhalte der Investor Relations entsprechen den Kriterien, die den Wert eines kotierten Unternehmens bestimmen. Dazu gehören:

  • subjektive Faktoren wie Psychologie der Börse, globale Erwartungen und persönliche Titelpräferenzen
  • objektive, unternehmensspezifische Faktoren wie Strategie, Managementqualität, Marktstellung, Produkte und Finanzierung
  • objektive, branchen-­ oder marktspezifische Faktoren wie Zins­niveau, Konjunktur, Regulierung, politisch­-gesellschaftliches Geschehen
  • Beherrschungsverhältnisse wie Titelstruktur oder «Übernahme­phantasien»
  • Marktgängigkeit der Titel wie Liquidität und potenzieller Investorenkreis

The sum of these factors determines the enterprise value. Although they cannot be broken down individually in the sense of a direct cause- and-effect relationship, empirical studies nevertheless suggest that, from this wide variety of factors that determine value, the following four are crucial over the long term:

  • die bestimmenden Treiber im Absatzmarkt
  • die Unternehmensstrategie
  • die betriebswirtschaftliche Leistung im Allgemeinen sowie das Umsatz­ und Gewinnwachstum respektive die Kapitalverzinsung im Spezifischen – als Beleg dafür, ob und wie die Strategie auf­ geht respektive wie effektiv und effizient diese umgesetzt wird
  • die Qualität und Kommunikationsstärke des Managements
Wie gross der Einfluss von Chefs auf ihre Firma ist

(Gekürzte Fassung eines NZZ­-Artikels vom Januar 2018)

Diverse Studien haben versucht, den Einfluss der Nummer 1 in grossen Firmen zu messen. Die bestbezahlten Spitzenmanager bei börsen­kotierten Firmen in der Schweiz erhalten über 10 Mio. Franken pro Jahr; die Durchschnittsvergütung der Nummer 1 in den 50 bis 70 grössten kotierten Schweizer Unternehmen liegt bei 3 bis 4 Mio. Franken. Die Medien tragen mit ihrem Personalisierungsdrang zur Wahrnehmung bei, dass Spitzenmanager einen enormen Einfluss auf die Geschicke ihrer Unternehmen haben.

Doch ist dieser Einfluss wirklich so gross? In der Wissenschaft gibt es im Prinzip zwei Denkschulen. Die eine betont, dass Spitzenmanager via Firmenstrategie, Auswahl des engeren Führungspersonals und Ver­mittlung eines Images gegen innen und aussen grossen Einfluss auf die Firmengeschicke hätten. Die andere Denkschule verweist dagegen auf die massiven Einschränkungen im Einfluss des einzelnen Spitzen­ managers in grossen Unternehmen. In dieser Lesart sind Faktoren wie allgemeine Wirtschaftslage, Branche, Qualität der Belegschaft, Firmenkultur, Konkurrenten und Zufall zentrale Treiber und durch eine Einzelperson kürzerfristig nicht oder nur beschränkt beeinflussbar.

Die «Wahrheit», so mag man reflexartig mutmassen, liegt wohl typi­scherweise irgendwo dazwischen. In der Forschungsliteratur, die stark durch amerikanische Studien geprägt ist, findet man immer wieder Versuche, den Einfluss von Spitzenmanagern zu messen. Die übliche Studienanlage beruht auf einem statistischen Verfahren, das mit Daten über Hunderte von Firmen und einige Jahrzehnte eine Schätzung über die Bestimmungsfaktoren des Unternehmenserfolgs macht (meist gemessen an der Rentabilität) und dabei durch Vergleiche von Perioden mit verschiedenen Firmenchefs auch herauszufiltern versucht, wie gross der messbare Einfluss des Faktors «Chef »ist.

10 bis 20 Prozent Einfluss

Die Durchsicht von einem halben Dutzend Literaturübersichten und Einzelstudien aus den letzten zwanzig Jahren zeigt eine grosse Band­ breite der Schätzungen – von statistisch kaum nachweisbarer Wirkung der Nummer 1 bis zu sehr grosser Wirkung. Filtert man die Extreme heraus, bleibt als Tendenzaussage, dass der Faktor «Chef» gemäss typischen Schätzungen im Mittel vielleicht etwa 10 bis 20 Prozent der Schwankungen des Unternehmenserfolgs (nach oben wie nach unten) erklären mag. Das wäre nicht die Welt; vom Management nicht beeinflussbare Faktoren dürf­ten deutlich wichtiger sein. Doch der geschätzte Chef­Effekt ist nicht unerheblich: In der Grössen­ordnung wäre der Effekt laut typischen Schätzungen etwa vergleichbar mit dem Einfluss des Faktors «Branche». Die Zahlen sind angesichts der Unsicherheiten in den Schätz­ methoden nicht auf die Goldwaage zu legen, sondern nur als mögliche Grössenordnung zum aktuellen Stand des Halbwissens zu sehen.

Bei Grosskonzernen mit Jahresgewinnen in Milliardenhöhe gehen Schwankungen um wenige Prozent schon in zweistellige Millionen­beträge. Bei solchen Grössenordnungen mag es zunächst aus Sicht von Verwaltungsräten und Aktionären relativ wenig ins Gewicht fallen, ob der Konzernchef 2 Millionen oder 10 Millionen Franken erhält. Zu fragen haben sich die Entscheidungsträger aber auch, welche Signale man mit den Vergütungspaketen für Spitzenmanager an die eigene Beleg­schaft, die Kundschaft und übrige Anspruchsgruppen sendet.

Was Investoren wollen

Eine zweite Art zur Bestimmung der Inhalte ist sozusagen bedürfnisge­trieben. Welche Inhalte fragen Investoren nach?

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass es viele verschiedene Investoren­ typen gibt. Private Investoren investieren typischerweise nach anderen Kriterien als institutionelle. Und letztere investieren wiederum nach un­ terschiedlichen Konzepten, etwa nach dem Value­ oder Growth­-Ansatz (dazu mehr im ➔ Kapitel 4).

Die Gemeinsamkeiten sind allerdings grösser als die Unterschiede, wenn man die Frage betrachtet, für welche Informationen sich die Investoren interessieren. Alle Investoren verlangen zunächst nach Datenreihen und historischen Informationen, welche sie auf bestätigende Signale sowie Wiedersprüche untersuchen. Denn allen Investorentypen liegt ein Ursa­che­Wirkungsdenken zu Grunde. Festzuhalten ist dabei:

  • Je weniger Datenreihen, desto mehr Fragen.
  • Je besser Investoren die langfristigen Treiber des Erfolgs einer Firma kennen, desto besser finden sie sich damit ab, dass Details nicht veröffentlicht werden.
  • Nicht die «News» bewegen den Aktienkurs, sondern die Reaktio­nen der Investoren.

Die unternehmensspezifischen Informationen, die Investoren für eine Bewertung typischerweise benötigen, sind in der nachstehenden Grafik dargestellt.

 
Wonach aktive institutionelle Investoren suchen
Qualität
Verantwortung gegenüber Stakeholdern
Bewertung anhand von
 
  •  Wettbewerbsvorteil 
  • Solide Bilanz 
  • Innovation/Pipeline 
  • Konsistente Strategie­umsetzung 
  • Management Track Record
  • Angemessene, ambitiöse Ziele 
  • Hohe Governance-Standards  
  • Angemessene Steuern und Dividenden 
  • Reduktion des Ressourcen­verbrauchs 
  • Sozialverantwortung 
  • Antizipation künftiger Regulierung
  • Klassischen Value-Kennzahlen (P/E, P/B, Dividendenrendite etc.) 
  • DCF und anderen nicht-statischen Bewertungsmodellen

Relevante Aspekte für eine Investition, Quelle: Schroders

Blick auf den Markt

Eine dritte Art: Die IR-Themen mit Blick auf Markttrends und Wettbewerber eruieren und definieren. Welche IR-Inhalte kommunizieren die anderen Unternehmen in der jeweiligen Branche? Wo steht das eigene Unternehmen vergleichsweise besser da, wo hat es aus Investorensicht Alleinstellungsmerkmale?

Die Kommunikation mit Investoren, und dabei besonders die ­IR-Präsentation, welche die Kapitalmarktstory zusammenfasst (mehr dazu im ➔ Kapitel 6.4), sollte die oben genannten Punkte gebührend gewichten. Neben einer umfassenden Darstellung der relevanten Themen in der IR-Präsentation ist es hilfreich, diese auf der Website oder in anderen IR-Dokumenten in kurzer und knapper Form darzustellen. Die wichtigsten Elemente sind in der nachfolgenden Grafik aufgeführt.

 

Die Kapitalmarktstory – Herzstück der Investor Relations
Wie erwirtschaftet das Unternehmen Geld?
In welchen Märkten bewegt sich das Unternehmen?
Wo steht das Unternehmen im Wettbewerb?
Wo soll das Unternehmen in 5 Jahren stehen?
Das Geschäftsmodell des UnternehmensDie MarktperspektivenDer Peervergleich und Allein­stellungsmerkmale (USP)Die Vision
Strategische
Unternehmensziele
 
Wie funktioniert das
Geschäftsmodell im Detail?
 
Chancen und Risiken
in Zahlen
 
 
Geschäftsziele, Ertragsziele, Finanzziele, Nachhaltigkeit/ ESG­KriterienDie Erfolgs­ und Risikofakto­ren der WertschöpfungsketteDie Kennzahlen des Unter­nehmens: historische Ent­wicklung, aktuelle Geschäfts­ zahlen und Prognosen 

Quelle: Prof. Dr. Olaf Streuer1

 

1

Streuer, Olaf: IR Basics – Grundlagen der Investor Relations, Präsentation an DIRK-­Konferenz, Frankfurt a.M., 2016 ➔ dirk.org/wp-content/ uploads/2020/11/170612_IR-Basics_Streuer_Grundlagen_IR.pdf

2.2 Kommunikation der Unternehmensstrategie

In den kontinuierlichen Investor Relations ist eine Anpassung der Unternehmensstrategie häufig Anlass, um die IR­-Strategie zu überdenken und die Kapitalmarktstory grundsätzlich anzupassen.

Folgende Elemente sind dabei typischerweise wichtig:

Thema
Input
Strategie
  • Eine gute Strategie ist gut ins Marktumfeld eingebettet: Welche strukturellen und aktuellen Markttrends sind entscheidend? Verlässliche Marktzahlen und ­prognosen bereiten der Strategie das nötige Fundament.
  • Wie steht es mit Markteintrittsbarrieren?
  • Was macht das Unternehmen anders als die Wettbewerber, wie kann es diese USP weiterentwickeln?
  • Eine gute Strategie ist einfach verständlich und kann in einem Satz zusammengefasst werden.
  • Welche Priorität geniesst das Thema Nachhaltigkeit, welche KPIs sind dafür definiert?
Segmente
  • Viele Unternehmen betreiben mehrere Geschäftssegmente, deren Unterschiede, was die IR-­Themen betrifft, grösser sind als die Gemeinsamkeiten.
  • Meistens ist es in dem Fall erfolgversprechender, die Strategie der einzelnen Segmente detailliert
    zu präsentieren, als eine notwendigerweise abstraktere übergreifende Unternehmensstrategie darzustellen.
Quantitative
Informationen
  • Erfordert eine Neugewichtung der Segmente eine Änderung der Spartenberichterstattung?
  • Wenn ja, sind für die neuen Sparten retrospektive Pro-­forma­-Zahlen hilfreich?
  • Welche ESG­-Zahlenreihen werden bereitgestellt und konsistent kommentiert?
Qualitative Informationen
  • Wie können Investoren die Umsetzung der Strategie nachvollziehen, über die Finanzergebnisse hinaus?
  • Operative Meilensteine für die nächsten 1–2 Jahre sind dafür ein probates Mittel.
  • Gewinnt eine Sparte gegenüber anderen eine deutlich höhere Bedeutung, können spezifische KPI (Key Performance Indicators) neu definiert und kommuniziert werden, allenfalls auch als Teil der Guidance.
Guidance
  • Stimmen Fristigkeit und Kennziffern der bisherigen Guidance auf die angepasste Strategie?
Form
  • Schlüsseldokument zur Darstellung der Strategie ist die IR-­Präsentation.
  • Für die übrige Kommunikation sollten die Strategie und die Wertschaffung für die Investoren in einem Satz zusammengefasst werden.

2.3 Zahlen und Transparenz

Die ausgewiesenen, geprüften Finanzzahlen bilden die Basis jeder Unternehmensbewertung.

Investoren und Finanzanalysten verwenden viel Zeit darauf, die Bilanz, Erfolgsrechnung, den Eigenkapitalnachweis und die Mittelflussrech­ nung und die ihnen zugrunde liegenden Trends zu analysieren und zu extrapolieren.

Das ist einfacher gesagt als getan, denn verschiedene Faktoren erschwe­ ren es Investoren, die Finanzzahlen und vor allem die Erfolgsrechnung zu lesen. Drei seien stellvertretend für viele erwähnt:

  • Die Erfolgsrechnung bildet erstens sowohl kontinuierliche als auch Einmaleffekte ab, etwa Umsätze ebenso wie den Verkauf von Vermögenswerten.
  • Als Kosten werden zweitens sowohl effektive Kosten wie Ausgaben für das Personal oder die Miete ausgewiesen als auch Ausgaben, die Investitionscharakter haben, etwa für die Forschung oder die Entwicklung einer neuen Software.
  • Drittens basieren verschiedene Positionen in der Erfolgsrechnung, zum Beispiel Ausgaben für Aktienoptionen oder Abschreibungen auf immateriellen Vermögenswerten, auf Schätzungen.
Adjustierte Zahlen

Im Zuge dieser und anderer Unschärfen sind viele Unternehmen dazu übergegangen, zusätzlich zu den geprüften Ergebnissen auch adjus­tierte Zahlen zu veröffentlichen; diese werden häufig auch Alternative Leistungskennzahlen, Pro­-forma-­Zahlen oder Non­GAAP Measures genannt. Daran ist prinzipiell nichts auszusetzen, sofern die einzelnen Positionen und Effekte im Zeitverlauf konsistent entweder als ordentlich oder ausserordentlich ausgewiesen werden. Und, dass nicht nur Kosten als Einmaleffekte dargestellt werden, sondern auch einmalige Gewinne.

Problematisch an adjustierten Zahlen ist, dass sie anfällig sind für unzulässige Verschönerungen. Das gilt namentlich dann, wenn die variable Vergütung des Managements auf Pro­-forma­-Zahlen und nicht auf dem gemäss Buchhaltungsvorschriften ausgewiesenen Gewinn beruht. Unter anderem aus diesem Grund achtet die Börsenaufsicht sehr darauf, dass in den Kommunikationsinstrumenten die alternati­ ven Kennzahlen sofort als solche erkennbar sind und eine Herleitung der angepassten Zahlen dargestellt wird.

EBE – zum Schmunzeln

Als Extrembeispiel für eine adjustierte Zahl schlagen Zyniker den EBE vor: «Earnings before Expenses», in Anlehnung an Luca Pacioli, der um 1500 als erster die doppelte Buchführung komplett beschrieben hatte. 

Die Vorschriften zur Rechnungslegung erfordern heute eine viel detail­ liertere Berichterstattung als vor 20, 30 Jahren. Erstaunlich ist, dass sich die Investoren im Vergleich zu 20, 30 Jahren zuvor bei der Bewertung heute gleichwohl weniger auf diese Finanzzahlen verlassen. Studien zeigen, dass die ausgewiesenen Gewinne und Buchwerte nur rund die Hälfte der Unternehmensbewertung erklären – einst waren es rund 80 Prozent. Grund dafür ist die zunehmende Bedeutung immaterieller Vermögenswerte, seien es Patente, Forschungsanstrengungen, Marken oder Geschäftsprozesse, die weder in den Gewinnen noch den Buchwer­ ten abgebildet werden.

Mehr als den Pflichtstoff kommunizieren

Im Zuge dieser Entwicklung sind Unternehmen dazu übergegangen, zusätzlich zum Pflichtstoff weitere Informationen zu publizieren. Dazu zählen beispielsweise:

  • Bestellungseingang einer Industriegesellschaft
  • Zahlen zu den POS eines Retailunternehmens
  • Entwicklung der Forschungspipeline von Pharma­ und Biotechnologieunternehmen
  • Bewertungen einzelner Objekte von Immobilienfirmen
  • Anzahl Kunden und Akquisitionskosten pro Kunde einer Internetfirma
  • Nachhaltigkeitsberichterstattung

Hierbei geht es zuweilen um ebendiese Darstellung immaterieller Ver­mögenswerte, immer aber um den Abbau von Informationsasym­metrien. Ob ein Unternehmen solche Informationen publizieren will, bedarf sorgfältiger Abwägung. Akademische Untersuchungen zeigen, dass die Kapitalkosten und die Kursvolatilität sinken, je präziser Unter­ nehmen den Investoren den Status quo und den Weg in die Zukunft darstellen können. Auch eine direkte Korrelation mit Handelsvolumina und dem Bid­-Ask-­Spread ist nachgewiesen worden. Gegen eine Trans­parenz über das Pflichtprogramm hinaus werden meist mögliche Nach­ teile gegenüber der Konkurrenz oder die höhere Wahrscheinlichkeit juristischer Klagen ins Feld geführt.

Weil sie von den genannten Vorteilen überzeugt sind, kommunizieren viele Unternehmen solche Informationen über den Geschäftsabschluss hinaus. Damit diese Informationen für Investoren auch nützlich sind, müssen sie systematisch und standardisiert erhoben und publiziert werden. Darüber hinaus muss ein direkter Ursache­-Wirkungs-­Zusam­menhang mit den Finanzzahlen bestehen. Diese Kriterien erfüllen etwa der oben genannte Bestellungseingang in der Industrie oder die Ent­wicklung einer Biotech­-Forschungspipeline. Weniger wertvoll sind unter dem Aspekt beispielsweise die Resultate von Kunden­ oder Mit­arbeiterbefragungen.

2.4 Qualitative Faktoren

Auch mit diesen zusätzlichen Informationen, wie eben dargestellt, weicht der Unternehmenswert vielfach markant vom tatsächlichen Marktwert ab. Offenbar spielen auch qualitative Faktoren eine Rolle. Die Universität St. Gallen hat diese in einer Studie wie folgt zusammengefasst:

  • Qualität und Zusammenspiel des Managements
  • Verständlichkeit der Strategie
  • Qualität der Unternehmenskommunikation und der Investor Relations Reputation des Unternehmens in der Öffentlichkeit
  • Corporate Governance

Viele Investoren beziehen diese Faktoren in ihre Analyse und Beurtei­lung mit ein. Denn die Zuverlässigkeit der finanziellen Prognosen ebenso wie die Zuverlässigkeit der zugrunde liegenden Unternehmensangaben werden teils massiv durch diese qualitativen Merkmale beeinflusst. Das Schätzrisiko sinkt – respektive die Zuverlässigkeit der Prognose steigt – mit einem zuverlässigen, vertrauenswürdigen Management, einer guten Reputation des Unternehmens, einer vorbildlichen Corpo­rate Governance, einer qualitativ hochwertigen, transparenten Berichterstattung und einer klaren, kohärenten Unternehmensstrategie.

Qualität heisst nicht nur was, sondern auch wie

Was die Qualität der Unternehmenskommunikation und der IR betrifft, ist eben nicht nur die Substanz entscheidend, sondern auch die Art und Weise, wann und wie die Informationen präsen­tiert werden. Studien zeigen etwa, dass die Priorisierung der Informationen, zum Beispiel wie prominent Pro-­forma-­Zahlen dargestellt werden, oder die Adjektive, die zur Beschreibung der Finanzzahlen gesetzt werden, einen Einfluss auf die Bewertung haben.

Wie können nichtfinanzielle, qualitative Faktoren wirksam eingesetzt werden?

  • Worte und Argumente nach Möglichkeit mit überprüfbaren Zahlen und Fakten unterlegen: «Wo ist die Evidenz?»
  • Kommunikationsstil und Tonfall nutzen, um Zahlen und Fakten in den richtigen Kontext zu setzen: Ehrliche, klare Durchsagen schaffen Vertrauen. Das gilt nicht nur für die persönliche, sondern auch für die schriftliche Kommunikation.
  • Investoren sind Menschen! Gute persönliche Beziehungen helfen in der kontinuierlichen Kommunikation und ganz besonders in heiklen Situationen.
  • Medienpräsenz kann kleinen Unternehmen helfen, bei den Investoren mehr Aufmerksamkeit zu erhalten.
  • Relevanz des Geschäftsmodells aufzeigen
  • So seriös und trocken vieles in den Investor Relations ist: Es darf auch mal originell sein.

Was Letzteres betrifft, seien die Aktionärsbriefe von Warren Buffet als Inspirationsquelle empfohlen. Sie enthalten Stilblüten aller Art, etwa diese hier, die er zur Beschreibung des Hypothekargeschäfts verwendet hat: «It is interesting that the industry has invented new ways to lose money when the old ways seemed to work just fine.»

2.5 Corporate Governance und Managementvergütung

2.5.1 Richtlinie Corporate Governance

Emittenten haben in ihrem Geschäftsbericht unter anderem bestimmte Angaben über die Führung und Kontrolle auf oberster Unternehmens­ ebene zu machen (Corporate Governance). Welche Informationen zu publizieren sind, ergibt sich aus der Richtlinie Corporate Governance (RLCG). Die RLCG verpflichtet die Emittenten, Angaben über die Füh­ rung und Kontrolle auf der obersten Unternehmensebene ihrer Unter­nehmung zu publizieren oder substanziell zu begründen, weshalb bestimmte Angaben nicht publiziert werden (Grundsatz von «comply or explain»). Die einzelnen Angaben, die im Geschäftsbericht eines Emittenten in einem eigenen Corporate­-Governance­-Kapitel zu publizie­ren sind, sind im Anhang zur RLCG aufgeführt (weitere Informationen im ➔ Kapitel 8.4).

 

2.5.2 Managementvergütung

Wichtiger Teilaspekt der Kommunikation in Sachen Corporate Governance ist die Kommunikation betreffend Managementvergütung. Die rechtli­chen Grundlagen dafür, wie die diesbezüglichen Informationen darge­stellt werden müssen, finden sich zum einen in der Richtlinie Corporate Governance (RLCG, siehe auch vorhergehender Absatz) und zum ande­ren in der Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsen­ kotierten Aktiengesellschaften (VegüV) des Bundes, siehe ➔ admin. ch/opc/de/classified-compilation/20132519/index.html. Aktuell sind viele Firmen dabei, ESG­Faktoren in die variable Vergütung auf­ zunehmen. Bei einer Neukotierung sollte dies von Anfang an berück­ sichtigt werden.

Mit der Einführung der VegüV 2014 hat die Kommunikation zur General­versammlung eine markante Änderung erfahren, zumal seither zusätz­liche Abstimmungen notwendig sind. Zu den Aufgaben der Investor Relations betreffend Managementvergütung gehören dabei:

  • Mitarbeit und/oder Kenntnis am Vergütungsbericht, u. a. betreffend Transparenzgrad des Berichts respektive Darstellung zusätzlicher Informationen wie die realisierten Vergütungen der Geschäfts­leitung; klare und verständliche Aufbereitung der Informationen
  • Mitarbeit und/oder Kenntnis bei der Generalversammlung, u. a. betreffend Konzept der prospektiven und retrospektiven Abstim­mungen und der freiwilligen konsultativen Abstimmung
  • Beantwortung von Fragen von institutionellen Investoren und vor allem der Stimmrechtsberater; jeder hat dazu einen detaillierten Fragenkatalog
  • Allenfalls IR-­Roadshow zu Corporate Governance und Vergü­tungsthemen im Vorfeld der Generalversammlung respektive bei vorgesehenen Anpassungen zum Vergütungsmodell
  • Kontakt mit Stimmrechtsberatern (Proxy Advisors) pflegen.

Die Kommunikation gewinnt besonders dann an Bedeutung, wenn sich Kritik abzeichnet. Als Warnsignal für den Verwaltungsrat wird allgemein verstanden, wenn die Zustimmung zum Vergütungsbericht an der Generalversammlung weniger als 80 Prozent beträgt. Zu den typischen Kritik­ punkten seitens Investoren und Stimmrechtsberater gehört, dass

  • konkretere Angaben zu den Zielen fehlen und in Bezug auf die Zielerreichung lediglich allgemeine Auszahlungsniveaus beschrie­ben werden;
  • das Vergütungssystem eine (zu) grosse Anzahl von Zielgrössen und Vergütungselementen umfasst;
  • ganz allgemein die Zusammenhänge zwischen Performance und variabler Vergütung nicht klar nachvollziehbar sind.
  • ESG­-Aspekte im Vergütungsmodell nicht oder zu wenig stark berücksichtigt sind.
Änderungen in der Regulierung

Die SIX Exchange Regulation AG hat 2017 den Leitfaden zur RLCG über­ arbeitet und präzisiert, welche Informationen seitens Unternehmen zu veröffentlichen sind. Zu den Neuerungen gehört, dass, mit besserer Offenlegung, die Angemessenheit der gesetzten Leistungsanreize und die Gründe für die Entwicklung der Vergütungen besser beurteilt wer­ den können. Die Ausgestaltung der Vergütung von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung sei «in möglichst verständlicher und nachvollziehba­rer Weise» offenzulegen (Ziff. 5.1 der RLCG). Dem Passus liegt das Bedürfnis nach mehr Transparenz über die Verbindung zwischen «Pay» und «Performance» zugrunde.

Neu beschrieben sind im Leitfaden zur RLCG zudem die Kriterien zur Entschädigungsfestsetzung. Werden solche angewandt, sind bestimmte Angaben zu diesen Kriterien und deren Gewichtung zu machen. Erfolgt die Gewichtung der Kriterien nach freiem Ermessen, ist darauf explizit hinzuweisen.

Allerdings darf angezweifelt werden, dass mit diesen Vorschriften das Grundproblem der schwachen oder nicht existenten Korrela­tion zwischen «Pay» und «Performance» behoben werden kann. Die Höhe der zugesprochenen VR­- und CEO-­Vergütungen hängt, in der Schweiz und international, eng mit der Marktkapitalisierung zusammen, aber nicht mit der unternehmerischen Performance im Zeitverlauf. Ursache dafür ist nicht der Vergütungsbericht, sondern das Vergütungsmodell.

2.6 Tipps

  1. Viele Unternehmen veröffentlichen zusätzlich zu den geprüften Ergebnis­sen auch adjustierte Zahlen. Daran ist prinzipiell nichts auszusetzen, sofern diese klar definiert, verständlich und nicht irreführend bezeichnet, im Zeit­verlauf konsistent angewendet und auf die geprüften Zahlen übergeleitet werden.
  2. Ähnliches gilt für Zahlen, die über den geprüften Abschluss hinausgehen, wie etwa zum Bestellungsein­gang oder zur Nachhaltigkeits­berichterstattung.
  3. Es ist, ob operativ oder im Bereich der Nachhaltigkeit, in Ordnung, wenn im eigenen Unternehmen eben noch nicht alles in perfekter Ordnung ist. Entscheidend ist, dass dieses Verbesse­rungspotenzial erkannt und aufgezeigt wird und die Schritte dargelegt werden, wie diesbezüglich vorgegangen wird.
  4. Diese über die geprüften Finanzzahlen hinausgehende Unternehmensbe­richterstattung schafft Mehrwert. Dazu darf sie allerdings nicht selektiv und beschönigend, sondern muss objektiv, im Zeitverlauf konsistent und entscheidungsrelevant sein. Worte und Argumente sind nach Möglichkeit mit überprüfbaren Zahlen und Fakten zu unterlegen: «Wo ist die Evidenz?»
  5. Auch kann der Kommunikationsstil und Tonfall genutzt werden, um Zahlen und Fakten in den richtigen Kontext zu setzen. Ehrliche, klare Aussagen schaffen Vertrauen.

3 Financial Guidance

Das Wichtigste in Kürze

Investoren bewerten Unternehmen auf Basis der zukünftigen Gewinne und Cashflows. Unter «Financial Guidance», auch «Earnings Guidance», werden die offiziellen Finanzprognosen kotierter Unternehmen verstanden.

Financial Guidance ist ein probates Mittel, um die Erwartungen der Investoren zu steuern.

In der Schweiz sind Prognosen für den operativen Gewinn und Umsatzprojektionen am häufigsten.

In den USA ist der erwartete Gewinn pro Aktie – für das laufende oder nächste Quartal oder Geschäftsjahr – die am häufigsten verwendete Prognosekennziffer.

Investoren und Analysten schätzen die Wachstumsperspektiven von Unternehmen mit gutem Leistungsausweis generell zu hoch ein. Das führt dazu, dass der Aktienkurs eines solchen Unternehmens im Fall einer Gewinnwarnung häufig besonders heftig korrigiert.

3.1 Pro und Contra

Die Frage, ob und wie Investoren – über die Strategie hinaus – mit zukunftsgerichteten Informationen und speziell mit Finanzprognosen bedient werden sollen, wird seit vielen Jahren heftig debattiert.

Mit Warren Buffet, dem CFA Institute und McKinsey macht sich eine Gruppe dafür stark, keine Financial Guidance zu betreiben, vor allem deshalb, weil sie kurzfristigem Denken und Handeln Vorschub leiste. Ihr gegenüber steht die Mehrzahl der kotierten Unternehmen, die, trotz diesen Bedenken, finanzielle Leitplanken kommunizieren.

In den USA gab die sogenannte «Regulation Fair Disclosure» (RegFD) der Securities and Exchange Commission (SEC), 2000 publiziert, der Financial Guidance kräftig Schub. Auch in der Schweiz hat sich ein Trend zu vermehrter Guidance durchgesetzt; diese wird heute hierzulande von den meisten Gesellschaften, ganz besonders den grösseren, praktiziert.

Abweichungen Dazu dürften die regulatorischen Vorschriften beigetragen haben. Denn die Ad­-hoc-Publizitätsregeln schliessen gemäss konstanter Praxis auch die Pflicht mit ein, die Investoren umgehend zu orientieren, wenn das Jahres­ oder Zwischenergebnis vom prognostizierten nennenswert bzw. (in Abwesenheit einer Prognose) von der Vorjahresperiode erheb­lich abweicht.

Aber aufgepasst: Je präziser die Guidance, desto grösser die Wahr­scheinlichkeit, dass sie im Rahmen einer Gewinnwarnung korrigiert werden muss.

Mehr als «Noise»

Ein Argument der Kritiker lautet, dass Guidance nur «Noise» sei: Manager könnten demnach die zukünftigen Resultate nicht besser prognostizieren als Investoren und Analysten und sollten es darum bleiben lassen. Untersuchungen belegen allerdings das Gegenteil, nämlich, dass Manager die Analysten in Bezug auf die Genauigkeit und Präzision von Finanzprognosen deutlich schlagen, und dass diese Kompetenz auch vom Finanzmarkt anerkannt wird (mehr dazu im Buch von Baruch Lev1). Je nach Branche und Unternehmenssituation sind diesbezüglich die Unterschiede allerdings gross. Der nachfolgende Entscheidungsbaum ist hilfreich, um die Frage zu beantworten: Soll unser Unternehmen Guidance publizieren und, wenn ja, welche?

1

Lev, Baruch: Winning Investors Over, Harvard Business Review Press, Boston, 2012

Entscheidungskriterien pro/contra Financial Guidance
Entscheidungsbaum Financial Guidance nach Baruch Lev

3.2 Financial Guidance in der Schweiz1

Die meisten grossen Unternehmen geben im Rahmen ihrer Jahresbe­richterstattung eine finanzielle Guidance ab (Studie von IRF über SMI­-Expanded­-Unternehmen). Neun von zehn Unternehmen verwenden quantitative Zielgrössen, etwas weniger machen qualitative Angaben. Es ist zu vermuten, dass die im SPI vertretenen kleineren Unternehmen tendenziell weniger und weniger detaillierte Guidance praktizieren.

 

Kennzahlen der quantitativen Guidance

Untersuchung von SMI Expanded Unternehmen,  Beratungsfirma  IRF, 2024

Von den 87% der Unternehmen, die eine quantitative Guidance abgeben, äussern sich 85% zur künftigen Entwicklung des Umsatzes und 78% zu derjenigen des operativen Ergebnisses (EBIT/EBITA/EBITDA). Auch die Höhe der Dividende und des Cashflows sowie des Gewinns bzw. Gewinns pro Aktie sind beliebte Zielgrössen – jeweils um ein Drittel der Unternehmen geben dazu eine Guidance ab. Deutlich weniger beliebt ist die Eigenkapitalquote oder Eigenkapitalrendite. Darüber hinaus verwendete eine Mehrheit derjenigen Unternehmen, die eine Guidance abgeben, auch branchenspezifische Kennzahlen, etwa das Kosten­/Ertragsverhältnis oder der Neugeldzufluss bei Banken, die Combined Ratio bei Versicherungen, die Investitionsausgaben (CapEx) bei Industrieunternehmen oder die Leerstandsquote bei Immobilien­ unternehmen.

Bei den internen Leistungsparametern führen die Entwicklung einzelner Geschäftsfelder und Produktgruppen zunehmend das Feld an. Jeweils knapp 40% der untersuchten Unternehmen geben dazu eine Guidance ab. Auch Kosteneinsparungsprogramme und betriebliche Effizienz (35%) lagen stark im Fokus in diesem Jahr. Die geografische Verankerung wird ebenfalls vermehrt in die Guidance miteinbezogen, jedoch nur bei 22%.

Die Erhebung von IRF zeigt, dass bei den untersuchten Unternehmen derzeit eine Verlagerung von einer kurzfristigen Prognose über die nächsten zwölf Monate (83%) hin zu einer mittelfristigen Prognose (76%) stattgefunden hat. Der Anteil der Unternehmen, die in ihrer Ergebniskommunikation auch langfristige Ziele über 5 Jahre hinaus veröffentlichten, ist mit 22% weitaus geringer.

Angesichts der Einführung von verpflichtend gültigen Regulatorien wurden Prognosen und Zielsetzungen zu ökologischen Faktoren in der Berichterstattung zum Standard (100%). Der Anteil der Unternehmen mit sozialen Indikatoren hinkt noch knapp hinterher (96%).

1

 IRF Studie zur Financial Guidance in der Schweiz, Zürich, 2024
www.irf-reputation.ch/assets/resources/Files/2024-irf-medienmitteilung-guidance-studie-ger-inkl-charts.pdf
 

3.3 Konzept der Financial Guidance

Das Konzept der Financial Guidance eines Unternehmens sollte folgende Elemente umfassen:

  • Ziel und Zweck: Warum wird Guidance praktiziert, oder warum nicht?
  • Verwendete Prognosewerte und Kennziffern: Inwiefern sind diese ein geeigneter Gradmesser, um die Umsetzung der Strategie zu dokumentieren? Bei einem Wachstumsunternehmen dürfte etwa die Umsatzprognose zentral sein, bei einer gewinnstarken Firma in einem gesättigten Markt eher der Gewinn oder Cashflow.
  • Rahmenbedingungen: Sollen die eigenen Prognosen in Beziehung zu exogenen Faktoren wie Marktwachstum oder Wechselkurse gesetzt werden und, wenn ja, wie?
  • Zielhorizont: Guidance mit welcher Frist?
  • Kommunikation: In welcher Form, mit welchen Massnahmen soll die Guidance kommuniziert werden
  • Entscheidungsmechanismus: Wann und wie wird die Guidance überprüft und allenfalls angepasst?

3.4 Umgang mit Gewinnwarnungen, Gewinneinbrüchen und -sprüngen

Was tun, wenn sich die Hinweise verdichten, dass der anstehende Jahres­ oder Zwischenabschluss die eigenen Prognosen verfehlt (Gewinn­ warnung) oder, wenn solche nicht kommuniziert worden sind, gegen­ über der letzten Vergleichsperiode deutlich schwächer oder deutlich besser ausfallen wird (Gewinneinbruch/Gewinnsprung)?

Die kurze Antwort: Möglichst rasch (d. h. sobald der Emittent Kenntnis davon hat) eine Ad-­hoc­-Mitteilung publizieren, die den erwarteten Umfang und die Gründe für die schlechteren bzw. besseren Resultate transparent darlegt. 

Die längere Antwort: «It is better to be roughly right than precisely wrong.» Der Spruch des Ökonomen John Maynard Keynes passt auch auf simple Gewinnwarnungen. Ein paar Empfehlungen:

  • Besser so rasch als möglich eine Schätzung kommunizieren als Wochen später und kurz vor der Ergebnispräsentation praktisch definitive Zahlen.
  • Bei unsicheren Prognosen Bandbreiten kommunizieren, z.B. Umsatz oder EBIT von CHF x­-y Mio.
  • Sind die Gründe für die schlechteren Resultate nicht einmaliger, sondern struktureller Natur, ist es hilfreich, zusätzlich zur Guidance einen Plan und die wichtigsten Massnahmen zu kommunizieren, wie mit der neuen Marktsituation umgegangen wird.
  • Dem soll an den kommenden Resultatterminen ein Statusbericht zu diesem Massnahmenbündel folgen.
  • Das anstehende Ergebnis nicht mit Griffen in die Trickkiste – spontane Verkaufsaktionen, kurzfristiges Kostenprogramm – optisch verschönern; das verschiebt die allermeisten Probleme lediglich auf später.
  • Ziel muss sein, dass das Management mit gradliniger Kommuni­kation möglichst viel Vertrauen bewahrt, und nicht, dass der Kurs möglichst wenig korrigiert.
Vorsicht, wenn alles rund läuft

Wie Untersuchungen zeigen, schätzen Investoren und Analysten die Wachstumsperspektiven von Unternehmen mit gutem Leistungsausweis generell zu hoch ein. Das führt dazu, dass der Aktienkurs eines solchen Unternehmens im Fall einer Gewinnwarnung häufig besonders heftig korrigiert, weniger wegen des einmaligen Verfehlens der Erwartungen, sondern vielmehr aufgrund der Anpassung der mittelfristigen, grundsätzlich zu optimistischen Wachstumsprognosen. Die Lehre daraus für Manager und IR­-Spezialisten: Wenn es Hinweise auf eine (allenfalls branchenweite) Überbewertung gibt, der Versuchung widerstehen, «die Welle zu reiten». Vielmehr soll der Enthusiasmus der Investoren subtil und schrittweise gebremst werden. 

3.5 Tipps

  1. Die verwendeten Prognose­ werte und Kennziffern sollen ein geeigneter Gradmesser sein, um den Fortschritt der jeweiligen Unternehmens­strategie zu dokumentieren.
  2. Je präziser die Guidance, desto grösser die Wahr­scheinlichkeit, dass sie im Rahmen einer Gewinnwarnung korrigiert werden muss.
  3. Aktien mit viel Schub sind besonders exponiert. In einer Wachstumsphase ist Vorsicht vor über­ schäumendem Enthusias­mus angebracht.
  4. Wenn sich abzeichnet, dass die Prognosen verfehlt werden, ist eine möglichst rasche und transparente Information angezeigt.

4 Kernzielgruppe Investoren

Das Wichtigste in Kürze

Spricht man gemeinhin von Investor Relations, ist die Kommunikation mit professionellen oder sogenannten institutionellen Investoren gemeint.

Am schweizerischen Aktienmarkt haben Value-­Investoren das grösste Gewicht, in ihren Händen liegen rund 40 Prozent des SPI. In den letzten Jahren stark gewachsen sind Indexfonds, die inzwischen über 20 Prozent des SPI halten. Existierende und neue Investorenmodelle fokussieren immer stärker auch auf ESG­-Kriterien, so dass ESG-Bewertungen mittler­weile zu den Basis­-Daten der IR gehören.

Eine Kernaufgabe der Investor Relations besteht darin, aus der Fülle möglicher Investoren diejenigen zu eruieren, die gut zum jeweiligen Unternehmen passen: das Investor Targeting.

Am Schweizer Aktienmarkt entfallen knapp 80 Prozent auf Investoren mit Domizil im Ausland.

Es lohnt sich, im Rahmen der kontinuierlichen Investor Relations und besonders bei Kapitalmarkttransaktionen oder delikaten General­versammlungen den Kontakt zu den Stimmrechtsberatern zu suchen.

4.1 Typologie und Anlagestile

Spricht man gemeinhin von Investor Relations, ist die Kommunikation mit professionellen oder sogenannten institutionellen Investoren gemeint.

Zu den wichtigsten institutionellen Investoren zählen Aktienfonds, Indexfonds, Hedgefonds, Versicherungen und Pensionskassen.

Zahlenmässig bedeutend, aber im Vergleich zu den institutionellen Inves­toren meist mit vergleichsweise wenig Stimmrechten ausgestattet sind Privatanleger, auch Retailaktionäre genannt. Eine Zwischenform sind vermögende Privatpersonen, auch High Net Worth Individuals (HNWI) genannt.

Die institutionellen Investoren verfolgen in der Regel einen der beiden folgenden Investmentprozesse:

  • Beim Bottom-up-Verfahren oder Stock­-Picking liegt der Fokus auf der konkreten Einzeltitelauswahl. Branchen­ oder regionale Streuung wird hier kaum oder nur als langfristiges Instrument zur Risiko­streuung eingesetzt.
  • Beim Top-down-Verfahren bewerten Investoren Märkte und ihre Perspektiven und suchen in den favorisierten Branchen oder Regionen dann nach Einzeltiteln.

Betreffend Anlagestil wird unterschieden:

  • Beim Growth-Ansatz stehen die Wachstumsaussichten der Unternehmen im Mittelpunkt, sprich Umsatz, Gewinn oder Cashflow pro Aktie sollen schneller wachsen als bei anderen Unternehmen der Branche.
  • Beim Value-Ansatz steht eine günstige Bewertung und die Stabilität des Investments im Vordergrund. Value­Investoren suchen Aktien, die sie als vom Markt unterbewertet einstufen, meist verbunden mit hoher Dividendenrendite.
  • Beim Blend- oder Core-Ansatz werden sowohl Wachstums­ als auch Substanzwerte berücksichtigt.
Investoren aller SPI-Unternehmen nach Anlagestil

Investoren aller SPI-Unternehmen nach Anlagestil, Quelle IHS Markit/IR club Schweiz, Swiss Ownership Trends Q4 2023 (gerundete  Zahlen)

Die obige Grafik zeigt die Investoren am schweizerischen Aktienmarkt nach Anlagestil. Entsprechend dem sogenannten «defensiven» Profil des schweizerischen Aktienmarktes machen Value­-Investoren die wichtigste Gruppe aus. In ihren Händen liegen rund 40 Prozent des SPI. In den letzten Jahren stark gewachsen sind Indexfonds, die inzwischen über 20 Prozent des SPI halten und nicht nur bei den Large Caps, sondern auch bei den Small Caps ein ernstzunehmender Faktor geworden sind.

4.2 Investor Targeting

Der «richtigen Investorenbasis» kommt aus nahe­ liegenden Gründen höchste Bedeutung zu.

So schätzen die Unternehmen, dass ihre Aktie über die nächsten zwei bis drei Jahre um 15 Prozent ansteigen und die Volatilität um 20 Prozent sinken würde, wenn sie die perfekte Investorenbasis hätten (Studie National Investor Relations Institute und the Rock Center for Corporate Governance)1, Folgerichtig gehören das verstärkte Engagement bei bestehenden Investoren sowie die Diver­sifikation der Investorenbasis zu den beiden wichtigsten Zielen der in Westeuropa kotierten Gesellschaften (IR­-Umfrage BNY Mellon2).

Eine Kernaufgabe der Investor Relations besteht demnach darin, aus der Fülle möglicher Investoren diejenigen zu eruieren, die gut zum jeweiligen Unternehmen passen. Unternehmen können dafür auf die Dienste von Banken oder spezialisierten Beratern zurückgreifen oder das Heft selbst in die Hand nehmen. Die nachfolgenden Kriterien sind dafür hilfreich. Erforderlich für ein Investor Targeting ist ein Zugang zu Datenbanken (siehe ➔ Kapitel 4.3), welche eine Selektion der Inves­toren anhand unterschiedlicher Kriterien erlauben, aktuelle Portfolio­strukturen aufzeigen und weitere Marktdaten zur Verfügung stellen.

Kriterien für das Investor Targeting

  1. Anlagestil: «Marry fundamentals with complementary shareholder base»
  2. Peer-­Investoren: Verstehen, wieso ein Fonds eine Peer­-Aktie besitzt
  3. Investorentyp, etwa Pensionskasse versus ETF­-Aktienfonds
  4. Sektorfokus
  5. Grösse des Investors, minimale Anlagevolumina
  6. Grösse der Unternehmen, z. B. Small Cap Aktienfonds versus Large Cap Aktienfonds; Vorsicht bei Übergang von Small zu Mid Cap bzw. Mid Cap zu Large Cap, da andere Ansprechpartner
  7. Anlagehorizont
  8. Thematischer Fokus, z. B. ESG oder Blue Chips
  9. Regionaler/Länderfokus: Umsatzverteilung anschauen und gegebenenfalls lokale Präsenz nutzen; Know-­how von Brokern/Partnern/Consultants nutzen

Bei einer datenbankgestützten Investorenselektion kann eine Priorisie­rung der Kriterien wirkungsvoll sein. Meist stehen dabei die Kriterien «Anlagestil» und «Sektorfokus» zuoberst. So lassen sich beispielsweise über Peer-Group-­Vergleiche Investoren identifizieren, die Anteile an Wettbewerbern halten, nicht aber in das eigene Unternehmen inves­ tiert sind.

Eine Portfolioanalyse anhand weiterer Kriterien zeigt, welche Punkte bei den Entscheidungen eines Investors eine Rolle spielen. Basierend auf dieser Fundamentalanalyse kann die eigene «Kapitalmarktstory» akzentuiert werden. Ist zum Beispiel die eigene jährliche Wachstums­ rate höher als die des Wettbewerbes? Dann lohnt es sich, dem Manager eines «Growth»­-Fonds die Frage zu stellen, weshalb dieser eigentlich in den Wettbewerb, nicht aber in das eigene Unternehmen investiert. Schliesslich ist zu bedenken, dass mit der Zunahme passiver Vehikel immer mehr Anlageentscheidungen am Aktienmarkt nicht von Menschen, sondern von künstlicher Intelligenz getroffen werden.

1

National Investor Relations Institute und the Rock Center for Corporate Governance: 2014 Study on How Investment Horizon and Expectations of Shareholder Base Impact Corporate Decision­Making, Stanford University, 2014 ➔ gsb.stanford.edu/sites/gsb/files/publication-pdf/cgri-survey-2014-investment-horizon.pdf

2

BNY Mellon, Global Trends in Investor Relations – Survey 2020. New York, 2020. ➔ www.bny.com/emea/en/insights/all-insights/global-trends-in-investor-relations.html

4.3 IR-Datenbanken

Um die Investorenkontakte effizient zu bewirtschaften, betreiben viele Unternehmen eine IR­-Datenbank. Small & Mid Caps benutzen dafür in der Regel handgemachte Excel­-Tabellen oder die firmeneigene CRM­-Platt­form. Grössere Unternehmen setzen auf spezifische IR-­Softwarelösungen von Finanzinformations-­, IR­-Technologie­ oder Roadshow­-Anbietern. Diese können das Planungsprozedere direkt mit der Roadshow­-Planung verknüpfen oder das Investor Targeting dank detaillierter Investoren­profile erleichtern.

4.4 Aktionärsidentifikation

Aufgrund unterschiedlicher Marktgegebenheiten bleiben Aktionäre oft anonym. Viele verbergen sich im Aktienregister hinter sogenannten Nominees, also Personen oder Institutionen, die Aktien für Dritte halten. Das Aktienregister bietet Gesellschaften in Kombination mit Instrumenten wie Shareholder Identification die Möglichkeit, ihre Aktionäre zu eruieren. Grosse Unternehmen führen diesen Prozess regelmässig durch, kleinere und mittelgrosse Unternehmen meist nur in Spezialsituationen, etwa bei umstrittenen GV-­Abstimmungen (Proxy Solicitation der Aktionäre im Hinblick auf die Ausübung von Stimm­rechten) respektive bei M&A­-Transaktionen.

4.5 Konsolidierter Unternehmenskalender

2021 hat die Schweizer Börse ein digitales Angebot – «Bridge» – für börsenkotierte Unternehmen und institutionelle Investoren lan­ciert. «Bridge» bietet einen konsolidierten Überblick der Unternehmens­kalender von Aktienemittenten sowie die Möglichkeit, direkt mit diesen in Kontakt zu treten und bringt so Investoren und Unternehmen näher zusammen.

Den Kern von Bridge bildet der konsolidierte Unternehmenskalender auf der Webseite der Schweizer Börse. Sowohl die an der SIX kotierten Unternehmen als auch die institutionellen Investoren profitieren von diesem kostenlosen Service: Emittenten sind für Investoren sichtbarer und erhalten gleichzeitig einen besseren Einblick in die Unter­nehmenskalender der anderen kotierten Unternehmen. Dies ermöglicht es ihnen, den optimalen Termin für ihre Investorentage, Roadshows, Telefonkonferenzen oder Generalversammlungen zu wählen.

Investoren wiederum profitieren davon, dass konsolidierte Informatio­nen auf einer neutralen Plattform zur Verfügung stehen und können so fundierte Entscheidungen über aktuelle und zukünftige Investitionen treffen. Sie können sich auch direkt für eine Veranstaltung eines Emit­tenten anmelden oder eine Interaktion mit einem an der SIX kotierten Unternehmen auf dem jeweiligen Unternehmensprofil anfordern.

4.6 Herkunft der Investoren

Die nachfolgende Grafik zeigt die Herkunft der Investoren am Schweizer Aktienmarkt auf. Dabei fällt der hohe Anteil ausländischer Investoren auf. Demnach machen die in der Schweiz ansässigen Investoren nur 23 Prozent des gesamten Aktienmarktes aus.

 

Investoren der SPI-Unternehmen nach Herkunft

Herkunft der Investoren im SPI, Quelle IHS Markit/IR club Schweiz, Swiss Ownership Trends Q4 2023 (gerundete Zahlen)

Dabei ist zu beachten, dass dieses Bild von den Schwergewichten im schweizerischen Aktienindex wie Nestlé, Novartis oder Roche dominiert wird. Betrachtet man die Small Caps, beträgt der Anteil von Investoren mit Schweizer Domizil beinahe 50 Prozent. Auch bei diesen kleineren Werten ist der Anteil ausländischer Investoren noch immer gross. Daraus folgt, dass die Investor-Relations­-Tätigkeit jedes Unternehmens international ausgerichtet sein muss.

Schliesslich haben Investoren je nach Herkunft typischerweise unter­ schiedliche Sektorpräferenzen. Zum Beispiel sind die Investoren aus Skandinavien und der Schweiz vor allem in den Sektoren Healthcare, Konsumgüter und Industrie engagiert. Anleger aus Asien haben derzeit hingegen eine Präferenz für Konsumgüter, Finanzwerte und Industrie.

4.7 Investoren in der Schweiz

Anlagefonds, Pensionskassen und Versicherungsunternehmen gehören in der Schweiz zu den grössten institutionellen Investoren. Die nachfol­genden Tabellen vermitteln einen Überblick über die grössten Akteure.

 

Grösste Anbieter am schweizerischen Fondsmarkt
Unternehmen
Volumen
UBS

391 561

Credit Suisse

171 756

Swisscanto

155 879

iShares

93 048

Pictet

89 096

BlackRock

40 075

Vontobel

39 026

JP Morgan

32 157

Swiss Life

29 102

Lombard Odier

22 971

Quelle: Asset Management Association Switzerland, Mai 2024 (in Mio. CHF).

Die hiesigen Anlagefonds (obige Tabelle) investieren rund 46 Prozent ihrer Mittel in Aktien, aber natürlich nicht nur in schweizerische. Dabei ist zu bedenken, dass die Schweizer Fondsanbieter im Vergleich zu ihren internationalen – sprich angelsächsischen – Wettbewerbern deutlich kleiner sind. Die vier grössten Vermögensverwalter der Welt, BlackRock, Vanguard, Fidelity und State Street, verwalten alle mehr als je 3000 Mrd. Franken, also ein x­-Faches des grössten Schweizer Anbieters. Die angel­ sächsischen Fondshäuser sind gleichzeitig die grössten ETF-­Anbieter und reizen den Trend zu passiven Anlagestrategien am besten aus. 

Die schweizerischen Pensionskassen (siehe nachstehende Tabelle) inves­tieren durchschnittlich etwa 30 Prozent in Aktien. Beinahe zwei Drittel des Aktienanteils besteht aus internationalen Aktien. Obligationen und Immobilien sind zwei weitere grosse Kategorien.

 

Grösste Pensionskassen der Schweiz
Pensionskasse
Volumen
Pensionskasse des Bundes PUBLICA

42 654

BVK des Kantons Zürich

39 823

UBS

30 119

Migros­-Genossenschafts­-Bund

29 887

Nestlé (Vermögenswerte Gruppe)

20 395

Asga

26 166

Caisse de prévoyance de l'Etat de Genève (CPEG)

22 195

Pensionskasse der Stadt Zürich

20 848

SBB

18 409

Credit Suisse

18 810

Roche

17 954

Post

17 608

Quelle: Thinking Ahead Institute / Willis Towers Watson Global 300, September 2023 (in Mio. USD) 

Für spezifische Branchen und Marktnischen (etwa Small Caps) gibt es viele weitere Akteure, die im Rahmen der Investor Relations, auch wenn sie nicht zu den nationalen Schwergewichten gehören, durchaus eine nennenswerte Rolle spielen können. Ein Beispiel dafür sind aktive Aktienfonds für Schweizer Small und Mid Caps, die in der nachstehen­ den Tabelle aufgeführt sind.

 

Aktive Aktienfonds für Schweizer Small und Mid Caps
Fonds
Volumen
Pictet Swiss Mid Small Cap

1 507

SaraSelect

1 603

UBS Mid Caps Switzerland

1 300

zCapital Swiss Small & Mid Cap

1 010

Vontobel Fund ­ Ethos Equities Swiss Mid & Small

948

UBS Institutional Fund Small & Mid Cap Equities Switzerland

776

IST Aktien Schweiz Ergänzungswerte

751

Swisscanto Equity Fund Responsible Small & Mid Caps Switzerland

673

GAM Swiss Sustainable Companies

502

LO Funds Swiss Small & Mid Caps

293

Quelle: SIX Swiss Exchange/Bloomberg, Juni 2024 (in Mio. CHF). Fonds mit Domizil im Ausland sind in der Liste nicht berücksichtigt. 

4.8 Stimmrechtsberater

Um die Stimmpflicht verantwortungsvoll und effizient zu erfüllen, nehmen manche Vorsorgeeinrichtungen die Dienstleistungen von Stimmrechtsberatern («Proxy Advisors», «Proxy Firms») in Anspruch.

Dies betrifft in erster Linie Pensionskassen, die entweder direkt oder über einen Einanlegerfonds eine grössere Zahl von Schweizer Aktien halten – und zwar unabhängig von der Grösse der Pensionskasse: Während kleineren Einrichtungen die Ressourcen zur Entscheidungs­findung oftmals fehlen, sind grössere an einer möglichst fundierten Abstützung ihres Stimmentscheides interessiert.

Die Juristin Mariel Hoch definiert den Begriff wie folgt: «Proxy Advisory ist die entgeltliche Beratung institutioneller Investoren bei der Ausübung ihrer Stimmrechte an Generalversammlungen kotierter Gesellschaften. Diese beratende Tätigkeit nehmen Proxy Advisors wahr, indem sie konkrete Empfehlungen (FÜR oder GEGEN, selten ENTHALTEN) zu den einzelnen Traktanden einer Generalversammlung abgeben, wobei diese die individuellen Interessen der Investoren nicht berücksichtigen. Empfehlung und dazugehörige Begründung stützen sich auf interne Richtlinien der Proxy Advisors und werden in Berichtsform abgegeben.»1.

Es heisst gemeinhin, dass an der Generalversammlung eines Schweizer Unternehmens mit einem breiten Aktionariat jede dritte Stimme von Stimmrechtsberatern beeinflusst sein dürfte. Im Markt für Stimmrechtsberatung sind inländische und ausländische Anbieter aktiv. Das grösste Gewicht hat ISS (➔ issgovernance.com), gefolgt von Glass Lewis (➔ glasslewis.com). Die schweizerischen Anbieter, namentlich Ethos (➔ ethosfund.ch) und zRating (➔ inrate.com), sind kleiner, dafür mit den hiesigen regulatorischen Gegebenheiten gut vertraut. Ein guter Artikel zu ISS findet sich in der Bilanz, siehe ➔ bilanz.ch/unternehmen/ stimmrechtsberater-iss-so-tickt-dieaktionaers-polizei-902708.

Es lohnt sich, im Rahmen der kontinuierlichen Investor Relations und besonders bei Kapitalmarkttransaktionen oder delikaten Generalver­sammlungen den Kontakt zu den Stimmrechtsberatern zu suchen. IR müssen deren Bedürfnisse kennen und auch die Spannungsfelder, bei denen die Vorstellungen von Unternehmen und Stimmrechtsberatern auseinanderklaffen. Aktuell betrifft dies etwa das Tempo der Umset­zung von Geschlechterquoten oder von Klimazielen. Aber auch die Wahl der Verwaltungsräte und die Höhe der CEO­-Vergütungen werden wieder vermehrt kritisch beurteilt. Die deutsche IR­-Fachvereinigung DIRK hat überdies einen ausgezeichneten Ratgeber zum Umgang mit Stimmrechtsberatern publiziert, u.a. mit guten Porträts der wichtigsten Akteure, siehe ➔ dirk.org/wp - content /uploads/2020/11/ IR- Guide- Proxy-Advisor_FINAL.pdf 
 

1

Hoch, Mariel: Proxy Advisory – eine Standortbestimmung, SZW/RSDA 5/2016, ➔ baerkarrer.ch/de/publications/proxy-advisory-eine-standortbestimmung
 

4.9 Tipps

  1. Aufgabe der IR und, in oberster Verantwortung, des Verwaltungsrates ist es, alle Aktionäre zu vertreten und nicht nur diejenigen, die ihre Meinung am deutlichsten artikulieren.
  2. Die Stimmrechtsberater haben teils rigide und auch wider­sprüchliche Vorstellungen und Kriterien, was die Themen der Corporate Governance und Vergütung angeht. Jedes Unter­nehmen muss seinen eigenen Weg finden.
  3. Um die Investorenkontakte effizient zu bewirtschaften, betreiben viele Unternehmen eine IR­-Datenbank. Es empfiehlt sich, eine spezifische IR­-Softwarelösung von Finanzinformations­, IR­-Technologie­ oder Roadshow­ Anbietern zu prüfen.
  4. Bei einer datenbankgestützten Investorenselektion kann eine Priorisierung der Kriterien wirkungsvoll sein. Meist stehen dabei die Kriterien «Anlagestil» und «Sektorfokus» zuoberst.
  5. Aufgrund unterschiedlicher Markt­gegebenheiten bleiben Aktionäre oft anonym. Das Aktienregister bietet Gesellschaften in Kombination mit Instrumenten wie Aktionärsidentifika­tion die Möglichkeit, ihre Aktionäre zu eruieren.

5 Aktienresearch

Das Wichtigste in Kürze

Die Aktienanalyse hat zum Ziel, die «schlechten» von den guten und somit aussichtsreichen Aktienwerten zu trennen.

Analysten erstellen Schätzungen für die zukünftigen Geschäftsjahre für eine ganze Fülle von Kennziffern, namentlich für den Umsatz und den Gewinn. Diese gewinnen öffentliche Relevanz.

Über die Qualität der Arbeit von Analysten gibt es viele Analysen. Die meisten davon kommen zum Schluss, dass die Prognosen von Analysten tendenziell zu optimistisch, aber besser als einfache Extrapolationen sind.

In den Investor Relations nimmt die Kommunikation mit Analysten eine zentrale Stellung ein.

ESG-­Analysen gewinnen an Bedeutung. Zum einen erstellen spezia­lisierte ESG­-Ratingagenturen solche Analysen, zum anderen halten ESG-­Analysekriterien im klassischen Aktienresearch Einzug.

5.1 Typen und Rolle

Aktienanalysten sind ein zentrales Bindeglied zwischen professionellen Investoren und börsen­ kotierten Unternehmen.

Sie analysieren ausgewählte Gesellschaften und geben ein Urteil über die Anlagequalität und Anlageeignung ab. Es wird dabei zwischen zwei Arten von Analysten unterschieden:

  • Sell-side-Analysten findet man bei Finanzinstitutionen, die mit Aktien handeln, sprich Investmentbanken, Brokerhäuser und Privatbanken. Zudem gibt es spezialisierte Boutiquen, die sich voll und ganz der Finanz­analyse verschrieben haben. Sell­-side­-Analysten investieren nicht (oder nur selten) selbst Geld in die Firmen, über die sie schreiben, sondern geben Kaufs-­ und Verkaufsempfehlungen an Dritte ab. Ein einzelner Analyst deckt dabei in der Regel rund ein Dutzend Firmen ab. Kern der Analyse ist eine eigenständige Unternehmensbewertung. Wichtige Informationsgrund­lage dafür sind zum einen die detaillierten Ergebnisse und Erläuterungen im Geschäftsbericht und zum anderen Informationen zur Zukunft sowie direkte Treffen mit dem Management. Wenn man in den Medien von Analysten liest und hört, sind dies fast immer Sell­-side-Analysten.
  • Buy-side-Analysten sind Teil eines Investorenteams, das selbst und direkt Investitionen tätigt. Sie arbeiten in der Regel bei Fonds­ und Ver­mögensverwaltungsgesellschaften. Ihr Aufgabengebiet ist demjenigen der Sell-side-­Analysten sehr ähnlich. Auch sie analysieren Unternehmen, auch sie bilden sich eine eigene Meinung. Doch decken sie dabei meistens mehr Unternehmen ab – eher mehrere als ein Dutzend – und können somit in aller Regel weniger Zeit für ein einzelnes Investment aufwenden. Zuweilen nehmen sie die Analystenberichte von Sell­-side-­Analysten zum Anlass, sich ein Unternehmen genauer anzuschauen und sich eine eigene Meinung dazu zu bilden. Buy­-side­-Analysen sind nicht für eine breitere Öffentlichkeit bestimmt.
  • ESG-Analysten sind sowohl auf Sell­ wie auch auf Buy­-side immer stärker vertreten. Von der ESG­-Analyse als einer Grundlage für Investitionsent­scheide unter vielen bis hin zu einer reinen Nachhaltigkeitsstrategie, in der die ESG-Analyse zuoberst steht, sind alle Ausprägungen vertreten. Investitionsentscheide ganz ohne Berücksichtigung von Nachhaltigkeits­aspekten und damit verbundenen Risiken werden heute fast keine mehr getroffen. ESG­-Data­-Anbieter prüfen Firmen mittels verschiedener Daten­modelle und verlangen teilweise umfassende Auskünfte. Es ist ratsam, sowohl fundierte ESG­-Daten zu veröffentlichen als auch die spezifischen Fragen der ESG­-Analysten auf Antrag zu beantworten.

Investoren stehen global viele Tausend unterschiedliche Aktientitel zur Auswahl. Die Aktienanalyse nimmt eine wichtige Stellung ein, denn auf diese Weise kann eine sorgfältige Auswahl der Aktien auf Grundlage verschiedener Faktoren erfolgen. Somit hat die Aktienanalyse zum Ziel, die «schlechten» von den guten und somit aussichtsreichen Aktien­ werten zu trennen.

Qualität der Prognosen

Wie gut sind die Prognosen von Analysten? Über die Qualität der Arbeit von Analysten gibt es viele Analysen. Die meisten kommen zum Schluss, dass die Prognosen von Analysten tendenziell zu optimis­tisch, aber besser als einfache Extrapolationen sind. Die Qualität der Analysen respektive Analysten korreliert dabei positiv mit der indi­viduellen Erfahrung, der Breite der jeweiligen Branchenabdeckung und der Grösse des Arbeitsgebers. Gute Analysten kennen die betreffende Branche besonders gut, sind ausgezeichnet vernetzt und haben Zugang zu den Kunden der betreffenden Gesellschaften (mehr dazu im Buch von Baruch Lev1).

Analysten erstellen zu dem Zweck Schätzungen für die zukünftigen Geschäftsjahre zu einer Fülle von Kennziffern und Verhältniszahlen. Verschiedene Datenanbieter wie Bloomberg oder die Schweizer Nach­ richtenagentur AWP fassen die publizierten Kennzahlen zu Konsens­ schätzungen zusammen, meist für Umsatz und Gewinn respektive Gewinn pro Aktie. Diese gewinnen öffentliche Relevanz.

Interessenkonflikte

Analysten arbeiten sowohl für ihre Kunden als auch für ihren Arbeitgeber. Ist der Arbeitgeber eine Bank, die mit Aktien handelt, dann besteht ein potenzieller Interessenkonflikt, nämlich dass Analysten mit pointierten Meinungen und Prognosen den Aktien­handel (Brokerage) stimulieren oder im Rahmen eines Börsen­gangs oder einer Kapitalerhöhung mit optimistischen Analysen die für die Investmentbanker zentrale Bewertung optimieren. Klare organisatorische Trennungen, sogenannte Chinese Walls, und bankinterne Vorschriften sollen diese Interessenkonflikte minimieren.

1

Lev, Baruch: Winning Investors Over, Harvard Business Review Press, Boston 2012

5.2 Steigerung der Research-Abdeckung

Während die grossen Unternehmen in der Regel von vielen Analysten beurteilt werden, haben viele Small & Mid Caps zum Ziel, die Research­ Abdeckung zu verbreitern. Denn rund die Hälfte der an der Schweizer Börse kotierten Gesellschaften werden nur von einem Analysten oder gar nicht abgedeckt, Tendenz steigend. Das Problem dieser Firmen ist, dass für die Finanzinstitute die Kosten der Analyse die Erträge über­steigen.

Um gleichwohl zu einer Analyseabdeckung zu gelangen, bestehen folgende Möglichkeiten:

  • Den allenfalls langen Weg der Überzeugung gehen. Analysten eruieren, die z. B. einen Konkurrenten abdecken, und sie oder ihn als Teil des IR-­Programms mit hoher Priorität und in ange­messener Kadenz mit Informationen bedienen.
  • Die «Hausbank» oder eine Investmentbank um ein konkretes Angebot bitten. Ist ein Emittent willig, die Bank zum Beispiel mit dem Market Making oder einer nächsten Kapitalerhöhung zu beauftragen, ist diese im Gegenzug allenfalls bereit, die Research­ Abdeckung zu übernehmen. Angebot und Kosten variieren stark respektive sind wesentlich von der jeweiligen Situation und Grösse des Unternehmens abhängig. Es lohnt sich, mehrere Optionen miteinander zu vergleichen.
  • Dem Programm «Stage» von SIX beitreten (mehr dazu im nachfolgenden Kapitel) oder eine der spezialisierten Research­ Boutiquen direkt beauftragen.

5.3 Programm «Stage» von SIX

Um Unternehmen dabei zu unterstützen, ihre Präsenz im Markt zu steigern und damit eine angemessene Bewertung zu erreichen, bietet SIX das Programm «Stage» an. Mit dem Ange­bot kann die Sichtbarkeit bei den Anspruchsgruppen erhöht werden, mit Research­ Berichten, die von erfahrenen Partnern erstellt werden. Weitere Informationen auf ➔ six-group.com/de/products-services/the-swiss-stock-exchange/listing/equities/stage-program.html

5.4 Umgang mit Analysten

Dass Analysten direkt, zeitnah und professionell mit den relevanten Fak­ten bedient werden, in passender Frequenz und Informationstiefe, ist zum Courant normal geworden. Doch gehen bei den kotierten Unter­nehmen die Meinungen auseinander, ob und wie auf die Schätzungen der Analysten direkt Einfluss genommen werden soll, wenn der Konsens von den eigenen Schätzungen wesentlich abweicht oder wenn die einzelnen Analystenschätzungen weit auseinanderliegen. Die gleiche Frage stellt sich, wenn ein Analyst ein Unternehmen plötzlich auf «Verkaufen» respektive sich mit seiner Meinung hart gegen das Management stellt. Wie auch immer diese Antwort ausfällt: Die Regeln zur Ad-hoc-Publizität schreiben den Grundsatz zur Gleichbehandlung vor und damit auch, dass einzelnen Analysten keine kursrelevanten Informationen kommuniziert werden dürfen.

Das CFA Institute, eine Ausbildungsorganisation für Aktienanalysten, hat einen guten Ratgeber mit dem Titel «Best Practice Guidelines Analyst/Corporate Issuer Relations» publiziert, der via folgendem Link kostenlos heruntergeladen werden kann. Er ist zwar nicht mehr ganz neu und auf den US-­amerikanischen Markt ausgerichtet, die Grundzüge passen aber gleichwohl: ➔ CFA Institute (doi.org/10.2469/ccb.v2005.n7.4004)

5.5 Schweizer Aktienresearch

Die Sell­-side-­Analyse ist seit dem Platzen der Dotcom­-Blase ein immer härteres Pflaster geworden.

In Deutschland ist die Anzahl von Aktienanalysten seither von 800 auf 200 zurückgegangen. In der Schweiz geht der Trend in die gleiche Richtung, wenn auch in kleineren Dimensionen. In dem Markt ist viel Bewegung, nicht zuletzt aufgrund neuer regulatorischer Vorschriften (siehe Kasten zu MiFID im ➔ Kapitel 5.1). Die nachfolgende Tabelle stellt die für die Schweiz wichtigsten Akteure dar.

 

Institutionen mit Schweizer Aktienresearch
Typ
Unternehmen
Grossbanken/InvestmentbankenBank of America, Citigroup, Deutsche Bank, Goldman Sachs, Jefferies, JP Morgan, Morgan Stanley, UBS
KantonalbankenZKB
Privatbanken und VermögensverwalterBerenberg, Vontobel
Spezialisierte Research­ und/oder Brokerage­UnternehmenBaader Helvea, Kepler Chevreux, Octavian, Research Partners, Stifel

Dabei ist der Fokus der einzelnen Research-­Teams sehr unterschiedlich. Die nachfolgende Tabelle vermittelt einen Eindruck, wie viele der rund 300 an der Schweizer Börse kotierten Firmen abgedeckt werden.

 

Abdeckung ausgewählter Banken und Research-Institute
 
Coverage-Universum
Analysten in der Schweiz
Analysten im Ausland
Anzahl 
Aktien SIX
Anzahl 
Aktien global
ZKBSchweiz/SPI

21

144

VontobelSchweiz/SPI

11

100

Research PartnersSMI/SPI

11

109

UBSGlobal/SMI/SPI

10

610

97

3 494

Baader Helvea/
Alphavalue
DACH

5

36

92

585

Kepler ChevreuxCont. Europe; Small/Mid/Large Caps

7

105

90

> 1 100

StifelSMID Cap Cont. Europe, UK and US

4

171

75

2 141

OctavianSMI/SPI

11

0

71

BerenbergSMID Cap Cont. Europe, UK and US

2

90

52

730

Deutsche BankGlobal/SMI/SLI

1

200

46

1 541

Jefferies*Global/Mid/Large caps

194

45

3 016

Morgan StanleyMid/Large caps

0

> 670

39

> 3 800

Stand Juni 2024, Angaben der jeweiligen Banken und Finanzinstitute

*Stand Oktober 2023.

5.6 Tipps

  1. Jedes Unternehmen sollte die Grundregeln betreffend Umgang mit Analysten definieren. Die Richtlinien des CFA Institute können dafür Ausgangspunkt sein.
  2. Das Kotierungsreglement sowie die Richtlinie zur Ad-­hoc-­Publizität schreiben vor, dass einzelnen Analysten bzw. Investoren keine kursrelevanten Informationen vorab kommuniziert werden dürfen. Es gilt das Gleichbehandlungsgebot.
  3. Viele Small & Mid Caps haben zum Ziel, die Research­-Ab­deckung zu verbreitern. Dafür können Unternehmen den allenfalls langen Weg der Über­zeugung gehen, die «Hausbank» oder eine Investmentbank um ein konkretes Angebot bitten oder dem Programm «Stage» von SIX beitreten.

6 IR-Massnahmen

Das Wichtigste in Kürze

Durch welche Kommunikation werden Investoren zufriedengestellt? Bei Bewertung und Beurteilung der Qualität eines Unternehmens stützen sich die meisten institutionellen Investoren – an diese richten sich die Investor Relations in aller Regel – ab auf:

  • Daten und historische Zeitreihen aus Jahres­ und Zwischenberichten oder (seltener, da weniger üblich) Investorenhandbüchern
  • Informationen in Präsentationen, Investorenkonferenzen und Einzelgesprächen mit dem Management
  • Eigene Recherchen über Produkte, Sektor und Wettbewerb

     

Demnach stehen beim IR-­Instrumentarium die folgenden Massnahmen im Zentrum:

  • Persönliche Interaktionen in Form von Einzelgesprächen und Gruppenpräsentationen, basierend auf einer Investorenpräsentation
  • Geschäfts­ und Zwischenberichte
  • Website als zentrale Plattform und als Archiv
  • Aus regulatorischen Gründen zudem Generalversammlung und Medienmitteilungen
  • Demgegenüber gehören bei professionellen Investoren in Europa weder Medienartikel noch Social Media zu den primären Informationsquellen.

Die einzelnen IR­-Massnahmen werden nachfolgend beschrieben.

6.1 Einzelgespräche

Beschreibung
  • Ein oder mehrere Vertreter des Managements treffen Investoren oder Analysten einer einzelnen Institution – meistens 1–2 Personen
  • Typische Dauer: 45–60 Minuten
  • Das Management oder (bei Erstkontakten) der IR­Officer präsentiert die wichtigsten Fakten, gefolgt vom Q+A
  • Bei bestehenden Kontakten beschränkt sich das Treffen meist auf das Q+A
  • Häufig sind Einzelgespräche Teil einer Roadshow (siehe nächstes ➔ Kapitel)
Zweck
  • Vertrauen schaffen und Investoren überzeugen, in das Unternehmen zu investieren
  • Ein Feedback der Investoren zum Unternehmen und den Konkurrenten zu erhalten
Anlass
  • Bei einem Erstkontakt: Unternehmen und Management vorstellen
  • Nach Finanzresultaten und wichtigen Ereignissen: Kernbotschaften wiederholen, offene Fragen der Investoren klären
  • Im Vorfeld oder während Kapitalerhöhungen: Nachfrage kreieren
Inhalt
  • Unternehmensprofil
  • Aktuelle Entwicklungen
  • Markttrends
  • Strategie und deren Umsetzung
  • Finanzielles
  • Ausblick
  • Investmentcharakteristika («Investment Case»)
  • Nachhaltigkeit
Tipps
  • Management gezielt einsetzen, wenn möglich IRO die Vorarbeit und ev. auch den Erstkontakt machen lassen
  • CEO nach Möglichkeit entlasten; auch CFO und/oder Leiter Geschäftsbereiche einsetzen
  • VR-­Präsident bei wichtigen Investoren strategisch einsetzen, vor allem im Vorfeld der GV
  • Vor­ und Nachbereitung nicht vergessen: Übersicht erstellen, wann man Investor zuletzt getroffen hat; Diskussionsthemen
  • Investoren­-Profile erstellen für neue Kontakte

6.2 Roadshow

Beschreibung
  • Wie Einzelgespräche, aber eine Kombination von Einzelgesprächen
  • Dauer: in der Regel 2–3 Tage, in Spezialfällen länger
  • Findet i. d. R. bei Investoren statt
  • Immer häufiger werden sogenannte Reverse-­Roadshows oder Field trips, bei welchen Broker mit einer Gruppe von Investoren eine Tour zu Unternehmen organisieren
Zweck
  • Wie Einzelgespräche
  • Zuweilen Teil eines Programms, um die Research­-Abdeckung oder die Investorenbasis geografisch zu erweitern
Anlass
  • Wie Einzelgespräche
Inhalt
  • Wie Einzelgespräche
Tipps
  • Nur dann auf Roadshow gehen, wenn es etwas zu erzählen gibt: Roadshows unmittelbar nach den Finanzzahlen einplanen, um Investoren auf den neuesten Stand zu bringen und Fragen zu klären
  • Bei dringenden Themen zwei Teams gleichzeitig losschicken, erlaubt eine schnellere Rückkehr zum Tagesgeschäft
  • Gewichtung Teams gegenüber Investoren (Strategie­-interessierte Investoren: CEO; zahleninteressierte: CFO)
  • One-­Voice-­Policy sicherstellen, besonders wenn zwei Teams gleichzeitig «on the road» sind
  • Den passenden Broker/Partner wählen: Qualität des Investor Targetings und ein gutes Sales Team vor Ort sind entscheidend, nicht der Name
  • Durchaus auch mit Brokern mit «Sell recommendation» oder ohne Coverage auf Roadshow gehen
  • Broker/Partner regelmässig wechseln (Zugang zu anderen Investoren, gleiche Behandlung von Brokern)
  • Neue Roadshow­-Destinationen erstmals nur CFO und/oder IRO
  • Klare Vorstellungen haben, wen man treffen will: Wichtige Investoren auf die Liste setzen lassen, auch wenn diese keinen Kontakt zum Broker haben
  • Hedgefonds sind auch Investoren! – Gute «Sparringspartner», Verhindern von Short-­Positionen
  • Nicht mehr als sechs Treffen pro Tag
  • Roadshows sind intensiv, darum ist eine gute Reiseplanung zentral (Transport­ und Gepäcklogistik, Reserve-Equipment für IT und Batterien etc.)
  • Im Nachgang zur Corona-­Pandemie sind virtuelle Roadshows häufiger geworden.
  • Nach der Roadshow Feedback einholen (via Broker/Partner) und an Management weitergeben
  • Versprochene Follow-­ups zeitnah erledigen

6.3 Investorenkonferenzen

Beschreibung
  • Präsentation vor Investoren, die von einem Broker oder Finanzinstitut zu einem ein­ oder mehrtägigen Programm eingeladen worden sind
  • Seltener und vor allem auf Small & Mid Caps ausgerichtet sind Investorenkonferenzen unabhängiger Anbieter, in der Schweiz namentlich die Investora
  • Vor und nach der Präsentation besteht die Möglichkeit für Einzelgespräche
Zweck
Wie Einzelgespräche und Roadshow
Anlass
Wie Einzelgespräche und Roadshow
Inhalt
Wie Einzelgespräche und Roadshow
Tipps
  • Im Gegensatz zu den Einzelgesprächen sind hier Präsentationsfertigkeiten entscheidend. Wer vom Managementteam macht dies besonders gut? Es muss nicht immer der CEO sein.
  • So oder so: Präsentationsfertigkeiten können trainiert und eigentlich immer verbessert werden, auf Basis konstruktiven Feedbacks …
  • … sowie auf Basis guter Vorbereitung. Ein Trainingslauf vor einer wichtigen Investorenpräsentation, inklusive simuliertem Q+A, bereitet den Sprecher/die Sprecherin gedanklich auf den Anlass vor.
  • Effizient und wirkungsvoll sind auch Präsentationen via die Plattform Salesforce, welche zusammen mit einem Analysten­/Brokerageteam für einen Pitch an die Aktienhändler aufgesetzt werden können. Die Brokerageteams laden ihre Händler zur Teilnahme via Web­ oder Telefonkonferenz ein.
  • Im Nachgang zur Corona-­Pandemie sind virtuelle Investorenkonferenzen häufiger geworden.

6.4 IR-Präsentation

Beschreibung
  • Die IR-­Präsentation ist Basis für alle Investorenkontakte, ob diese nun in Form von Einzelgesprächen, einer Roadshow oder einer Investorenpräsentation erfolgen
  • Sie beschreibt in geraffter Form die Strategie, die Tätigkeiten und die Finanzsituation sowie den Weg, wie die strategischen Ziele erreicht werden sollen
Zweck
  • Wie Einzelgespräche, Roadshow und Investorenpräsentation
Anlass
  • Wie Einzelgespräche, Roadshow und Investorenpräsentation
Inhalt
  • Wie Einzelgespräche, Roadshow und Investorenpräsentation
Tipps
  • Eine gute IR­-Präsentation startet mit einem guten, kompakten Firmenbeschrieb
  • Was sind die USPs der Dienstleistungen und Produkte? Das geht oft vergessen
  • Ergebnis der aktuellen Periode in mittelfristigen Zielpfad einreihen
  • Überleitung vom Nettogewinn zum Gesamtergebnis und Cashflow
  • Darstellung der anstehenden Meilensteine und, so möglich und sinnvoll, ihres potenziellen Einflusses auf die Bewertung
Die perfekte Präsentation vor institutionellen Investoren
Do’s (Maxime: «Weniger ist mehr»)
Don’ts
Link der Berichtsperiode auf StrategieumsetzungÜberfüllte 1. Folie mit Highlights im Finanzjahr
Beschreibung der Produkte und der WettbewerbsvorteileBlosse oder zu ausführliche Beschreibung der Firma
Beschreibung der Märkte/KundensegmenteBeschreibung der Organisation (Segmente)
Wichtige Veränderungen bei Kundenbedürfnissen und interne
Reaktion darauf
Blosse Erwähnung der internen Entscheidung: «Eröffnung/Schliessung des Standorts ABC»
Wohin bewegen sich Produkte und Firma mittelfristig. Gelten frühere Ziele noch?Exakter Ausblick für die nächsten 3–6 Monate (statt Bandbreiten)
Finanzkennzahlen der vergangenen Periode und Gründe für Abweichung von Norm/ZielpfadBlosser Vergleich mit Vergleichsperiode
Darstellung des historischen Value AddedBemerkungen zu Bewertung oder Aktienkurs
Erläuterungen zu Cashflow und GesamtergebnisAnnahme, Jahresbericht genüge diesbezüglich
Einbezug Nachhaltigkeitsaspekte 

Die perfekte IR-Präsentation, Quelle: Schroders

6.5 IR-Telefon-/Videokonferenz

Beschreibung
  • IR-­Telefon­ oder Videokonferenzen sind ein effizientes Instrument im Nachgang zu einer wichtigen Medienmitteilung
  • Meist basieren sie auf einer Präsentation, die auf der IR­Website am Morgen der Konferenz verfügbar gemacht wird
  • Entscheidend ist weniger die Präsentation als vielmehr das Q+A
  • Dauer: in der Regel ca. 30 bis 60 Minuten
  • Die Telefonkonferenz wird auf der Website rechtzeitig angekündigt, die Investoren (und meistens auch Medien) werden dazu 1–2 Wochen vor der Konferenz eingeladen
  • Die meisten Unternehmen machen die Audio­ oder Videodatei nach der Konferenz auf ihrer IR­Website öffentlich verfügbar
Zweck
  • Kernbotschaften kommunizieren
  • Offene Fragen von Investoren «in globo» klären
Anlass
  • Nach Finanzresultaten
  • Bei wichtigen Ereignissen wie M&A, lange erwarteten Zulassungen für Schlüsselprodukte, unerwarteten Problemen wie z. B. Gewinnwarnungen
Inhalt
  • Abhängig vom konkreten Ereignis
Tipps
  • Zur Einleitung die wichtigsten Botschaften sehr kurz zusammenfassen und nach dem Q+A die Konferenz mit diesen Kernaussagen beenden
  • Für beides ein Skript vorbereiten …
  • … und ebenso für die Präsentation, die besprochen wird
  • Präsentationen an Telefonkonferenzen sollten möglichst kompakt sein: nicht mehr als ein Dutzend Folien, nicht länger als 15ʼ. Je kürzer, desto besser
  • Immer mehr Unternehmen verzichten ganz auf eine einleitende Präsentation und beschränken sich auf das Q+A
  • Wenn es um problematische Sachverhalte geht, diese in der Einleitung und einer sorgfältig erarbeiteten Aussage beschreiben und im Q+A darauf Bezug nehmen
  • Eine Telefonkonferenz ergibt nur Sinn, wenn es auf die meisten Fragen der Investoren eine gute Antwort gibt. In gewissen Krisensituationen, wo dies nicht der Fall ist, sind Einzelgespräche zuweilen zielführender
  • Jede Konferenz soll von einem Moderator eingeleitet und geführt werden, inklusive professioneller Technik (keine offenen Linien)
  • Verschiedene Anbieter von Telefon­ und Videokonferenzen bieten IT-­Lösungen, die die Teilnehmer und die Personen, die Fragen stellen wollen, namentlich aufführen – sehr nützliche Informationen!

6.6 Geschäfts- und Zwischenberichte

Beschreibung
  • Emittenten sind gemäss Kotierungsreglement von SIX verpflichtet, einen Geschäftsbericht und einen Halbjahresbericht zu publizieren
  • Demgegenüber ist die Publikation von Quartalsabschlüssen fakultativ
  • Die Publikationspflichten sind im Kotierungsreglement (KR) von SIX sowie in den Richtlinien Regelmeldepflichten (RLRMP), Rechnungslegung (RLR), Ad-­hoc-­Publizität (RLAhP) und Corporate Governance (RLCG) beschrieben (siehe ➔ Kapitel 8)
Zweck
  • Berichterstattung über das Geschäftsjahr respektive die betreffende Periode
  • Transparente Darstellung der Finanzsituation
  • Erfüllt zuweilen auch den Zweck eines Unternehmensportraits
  • Pflicht zur Aufrechterhaltung der Kotierung
Anlass
  • Publikation vier Monate nach Bilanzstichtag für den Geschäftsbericht, Frist von drei Monaten für den Halbjahresbericht
Inhalt
  • Aktionärsbrief von VR-­Präsident und/oder CEO, mit Aussagen zur Strategie und deren Umsetzung (fakultativ)
  • Spartenberichte (fakultativ)
  • Detaillierter Finanzbericht, gemäss jeweiligem Rechnungslegungsstandard
  • Nachhaltigkeitsbericht ab dem Geschäftsjahr 2023 obligatorisch gemäss Art. 964 OR
  • Für Immobilien­ und Investmentgesellschaften gelten zusätzliche Sonderregeln zur Rechnungslegung
  • Bericht zur Corporate Governance (nur im Jahres­, nicht aber im Halbjahresbericht) siehe ➔ ser-ag.com/dam/downloads/regulation/listing/directives/dcg-de.pdf
Tipps
  • Investoren lesen vor allem den Bericht von VR-­Präsident und CEO sowie den Finanzteil (inklusive Erläuterungen)
  • Ein guter Kriterienkatalog für den Inhalt eines Geschäftsberichts (Basis der jährlichen Rangliste für das Value Reporting) findet sich in der Broschüre «Schweizer Geschäftsberichte-­Rating 2024», ab Seite 68
    ➔ geschaeftsberichte-rating.ch/2023/downloads 
  • Immer mehr Unternehmen gehen dazu über, den Geschäftsbericht nur noch auf der Website zu publizieren
  • Die Medienmitteilung zum Geschäfts­ und Halbjahresbericht muss einen Link (direkte URL) zum betreffenden Bericht enthalten oder der Medienmitteilung kann das vollständige Dokument im PDF­-Format angehängt werden
  • Geschäfts­ und Zwischenberichte sind seit 2021 gemäss Art. 4 Abs. 2 RLAhP stets mit einer Ad-­hoc­-Mitteilung zu veröffentlichen

6.7 Website

Beschreibung
  • Die Unternehmenswebsite präsentiert die für alle Anspruchsgruppen – und namentlich für Investoren – relevanten Informationen in strukturierter Form
Zweck
  • Vermittlung aller relevanten Fakten auf einen Blick
  • Vertiefende Informationen etwa zum Finanzbericht und zur Corporate Governance
  • Archivfunktion
Anlass
  • Mit der Kotierung an der Schweizer Börse geht der Anspruch einher, auf der Unternehmenswebsite nicht nur Informationen bereitzustellen, die für Kunden und Mitarbeitende relevant sind, sondern eben auch für Investoren und Medien
Inhalt
  • Es gibt seitens SIX wenige Vorschriften, was eine Unternehmens­-Website enthalten muss
  • Zum Pflichtstoff gehören der Unternehmenskalender (Generalversammlung, Publikationsdaten Jahres­- und Zwischenabschlüsse), Ad-­hoc-­Mitteilungen sowie die Geschäfts­ und Zwischenberichte
  • Darüber hinaus machen die allermeisten Unternehmen auf der Website Informationen verfügbar betreffend:
    • Unternehmensporträt, Strategie, Aktivitäten
    • Corporate Governance
    • spezifische Investorenthemen
    • Medienmitteilungen
    • Nachhaltigkeit
  • Umfang und Inhalt sind stark von der Grösse und der Tätigkeit des Unternehmens abhängig
Tipps
  • Die Website ist Visitenkarte, auch für Investoren. Erstbesucher sollen die wichtigsten Informationen einfach finden und nicht lange suchen müssen.
  • Untersuchungen zeigen, dass Investoren sich mehr für die «About us»-­Seiten als für die IR-­Seiten interessieren; ersteren ist demnach viel Aufmerksamkeit zu schenken, etwa mit Spezialkapiteln zu Strategie, zum Geschäftsmodell oder zu den Absatzmärkten
  • Das Autorenteam des Geschäftsbericht­-Value­-Reporting (siehe vorheriges ➔ Kapitel) publiziert gute Inhaltskriterien für IR­-Websites in der Broschüre «Schweizer Geschäfts­berichte­-Rating 2023», ab Seite 73, Kriterium 10: Digitaler Zugang zum Value Reporting ➔ geschaeftsberichte-rating.ch/2023/downloads
  • Handlungsbedarf aus Investorensicht besteht häufig auf der Landing Page der IR-Website. Diese sollte die wichtigsten IR-­Informationen kompakt darstellen, inklusive IR-­Präsentation zum Download
  • Gemäss Art. 9 Abs. 1 RLAhP sind Ad-­hoc-­Mitteilungen unter Angabe des Datums der Verbreitung in chronologischer Reihenfolge auf der Webseite des Emittenten in einem leicht auffindbaren Verzeichnis aufzuschalten

6.8 Medienmitteilungen

Beschreibung
  • Medienmitteilungen sind ein geeignetes Mittel, um Neuigkeiten rasch und effizient zu kommunizieren
  • Die Bekanntgabe von Informationen über kursrelevante Tatsachen hat einleitend die Klassifikation als «Ad-­hoc­-Mitteilung gemäss Art. 53 KR» zu enthalten.
Zweck/
Anlass
  • Vermittlung kursrelevanter sowie weiterer Informationen, die für Investoren interessant sind
  • Weiterführende Informationen zur Ad­-hoc-­Publizität im ➔Kapitel 8.6
Inhalt
  • Titel und Lead mit Kernaussagen und gegebenenfalls Kennzeichnung als «Ad-­hoc­-Mitteilung gemäss Art. 53 KR»
  • Erläuternder Text
  • Allenfalls Tabellen und weiterführende Informationen und Web-­Links
  • Kontaktangaben (Telefon und E-­Mail)
  • Kurzes Unternehmensporträt (sogenannte Boilerplate)
  • Ev. rechtliche Hinweise (Disclaimer)
Tipps
  • Die Bekanntgabe von kursrelevanten Tatsachten hat dann zu erfolgen, sobald das Unternehmen von der Tatsache in den wesentlichen Punkten Kenntnis hat. Die Veröffentlichung hat wenn möglich ausserhalb der handelskritischen Zeit zu erfolgen (vor 7.30 Uhr oder nach Handelsschluss um 17.40 Uhr). Wenn die Bekanntgabe in Ausnahmefällen in die handelskritische Zeit fällt, muss SIX Exchange Regulation AG umgehend, spätestens jedoch 90 Minuten vor der Bekanntgabe, kontaktiert werden
  • Um im Fall eines IT­-Problems handlungsfähig zu sein, müssen die wichtigsten Empfängeradressen (vgl. Richtlinie betr. Ad-hoc-Publizität) auf einem separaten System gespeichert und der Zugriff darauf gesichert sein
  • Auch empfiehlt sich betreffend den genauen Publikationszeitpunkt eine Reserve, um bei einem IT-­Problem nicht in Konflikt mit den obigen zeitlichen Fristen (90 Minuten von Handelsbeginn) zu geraten
  • Die zentralen Aussagen einer Medienmitteilung, auch wenn es sich um delikate oder negative Sachverhalte handelt, müssen angemessen dargestellt werden, sprich im Titel, Lead oder zumindest auf der ersten Seite
  • Die in den Medienmitteilungen genannte Telefonnummer sollte ab dem Versandzeitpunkt bedient sein
  • Seit 2021 müssen Ad-­hoc-Medienmitteilungen als solche gekennzeichnet, jeweils auf Connexor hochgeladen und in einem separaten Verzeichnis auf der Website abgelegt werden

6.9 Generalversammlung

Beschreibung
  • Im Obligationenrecht vorgeschriebene, jährliche Zusammenkunft der Aktionäre; ausserordentliche Versammlungen je nach Bedürfnis
  • Die Generalversammlung (GV) wird in der Regel durch den Verwaltungsrat einberufen; im Falle einer kotierten Gesellschaft kann sie auch von einem oder mehreren Aktionären, die zusammen mindestens 5 Prozent des Aktienkapitals vertreten, verlangt werden
  • Zu den unübertragbaren Befugnissen der GV und weiteren Rechtsgrundlagen siehe Art. 698 ff OR. (➔ https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/27/317_321_377/ de#part_3/tit_26/chap_3/lvl_A)
  • Für an der Schweizer Börse kotierte Gesellschaften mit Sitz im Ausland gelten die rechtlichen Bestimmungen des jeweiligen Landes
Zweck
  • Die GV ist das aktienrechtliche Beschlussfassungsorgan der Gesellschaft
  • Häufig ist sie zudem die einzige Plattform zur direkten Kommunikation mit den Kleinaktionären
  • In Sonderfällen, etwa in Krisensituationen oder bei umstrittenen M&A-­Projekten, werden GVs auch medial relevant und haben einen breiteren Reputationseffekt
Anlass
  • GVs müssen gemäss schweizerischem Obligationenrecht spätestens sechs Monate nach dem Jahresabschluss durchgeführt werden
Inhalt
  • Die statutarischen Pflichten umfassen die Festsetzung und Änderung der Statuten, die Wahl der Mitglieder des Verwaltungsrates und der Revisionsstelle, die Genehmigung des Lageberichts und der Konzernrechnung, die Genehmigung der Jahresrechnung sowie die Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinnes, insbesondere die Festsetzung der Dividende, sowie die Entlastung der Mitglieder des Verwaltungsrates
  • Die GV stimmt bindend und separat über die Vergütungen ab, die der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung von der Gesellschaft erhalten. Die Statuten regeln die Einzelheiten zur Abstimmung (siehe ➔ Kapitel 2.5).
  • Ab der GV 2024 muss auch der Nachhaltigkeitsbericht der Genehmigung durch die GV unterbreitet werden
  • Die Traktandierung weiterer Verhandlungsgegenstände obliegt dem Verwaltungsrat; Aktionären mit einem Stimmrechtsanteil von neu mindestens 0,5 % haben ein Traktandierungsrecht
  • Eventuell Rahmenprogramm
Tipps
  • Ob und wie die GV, über die rechtlichen Pflichten hinaus, als Plattform mit Reputations­zwecken genutzt werden soll, ist im Rahmen der Unternehmenskommunikation zu definieren
  • Bei wichtigen Abstimmungen – etwa Themen der Corporate Governance oder der Vergütung – ist ein frühzeitiger Austausch mit den wichtigsten institutionellen Investoren und Stimmrechtsberatern empfehlenswert
  • Bei medialem Interesse werden ein separates PR-­Konzept und eine spezifische Medien­betreuung benötigt
  • Wenn die Einladung oder die Abstimmungsresultate Tatsachen enthalten, die vom Emittenten als kursrelevant eingestuft werden, finden die Regeln zur Ad-­hoc­-Publizität Anwendung. In diesem Fall ist eine Ad-­hoc­-Mitteilung zu publizieren. Zusätzlich sind die Originaldokumente auf der Homepage hochzuladen.

Mit der Einführung des neuen Aktienrechts per Anfang 2022 haben sich einige Regeln betreffend Generalversammlung geändert, siehe ➔ Kapitel 8.11

6.10 Social Media

Beschreibung
  • Social Media gehören mittlerweile zum festen Bestandteil der Unternehmenskommunikation
  • Zu den wichtigsten Plattformen für IR gehören X (ehemals Twitter), Linkedin, Facebook und Youtube (eigener Blog, falls vorhanden)
Zweck
  • Breitere Ansprache von (Klein­)-Aktionären
  • Einfaches und effizientes Instrument zur Bekanntgabe von News
  • Weitestgehend selbstadministrierte Verteilliste
Anlass
  • Social Media werden vor allem zur breiteren Distribution von Medienmitteilungen und bei wichtigen 
    IR-­Ereignissen (Investorentag, Investorenpräsentationen) eingesetzt …
  • … und für einen raschen, einfachen Dialog 
Inhalt
  • Kurzfassung von Medienmitteilungen, Link auf weiterführende Informationen
  • Bei IR­-Anlässen (Investorentag, Investorenpräsentationen) eignen sie sich auch zur Vorankündigung, für Updates während des Anlasses und als Follow-­up
Tipps
  • Social Media sind ein «schnelles» Medium, es ist besondere Vorsicht geboten, damit die verteilten Informationen korrekt sind und nicht zu früh publiziert werden (Einhaltung der Ad-­hoc-­Regeln auf allen Accounts, z. B. CEO­Accounts)
  • Live-­Chats durchführen – so lässt sich die Community erweitern und pflegen, z. B. #RiskChat von Firma X
  • Eigene Hashtags kreieren: #InnoDay von Firma X – #UnlockThePotential
  • Cashtag einsetzen: Dollarzeichen und Börsenkürzel, z. B. $ABCD
  • Live­-Streaming eines Investorentags via Periscope (setzt technisches Know-­how voraus)
  • Genügend Ressourcen bereitstellen
  • Monitoring international nicht vergessen
  • One-Voice-­Policy und Schulung Mitarbeitende sicherstellen
  • Die deutsche IR­Vereinigung DIRK hat einen guten Ratgeber zum Thema publiziert, siehe ➔ dirk.org/wp-content/uploads/2020/11/Best-Practice-Guide_Internet- und-Social-Media_final.pdf

6.11 Tipps

  1. Die wichtigsten IR-­Instru­mente sind Einzelgespräche, Roadshow und Investoren­präsentationen. Die Ressourcen sollen vor allem dafür ein­ gesetzt werden, diese direkten Investorenkontakte effizient und effektiv zu gestalten.
  2. Die IR-­Präsentation ist das Schlüsseldokument. Mindestens einmal pro Jahr sollte sie gründlich revidiert werden.
  3. Die Website ist die Visitenkarte und meist erste Anlaufstelle. «There is no second chance to make a first impression!» Investoren sind nicht nur am IR­-Teil interessiert, sondern noch mehr am «About us».
  4. Immer mehr Unternehmen gehen dazu über, den Geschäftsbericht nur noch auf der Website zu publizieren.
  5. In Zusammenhang mit der General­versammlung ist, besonders bei wichtigen Abstimmungen (Themen der Corporate Governance oder Vergütung), ein frühzeitiger Austausch mit den wichtigsten institutionellen Investoren und Stimmrechtsberatern empfehlenswert.

7 Marktbeobachtung und Erfolgskontrolle

Das Wichtigste in Kürze

Um den Markt und die Wahrnehmung des Unternehmens zu beobachten und zu beurteilen, stehen zahlreiche Instrumente zur Verfügung.

Als Minimum werden die Analyse von marktrelevanten Kennzahlen sowie die systematische Auswertung der Beziehungspflege zu Investoren empfohlen.

Der Erfolg von Investor Relations­-Massnahmen lässt sich nur schwer objektiv nachweisen. Tatsächlich können Wirkungszusammenhänge meist nur vermutet werden.

Dennoch gibt es aktienmarkt-­ und publizitätsbezogene Hilfsgrössen, welche Hinweise auf den Erfolg der IR­-Massnahmen geben können, vorausgesetzt, sie werden über einen längeren Zeitraum hinweg ermittelt.

7.1 Marktbeobachtung

Um die Wahrnehmung des Unternehmens festzustellen, müssen IR­-Verantwortliche den Markt und insbesondere die Investorengemeinschaft fortlaufend beobachten.

Dies kann mittels Investoren­-Umfragen und ­Analysen geschehen. Für die Reputation im Kapitalmarkt bestimmend ist meist eine relativ kleine Anzahl gut vernetzter Investoren, welche über aufschlussreiche Informa­tionen verfügen. Diese Individuen können, sofern sie bereit sind (was allerdings nicht immer der Fall ist), Auskunft zur aktuellen Marktsituation geben und zum Unternehmen befragt werden (siehe ➔ Kapitel 7.3). Auch die Kontaktpflege zu Kleinaktionären kann wertvoll sein, da sie durch ihr langfristiges Anlageverhalten eine stabile Umfragegruppe bilden.

Ganz unabhängig davon, in welchem Umfang Befragungen stattfinden, empfiehlt es sich für jeden IR­-Verantwortlichen, aktuelles Datenmaterial zur Hand zu haben. Quantitative Kennzahlen, wie im nachfolgenden ➔ Kapitel Erfolgskontrolle beschrieben, geben Anhaltspunkte zur Be­urteilung der IR­-Arbeit. Diese können zur Auswertung in einem Berichts­ bogen alle drei bis sechs Monate zusammengetragen und analysiert werden.

IR-­Verantwortliche sollten die Beobachtung des Marktes und die Bekannt­gabe der relevanten Kennzahlen über einen möglichst langen Zeitraum gewährleisten können. Es ist nicht empfehlenswert, die Kennzahlen zu­gunsten positiver Selbstdarstellung ständig neu auszuwählen. Bei der Auswahl der Kennzahlen ist es zudem empfehlenswert, eine Palette an gut kombinierbaren Messwerten zu verwenden. 

7.2 Erfolgskontrolle

Der Erfolg von IR­-Massnahmen lässt sich nur schwer objektiv nachweisen.

Denn die Kontrolle von Erfolg setzt immer einen kausalen Zusammen­hang von Massnahme und Wirkung voraus. Dieser ist in der Kommuni­kation selten zweifelsfrei festzustellen.

Welche Qualität hat die IR-­Kommunikation? Welche Effekte ruft sie her­ vor: Zufriedenheit, Vertrauen, Investorenbindung? Wie sinnvoll werden Budgets eingesetzt? Eine isolierte Messung der Wirkung ist in der Pra­xis kaum möglich und die Operationalisierung der Zielgrössen hat sich als problematisch erwiesen. Es stehen kaum geeignete Messmodelle und ­-instrumente zur Verfügung. Tatsächlich können Wirkungszusam­menhänge heute meist nur vermutet werden. Ein über die Erfolgsmes­sung hinausgehendes systematisches Controlling der Investor Relations existiert nicht. Ein «Return on Investment», welcher die Zuordnung von Kosten und Erträgen auf einzelnen Massnahmen erlaubt, ist aufgrund der beschriebenen Problematik aktuell nicht realisierbar.

Gleichwohl gibt es Versuche und Wege, welche eine IR­-Erfolgs­kontrolle mittels systematischer Beschaffung von möglichst objektiven Daten zur Effektivität der durchgeführten Massnah­men aufzeigen. Empirische Untersuchungen für den Aktienmarkt in den USA zeigen, dass die Börsenbewertung von Unternehmen mit einer guten Finanzpublizität im Vergleich zum Branchen­ durchschnitt signifikant höher ist und diese Unternehmen eine tiefere Volatilität aufweisen.

Definierte Strategie und Ziele als Basis der Erfolgsmessung

Es soll zunächst festgestellt werden, ob sich die Investitionen in die Pflege der Aktionärsbeziehungen hinsichtlich der definierten Ziele lohnen und ob sie zweckmässig sind. Dazu gilt es, die Wirkung sowohl einzelner Instrumente als auch des Gesamtprogramms auszuwerten. Hier zeigt sich erneut die Relevanz einer strategischen Zielsetzung für Investor Relations: Die Erfolgsmessung überprüft primär die vorab definierten IR­-Ziele, und die Identifikation geeigneter Erfolgsmasse hängt entscheidend von den definierten Zielgrössen ab.

Was soll überhaupt gemessen werden? Anhaltspunkte geben die Hilfs­grössen für Erfolgskontrolle und die Ebenen der Erfolgsmessung, siehe die beiden nachstehenden Darstellungen.

 

Erfolgskontrolle von IR-Massnahmen
Kriterien für eine aktienmarktbezogene Erfolgskontrolle
Kriterien für eine publizitätsbezogene Erfolgskontrolle
Entwicklung der Grösse und Zusammensetzung des Aktionärskrei­ses (insbesondere Engagement institutioneller Investoren nach IR-Aktivitäten)Zahl der IR-­Veranstaltungen und IR-Gespräche
relative Aktienkursentwicklung zum Gesamtmarkt­ und zur Branche (Analyse der Dividendenrendite, PER, PCFR und PBR)Informationsnachfrageverhalten, Verständnis der vermittelten Informationen sowie Wissensstand über die Gesellschaft bei den Multiplikatoren und Investoren
Entwicklung der titelspezifischen Volatilität im Branchen­ und Zeitvergleich
 
Informationsnachfrageverhalten, Verständnis der vermittelten Informationen sowie Wissensstand über die Gesellschaft bei den Multiplikatoren und Investoren-Aufnahme/Beurteilung der durchgeführten IR-­Aktivitäten in der Financial Community (u. a. mittels Teilnehmerzahlen an Anlässen, geäusserte Kritik, Feedback)
Entwicklung der Börsenumsätze vor und nach IR-­Aktivitäten (z. B. Finanzanalystentreffen, Pressekonferenzen, Roadshows etc.)IR­-Rating durch unabhängige Institutionen (z. B. FuW, pro Swiss Invest, SVFV)
Engagementbereitschaft der Investoren anlässlich von Kapital­erhöhungen und bei AktionärsoptionenZahl/Häufigkeit sowie inhaltliche Qualität der über das Unterneh­men verfassten Gesellschaftsstudien und Presseberichte sowie geäusserter Titelempfehlungen
Anlagetreue der Investoren in Krisensituationen bzw. bei rück­läufiger Entwicklung der Ergebnisse und BörsenkurseBekanntheitsgrad/Finanzimage der Gesellschaft in der Financial Community
 Prognosegenauigkeit der von Analysten veröffentlichten Gewinnschätzungen

Hilfsgrössen für die Erfolgskontrolle von IR-Massnahmen, Quelle: Drill1

Aktienmarkt­ und publizitätsbezogene Hilfsgrössen können nur dann Hinweise auf den Erfolg der IR-­Massnahmen geben, wenn sie über einen längeren Zeitraum hinweg ermittelt werden. Denn kurzfristig ist der Aktienkurs viel stärker von der allgemeinen Marktstimmung, von Trends und der Konjunktur als von den IR abhängig.

 

Ebenen der Erfolgsmessung von Investor Relations
Ebenen der Erfolgsmessung, Quelle: Porak

Auf welchen Ebenen kann der Erfolg der IR beurteilt werden?

  • Auf der Output­-Ebene wird die reine «Produktionsleistung» der IR-­Kommunikation quantitativ gemessen. Dies umfasst z. B. die Anzahl Investorenkontakte, Telefonkonferenzen oder Besuche auf der IR­-Website.
  • Auf der Outgrowth­-Ebene wird die Wahrnehmung durch die Zielgruppen quantitativ und qualitativ erhoben. Wurde die Kommunikationsleistung wahrgenommen und wie wurde sie verstanden?
  • Auf der Outcome­-Ebene wird die Auswirkung der Information auf die Einstellung und das Verhalten der Zielgruppe geprüft. Messinstrumente sind u. a. die Wahrnehmungsanalyse (siehe nachfolgendes ➔ Kapitel 7.3).
  • Zuletzt kann auf der Outflow­-Ebene untersucht werden, welchen Einfluss die Veränderung von Einstellungen und Verhalten auf die Wertschöpfung und den Unternehmenswert hat.

Zu bemerken ist, dass sich die aktuell praktizierten Methoden mehr­ heitlich im Bereich der Leistungsmessung bewegen und sich nicht mit dem eigentlichen Erfolg auseinandersetzen (Outcome und Outflow).

Allgemein gilt, dass nur durch kontinuierliche und langfristige IR­-Arbeit ein Erfolg zu erwarten ist. Mittels kurzfristiger Aktionen, die von Fall zu Fall, etwa unmittelbar vor einer Kapitalerhöhung, betrieben werden, ist das Vertrauen der Investoren kaum zu gewinnen und eine systema­tische Erfolgsmessung unmöglich.

Im Rahmen einer pragmatischen und sinnvollen Umsetzung der Erfolgs­messung können nachfolgende quantitative und qualitative Mess­grössen beigezogen werden. Sie liefern jedoch nur ein grobes, oft nicht repräsentatives Bild des Erfolgs der IR. Zudem fehlt ihnen die Kausalität. Beinahe alle Methoden vernachlässigen die Aufnahme­ und Entscheidungsprozesse der Akteure am Kapitalmarkt, deren Verhalten jedoch ausschlaggebend für die Beurteilung des Unternehmens und damit den Erfolg der IR ist. Eine Kombination von qualitativen und quantitativen Methoden erscheint daher anstrebenswert.

Quantitative Messgrössen

  •  Aktienkurs: Performancevergleich mit einer Peergroup oder führendem Index
  • Volatilität: Schwankung einer Aktie im Vergleich zum Gesamtmarkt
  • Kapitalkosten: erlauben indirekten Rückschluss auf die IR
  • Investoren-­Mix: Privatanleger besitzen grundsätzlich weniger Anteile als institutionelle Anleger, neigen jedoch dazu, ihre Bestände für einen viel längeren Zeitraum zu halten, was zur Ver­ringerung der Preisvolatilität beiträgt. Insider-­Investoren haben tendenziell extrem lange Haltefristen.
  • Investoren nach geografischer Verteilung: Der Erfolg einer Road­ show kann anhand der geografischen Verteilung der Aktionäre gemessen werden. Die Analyse kann ebenfalls zur nächsten Road­-show­-Planung verwendet werden (zum Beispiel in einem Gebiet mit bisher wenigen Aktionären).
  • Käufe und Verkäufe: Wichtige Zu­ und Abgänge im Aktienregister und gemäss Meldepflichten von SIX sollten systematisch erfasst werden.
  • Geld­-Brief­-Spanne: Investoren möchten die Transaktionskosten für den Kauf und Verkauf von Aktien kennen.
  • Durchschnittliche Haltedauer: Ziel der IR ist es, die Haltezeiten zu erhöhen und die Volatilität zu senken.
  • Wertpapiere im Umlauf: Die Anzahl verfügbarer Aktien für den Handel beeinflusst die Preisstabilität. Sind viele Papiere im Markt handelbar, können grosse tägliche Handelsvolumina bewältigt und dadurch die Preisstabilität erhöht werden. Dies wiederum steigert die Attraktivität der Aktie.
  • Handelsvolumen: Durch regelmässige Roadshows kann das Handelsvolumen langfristig erhöht und dadurch die Liquidität gesteigert werden.

Weitere quantitative Kennzahlen finden sich im Buch von Steven Bragg, Seite 225 ff.2

Qualitative Messgrössen

  • Wahrnehmungsanalysen (Befragung von Kapitalmarktteil­nehmern)
  • Analystenabdeckung: Analystenberichte sind ein Verkaufs­instrument für Aktien. Ziel der IR ist eine möglichst breite Research­-Abdeckung des Unternehmens.
  • Anzahl und Zusammensetzung der Teilnehmer an Broker­ Konferenzen, Telefonkonferenzen und Investorentagen (spiegelt Interesse an Unternehmen wider)
  • Inhaltsanalyse von Research-­Berichten der Sell­-side (Untersuchung der Abweichungen)
  • Nutzung der IR­-Webseiten (Zugriffsstatistik und inhaltliche Qualitätsbeurteilung)
  • Jährlich publizierte IR-­Ratings von Organisationen und Medien

1

Drill, Michael: Investor Relations. Funktion, Instrumentarium und Management der Beziehungspflege zwischen schweizerischen Publi­kums­-Aktiengesellschaften und ihren Investoren, Haupt, Bern, 1995

2

Bragg, Steven M.: The Investor Relations Guidebook, 4th edition, Centennial, Colorado, 2020

7.3 Wahrnehmungsanalysen

Wie gut kennen Sie den Markt? Oft sind Eigen-­ und Fremdwahrnehmung nicht deckungsgleich.

Wahrnehmungsanalysen (engl. Perception Studies) offenbaren durch systematische Befragung verschiedener Anspruchsgruppen im Kapital­ markt die Sicht des Marktes auf Unternehmen bezüglich Themen wie Strategie, Innovation, Positionierung, Management und Kommunika­tion. Die Erhebung der Unternehmenswahrnehmung ist ein geeignetes Erfolgsmass der IR, da sie wesentlich von ihrer Kommunikation beein­flusst wird. Die Ergebnisse geben Aufschluss über Informations­- und Vermittlungsdefizite sowie daraus abzuleitende Optimierungspotenziale. Für eine systematische Auswertung und eine Erkennung von Verände­rungen ist eine Wiederholung einer solchen Studie alle 12–18 Monate angezeigt, mit identischen Fragen.

Das Vorgehen der Wahrnehmungsanalyse gliedert sich in drei Schritte:

  • In der ersten Phase gilt es die Befragung vorzubereiten und Umfang und Art der Interviews zu definieren (eventuell mithilfe eines externen Dienstleisters). Dazu wird das aktuelle Informations­material gesichtet, die Umfrageziele, Zielgruppen, das geo­grafische Zielgebiet und die Umfrageinhalte werden festgelegt.
  • In der zweiten Phase stehen die Durchführung der Befragung und die Auswertung und Dokumentation der Ergebnisse im Vor­dergrund.
  • In der dritten Phase geht es um die Auswirkung auf Kommunika­tionsstrategie und ­ziele. Aufgrund der Erhebung der Wahr­nehmung erhält ein Unternehmen Ansatzpunkte zu den aktuellen Informationsbedürfnissen und zielgruppenspezifische Indikatoren für zukünftige Massnahmen.

Je grösser die Marktkapitalisierung und damit der Investorenkreis eines Unternehmens, desto verlässlicher fallen die Resultate aus. Will heissen: Bei Small Caps sind die Resultate zuweilen mit Vorsicht zu geniessen, denn häufig ist nur rund ein Dutzend institutionelle Investoren selbst investiert respektive beschäftigt sich regelmässig mit der jeweiligen Ge­sellschaft. Wenige Stimmen prägen das Bild.

Bei mittelgrossen und grossen Unternehmen ist es lohnenswert, sol­che Studien in verschiedenen Märkten – zum Beispiel: Schweiz, Europa/Grossbritannien, USA – durchzuführen, zumal sich die Wahrnehmung in den einzelnen Ländern häufig wesentlich unterscheidet.

Voraussetzung für gute Wahrnehmungsstudien ist schliesslich, dass die­se von einer neutralen Partei durchgeführt werden, welche gegenüber den befragten Investoren und Analysten Vertraulichkeit zusichert. Dann ist eher zu erwarten, dass diese Klartext reden.

7.4 Tipps

  1. Eine nahe Marktbeobachtung und kontinuierliche Beziehungspflege liefern «unterschwellige» Erkenntnisse und schützen vor Überraschungen.
  2. Die relevanten IR­-Kennzahlen zur Aktie gehören zur regel­mässigen Berichterstattung zuhanden Verwaltungsrat und Geschäftsleitung.
  3. Die Wirkung von IR­-Massnahmen muss auf Basis der vorab festgelegten Ziele erfolgen und anhand der langfristigen Analyse von qualitativen und quantitativen Messgrössen.
  4. Allgemein gilt, dass nur durch kontinuierliche IR-­Arbeit ein Erfolg zu erwarten ist.
  5. Wahrnehmungsstudien sollten von einer neutralen Partei durchgeführt werden, welche gegenüber den befragten Investoren und Analysten Ver­traulichkeit zusichert.

8 Regulatorisches Umfeld, Regelwerk und Reporting SIX

Das Wichtigste in Kürze

An der Schweizer Börse kotierte Unternehmen haben verschiedene Informationspflichten gegenüber ihren Investoren und der Öffentlichkeit.

Diese Pflichten dienen dazu, eine kontinuierliche Transparenz über das kotierte Unternehmen gegenüber allen Marktteilnehmern sicherzustellen.

Es wird zwischen wiederkehrenden sowie ereignis­bezogenen Pflichten unterschieden.

Bei den wiederkehrenden respektive Regelmeldepflichten nimmt das CONNEXOR Reporting eine wichtige Stellung ein. CONNEXOR Reporting ist die offizielle elektronische Meldeplattform für die Übermittlung von Regelmeldepflichten an SIX Exchange Regulation AG.

Bei den ereignisbezogenen Pflichten sind die Regeln zur Ad-hoc-­Publizität am bedeutsamsten. Ad-hoc-Mitteilungen werden ebenfalls über das CONNEXOR Reporting an SIX Exchange Regulation AG übermittelt.

Für die Ad-hoc­-Publizität benötigt jeder Emittent eine klare Regelung der Verantwortlichkeiten, inklusive Stellvertretungen. Die personelle und IT-­Infrastruktur muss so ausgelegt sein, dass jederzeit innert kürzester Frist eine Medienmitteilung erstellt, genehmigt und publiziert werden kann, inklusive Back­up­Variante zum Beispiel im Fall einer IT­-Panne.

Den Emittenten obliegt es schliesslich, für das Thema Insiderinformation firmeneigene Regeln und Prozedere zu definieren. Die Unternehmen sind dafür verantwortlich, dass die nötigen Kontrollmechanismen installiert sind und kriminelles Verhalten aufgedeckt wird.

8.1 Relevante Regulatoren

Der schweizerische Gesetzgeber verlangt von Börsen, dass diese Regeln für Emittenten und Börsenteilnehmer erlassen, überwachen und durchsetzen.

SIX, zu welcher die Börsen SIX Swiss Exchange AG und SDX Trading AG sowie das multilaterale Handelssystem SIX Repo AG gehören, verfolgt eine konsequente Trennung von regulatorischen Funktionen und dem operativen Geschäft sowie innerhalb ihres börsenrechtlichen Regulierungsauftrags zwischen Regelsetzung, Regelvollzug und Recht­sprechung.

Zu diesem Zweck wurden folgende regulatorische Organe geschaffen:

  • Regulatory Board
    Setzt in den Regularien die Regeln für Emittenten und Teilneh­mer (inkl. Händler) fest; die vom Regulatory Board erlassenen Reglemente müssen jeweils der Eidgenössischen Finanzmarkt­aufsicht FINMA zur Genehmigung vorgelegt werden.
  • Drei Rechtsprechungsinstanzen
    Die drei Instanzen Sanktionskommission, Beschwerdeinstanz und Schiedsgericht erlassen Entscheide betreffend die Ver­letzung der Regularien, wenn das Verfahren nicht mittels eines Sanktionsbescheides durch SIX Exchange Regulation AG abgeschlossen wird.
  • SIX Exchange Regulation AG
    SIX Exchange Regulation AG reguliert und überwacht die Börsen­teilnehmer und Emittenten im Rahmen der Selbstregulierung. Zu ihren Aufgaben gehört auch die Kotierung von Effekten an der Börse von SIX. SIX Exchange Regulation AG fällt Sanktionsbe­scheide, soweit ihr die Reglemente diese Kompetenz erteilen, oder stellt Sanktionsanträge.
Schematische Übersicht über die für SIX relevanten regulatorischen Organe

Mehr Informationen siehe: ➔ ser-ag.com/de/about.html

8.2 Kotierung und Zulassung

Der Zugang zur Schweizer Börse erfolgt durch Kotierung oder Zulassung zum Handel.

8.2.1 Kotierung

Eine Kotierung, die Aufnahme von Wertpapieren in den Börsenhandel, erfolgt auf Gesuch des Emittenten. Das Verfahren richtet sich nach unterschiedlichen regulatorischen Standards je nach Effektenkate­gorie, Kotierungsvoraussetzung und Rechnungslegungsstandard. Das Kotierungsgesuch ist von einer anerkannten Vertretung einzureichen. Anleihen und Derivate können als Vorstufe zur Kotierung über CONNEXOR Terms oder Internet Based Terms (IBT) angemeldet und provisorisch zugelassen werden.


8.2.2 Zulassung zum Handel

Anleihen, die an einer anerkannten ausländischen Börse kotiert sind, können an der Schweizer Börse auf Veranlassung eines Börsenteilnehmers ohne umfassendes Kotierungsverfahren zum Handel zugelassen werden. Derselbe vereinfachte Zugang zum Handel ist auch möglich für in- und ausländische Anlagefonds im SIX Handelssegment Sponsored Funds.

8.3 Wiederkehrende und ereignisbezogene Pflichten

Die Informationspflichten für ein primärkotiertes Unternehmen sind an der Schweizer Börse im Vergleich zu anderen Börsen überschaubar. So ist etwa die Quartalsberichterstattung freiwillig.

Wiederkehrende und ereignisbezogene Pflichten

Wiederkehrende Pflichten

Corporate Reporting
  • Finanzberichterstattung: Jahres­-/Halbjahresbericht, Alternative Performancekennzahlen
  • Corporate Governance: Informationen zur Governance und Führung des Unternehmens (z. B. Zusammensetzung und Vergütung des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung); «Comply or Explain»­-Regel
Regelmeldungen

Technische und administrative Informationen zum Emittenten und zu Effekten (z. B. Informationen zur Dividende)

Ereignisbezogene Pflichten

Ad-hoc-Publizität

Informationen zu kursrelevanten Tatsachen (z. B. wesentliche Gewinnveränderungen, Restrukturierungen, Kaufangebote). Geschäfts­- und Zwischenberichte sind stets mit Ad-­hoc-­Mitteilung zu veröffentlichen.

Offenlegung von Management-Transaktionen

Meldung aller relevanten Transaktionen von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung

Offenlegung von Beteiligungen

Meldung durch die meldepflichtige Person oder Gruppe bei Erreichung, Über­ oder Unterschreitung der Stimmrechts­ Grenzwerte von: 3%, 5%, 10%, 15%, 20%, 25%, 33 1⁄3 %, 50% oder 66 2⁄3%

Kommunikationspflichten zur Aufrechterhaltung der Kotierung an der Schweizer Börse

Die einzelnen Pflichten sind nachfolgend einzeln skizziert. 

8.4 Corporate Reporting

8.4.1 Finanzberichterstattung

8.4.1.1 Rechnungslegung

An der Schweizer Börse kotierte Unternehmen sind verpflichtet, in der Finanzberichterstattung zweimal jährlich ein wahrheitsgetreues Bild ihrer Vermögens­, Finanz­ und Ertragslage («True and Fair View») nach einem anerkannten Rechnungslegungsstandard zu vermitteln. Diese sind:

  • International Reporting Standard: IFRS, US GAAP
  • Swiss Reporting Standard: Swiss GAAP FER, bankengesetzlicher Rechnungslegungsstandard
  • Standard für Investmentgesellschaften: IFRS, US GAAP
  • Standard für Immobiliengesellschaften: IFRS, Swiss GAAP FER
  • Standard Sparks: IFRS, US GAAP, Swiss GAAP FER, banken­gesetzlicher Rechnungslegungsstandard
  • Standard für SPACs: IFRS, US GAAP
  • Standard für Hinterlegungsscheine: IFRS, US GAAP
Weiterführende Informationen

Richtlinie betreffend Rechnungslegung, siehe ➔ ser-ag.com/de/topics/corporate-reporting.html

8.4.1.2 Alternative Performancekennzahlen

Für Emittenten von Beteiligungsrechten gelten seit 1. Januar 2019 Trans­ parenzgrundsätze für die Verwendung von Alternativen Performance­ kennzahlen (APM). Danach dürfen APM nicht irreführend sein. Dazu gelten die folgenden Grundsätze:

  • Klare und verständliche Definition von APM
  • Aussagekräftige Bezeichnung
  • Überleitungsrechnung
  • Prominenz der Darstellung
  • Stetige Verwendung
  • Offenlegung von Abweichungen in der Stetigkeit
Weiterführende Informationen

Richtlinie Alternative Performancekennzahlen, siehe ➔ ser-ag.com/dam/downloads/regulation/listing/directives/DAPM-de.pdf

 

8.4.2 Corporate Governance

Die Regeln zur Corporate Governance weisen die Emittenten an, wichtige Aspekte zur obersten Führung ihres Unternehmens zu publizieren. Hierunter fallen Informationen zu:

  • Organisationsstruktur der Gruppe, inklusive aller Tochtergesell­schaften und Angaben zu den bedeutenden Aktionären
  • Kapitalstruktur
  • Zusammensetzung des Verwaltungsrats (mit Kurz-­Lebenslauf)
  • Zusammensetzung der Geschäftsleitung (mit Kurz­-Lebenslauf)
  • Vergütung, Beteiligungen und Darlehen von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung
  • Mitwirkungsrechte der Aktionäre
  • Kontrollwechsel und Abwehrmassnahmen
  • Transparenz über nichtfinanzielle Belange
  • Revisionsstelle
  • Informationspolitik
  • Handelssperrzeiten

Die Informationen zur Corporate Governance sind entweder im Geschäftsbericht oder – für Emittenten im Standard Sparks – wahlweise in einem separaten Dokument zeitgleich mit dem Geschäftsbericht zu veröffentlichen. Diese Informationen sollen sich auf das für Investoren Wesentliche beschränken und dies sachgerecht und verständlich darlegen. Wird von der Offenlegung von bestimmten Informationen abgesehen, ist auf diesen Umstand hinzuweisen und dies substanziell zu begründen («Comply or Explain»-Prinzip). Massgebend sind die Verhältnisse am Bilanzstichtag. Wesentliche Änderungen zwischen Bilanzstichtag und Redaktionsschluss des Geschäftsberichts sind in geeigneter Form nachzutragen.

Weitergehende Informationen betreffend den Inhalt und den Umfang der Offenlegungspflichten der Emittenten sind in der Richtlinie Corporate Governance (RLCG), siehe: ➔ dcg-de.pdf (ser-ag.com).

Mit Wirkung vom 1. Januar 2023 wurde die RLCG mit dem revidierten Aktienrecht harmonisiert. Die Anpassungen beziehen sich auf die fle­xibleren Gründungs­ und Kapitalvorschriften für Aktiengesellschaften, die Überführung der Bestimmungen der Verordnung gegen übermäs­sige Vergütung bei börsenkotierten Aktiengesellschaften (VegüV) in das Obligationenrecht sowie die Bestimmungen für besseren Schutz von Menschen und Umwelt.

Im Zuge der Revision der RLCG wurde auch der Leitfaden zur RLCG überarbeitet, siehe ➔ ser202301-de.pdf (ser-ag.com).

Zudem weiterführende Informationen auf dieser Website ➔ ser-ag.com/de/topics/corporate-reporting.html

 

8.4.3 Nachhaltigkeitsberichterstattung

Per 1. Juli 2017 trat eine Bestimmung in Kraft (Art. 9 Richtlinie Corporate Governance), die eine freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung für kotierte Unternehmen ermöglicht (Opting In). Damit wird der wachsen­ den Bedeutung der Nachhaltigkeitsberichterstattung Rechnung getra­gen. Mit dem Opting In verpflichten sich die Emittenten, einen von SIX Exchange Regulation AG anerkannten Standard für die Nachhaltig­keitsberichterstattung zu verwenden.

Die folgenden Regelwerke zur Nachhaltigkeitsberichterstattung werden anerkannt:

  • Global Reporting Initiative (GRI)
  • Sustainability Accounting Standards Board Standard (SASB)
  • IFRS Sustainability Disclosure Standards (ISSB)
  • European Sustainability Reporting Standards (ESRS)

Die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist in Art. 9 der Richtlinie Corporate Governance (RLCG) geregelt, siehe: ➔ dcg-de.pdf (ser-ag.com)

Zudem weiterführende Informationen auf dieser Website ➔ ser-ag.com/de/topics/corporate-reporting.html

Die aktuelle Liste von Emittenten mit einem Opting In ist auf der Webseite von SIX abrufbar: ➔ six-group.com/de/products-services/the-swiss-stock-exchange/market-data/shares/sustainability-reporting.html

8.5 Regelmeldungen

Diese Meldepflichten sollen gewährleisten, dass der Börse und den Marktteilnehmern technische und administrative Informationen über die kotierten Effekten rechtzeitig und in geeigneter Form zur Verfügung stehen. Darunter fallen etwa Informationen zu:

  • Namensänderungen
  • Kapitalstruktur
  • Dividende
  • Generalversammlung
  • Aktualisierung diverser Weblinks

Bei den Regelmeldepflichten nimmt das CONNEXOR Reporting eine wichtige Stellung ein. CONNEXOR Reporting ist die offizielle elektroni­sche Meldeplattform für die Übermittlung von Gesellschaftsereignis­ sen. Als offizielles und obligatorisches Meldetool für Meldepflichten von SIX Exchange Regulation AG ermöglicht es den Emittenten, ihren börsenrechtlichen Meldepflichten in einem Schritt einfach, zuverlässig und zeitgerecht nachzukommen. Mit der Verwendung von CONNEXOR Reporting können Emittenten für ihre Gesellschaftsereignisse maxi­male Datenqualität sicherstellen, dank Validierungsregeln, die eine formelle Überprüfung der Eingabe an der Schnittstelle zu CONNEXOR Reporting vornehmen. Zur Erfassung von Gesellschaftsereignissen werden vordefinierte Eingabemasken mit einer breiten Palette an unterschiedlichen Ereignistypen zur Verfügung gestellt.

Nützliche Tipps CONNEXOR Reporting

  • Es ist empfehlenswert, dass mehrere Personen über einen Zugriff verfügen, damit die Meldungen auch bei Ferien­ oder Krankheits­abwesenheiten fristgerecht an SIX Exchange Regulation AG übermittelt werden können.
  • Fristenmanagement immer unter Beachtung von Anhang 1 der Richtlinie Regelmeldepflichten
  • Beachten, dass manche Meldungen nicht nur an SIX Exchange Regulation AG, sondern auch Dritten (Hauptzahlstelle, Marktteil­nehmer, SIS etc.) übermittelt werden => Ad-­hoc­-Publizitätsregeln nicht verletzen
Weiterführende Informationen

Richtlinie betreffend Regelmeldepflichten für Emittenten mit Beteiligungs­rechten (Beteiligungspapieren), Anleihen, Wandelrechten, Derivaten und kollektiven Kapitalanlagen, siehe ➔ ser-ag.com/dam/downloads/regulation/listing/directives/drro-de.pdf

Zur effizienten und einfachen Erfüllung der Meldepflichten gibt es die elektronische Meldeplattform «CONNEXOR Reporting» (Verwendung obligatorisch), siehe ➔ ibc.six-swiss-exchange.com/usafelogin/Login?Location=https%3A%2F%2Fibc%2Esix%2Dswiss%2Dexchange%2Ecom%2Fibc%2F

8.6 Ad-hoc-Publizität

8.6.1 Grundlagen

Die Informationspflicht im Rahmen der Ad-hoc­-Publizität betrifft kursrelevante, nicht öffentlich bekannte Tatsachen, die im Tätigkeitsbereich eines börsenkotierten Unternehmens eintreten.

Beispiele, die im Einzelfall kursrelevante Tatsachen darstellen können:

  • Finanzzahlen (Geschäfts-­ und Zwischenberichte sind stets mittels Ad-­hoc­-Mitteilung zu veröffentlichen)
  • Wichtige personelle Änderungen im Unternehmen
  • Fusionen
  • Übernahmen
  • Abspaltungen
  • Restrukturierungen
  • Kapitalveränderungen
  • Kaufangebote
  • Änderungen im Geschäftsverlauf (z.B. neue Vertriebspartner, neue und bedeutende Produkte, Rückzug oder Rückruf eines bedeutenden Produkts etc.)
  • Informationen betr. Geschäftsergebnisse (z.B. wesentliche Gewinnveränderungen wie Gewinneinbruch/Gewinnsprung oder Gewinnwarnung, Einstellung der Dividende etc.)
  • Bedeutende Verschiebungen in der Aktionärsstruktur
  • Sanierungen

Im Falle einer Ad-hoc­-Kommunikationspflicht müssen mindestens die folgenden Empfänger mit einer als «Ad-hoc­-Mitteilung gemäss Art. 53 KR» gekennzeichneten Medienmitteilung bedient werden:

  • SIX Exchange Regulation AG (für primärkotierte via Connexor Reporting)
  • zwei elektronische Informationssysteme wie zum Beispiel Reuters oder Bloomberg
  • zwei Schweizer Medien (gedruckt oder elektronisch) von nationaler Bedeutung und
  • jeder Interessierte auf Anfrage (Push­-System)
  • Zeitgleich mit der Verbreitung muss die Ad-hoc-­Mitteilung auf der Webseite des Emittenten in einem leicht auffindbaren Verzeichnis für Ad-hoc-­Mitteilungen aufgeschaltet werden (Pull­-System).

Emittenten primärkotierter Beteiligungsrechte müssen für die Übermittlung ihrer Ad-­hoc­-Mitteilungen an SIX Exchange Regulation AG aus­ schliesslich die elektronische Meldeplattform «CONNEXOR® Reporting» – wie für die Regelmeldepflichten – benutzen.

Für die Ad­-hoc-­Publizität benötigt jeder Emittent eine klare Regelung der Verantwortlichkeiten, inklusive Stellvertretungen. Die personelle und IT-­Infrastruktur muss so ausgelegt sein, dass jederzeit innert kür­zester Frist eine Ad-­hoc­-Mitteilung erstellt, genehmigt und publiziert werden kann, inklusive Back-­up-­Plan zum Beispiel im Fall einer IT­-Panne.

Weiterführende Informationen

Richtlinie betreffend Ad-­hoc-­Publizität, siehe ➔ https://www.ser-ag.com/dam/downloads/regulation/listing/directives/DAH-de.pdf

Leitfaden zur Richtlinie betreffend Ad-­hoc-­Publizität, siehe ➔ https://www.ser-ag.com/dam/downloads /publication/commentaries/2022-03-21-guideline-dah-de.pdf

Aktualisierung des Issuers Committee Rundschreiben Nr. 1 im Bereich der Ad­-hoc­-Publizität und der Corporate Governance, siehe ➔ https://www.ser-ag.com/dam/downloads/regulation/listing/communiques-regulatory-board/com202306-de.pdf

Microsite und FAQ der SIX Exchange Regulation AG, siehe
https://www.ser-ag.com/de/projects/revision-ad-hoc-.html Leitfaden zur Applikation und zur Registrierung von Ad-hoc-Mitteilung­ CONNEXOR® Reporting, siehe ➔ ser-ag.com/dam/images/Media/Onboarding_Connexor_Reporting_DE.pdf und
ser-ag.com/dam/images/Media/Manual_Connexor_Reporting_DE.pdf

 

8.6.2 Gerüchte versus Tatsachen

Zur Beantwortung der Frage, ob in Bezug auf ein Ereignis eine Bekannt­gabepflicht gemäss den Regeln zur Ad-hoc-­Publizität besteht, hat sich der Emittent folgende Fragen zu stellen:

 

Gerüchte, Ideen und Absichten sind keine Tatsachen
Bekanntgabepflicht im Rahmen der Ad-hoc-Publizität

8.6.3 Gewinnwarnung

Der Umgang mit Financial Guidance und besonders mit wesentlichen Veränderungen der (erwarteten) Umsätze und Gewinne ist für Emittenten häufig eine Knacknuss.

SIX Exchange Regulation AG wendet in der Praxis folgende Definitionen und Grundsätze an:

Definition Gewinnwarnung:

  • Emittent weckte mittels Prognose Erwartungen im Markt
  • Voraussehbares Resultat weicht nennenswert von der früheren Prognose ab
  • Korrektur der Prognose: Gewinnwarnung mittels Ad-hoc­-Mitteilung (Gebot von Treu und Glauben)

Definition Gewinneinbruch und Gewinnsprung:

  •  Emittent gab keine Prognose ab
  • Voraussehbares Resultat weicht erheblich vom Vorjahreswert ab
  • Publikation von Ad-hoc­-Mitteilung

 

Das Thema Gewinnwarnung/Gewinneinbruch/Gewinnsprung wird über­ dies diskutiert im ➔ Kapitel 3, Financial Guidance.

 

8.6.4 Bekanntgabeaufschub

Bei geplanten, kursrelevanten Projekten wie etwa einem M&A­-Projekt stellt sich vielfach die Frage des Bekanntgabeaufschubs. Das Hinausschieben der Bekanntgabe ist dann möglich, wenn die drei folgenden Bedingungen kumulativ erfüllt sind:

  • Die Tatsache beruht auf einem Plan oder Entschluss des Emit­tenten (kein Bekanntgabeaufschub für Finanzzahlen, Jahres­ und Halbjahresberichte).
  • Deren Verbreitung ist geeignet, die berechtigten Interessen des Emittenten zu beeinträchtigen.
  • Die umfassende Vertraulichkeit ist gewährleistet (Geheim­haltung; Entwurf Ad-hoc­-Mitteilung vorbereiten; bei Informationsleck sofortige Publikation nach Absprache mit SIX Exchange Regulation AG).

8.6.5 Ad-hoc-Mitteilung während handelskritischer Zeit

Vorgehensweise bei Bekanntgabe von kursrelevanten Tatsachen während der handelskritischen Zeit

Die Bekanntgabe von kursrelevanten Tatsachten hat zu erfolgen, sobald der Emittent von der Tatsache in den wesentlichen Punkten Kenntnis hat. Die Veröffentlichung hat ausserhalb der handelskriti­schen Zeit zu erfolgen: grds. vor 7.30 Uhr oder nach Handelsschluss um 17.40 Uhr. Wenn die Bekanntgabe in Ausnahmefällen in die handels­kritische Zeit fällt, muss SIX Exchange Regulation AG umgehend, spä­testens jedoch 90 Minuten vor der Bekanntgabe, kontaktiert werden, um je nach Situation den Handel mit den betroffenen Wertpapieren vorübergehend einstellen zu können.

1. Telefonische Kontaktaufnahme Team Corporate Disclosure von SIX Exchange Regulation AG
  • Erreichbarkeit unter +41 58 399 55 05 an Börsentagen von 07.30 Uhr bis 17.40 Uhr
  • Schilderung des Sachverhalts
  • Kursrelevante Tatsache: Stellungnahme und Begründung
  • Mögliche Handelseinstellung: Stellungnahme und Begründung
  • Publikationszeitpunkt: grundsätzlich 90 Minuten nach Kontaktaufnahme
2. E-Mail zur Authentifizierung und Dokumentierung

Umgehend nach telefonischer Kontaktaufnahme Versand E-­Mail an adhoc@six­group.com mit folgendem Inhalt:

  • Sachverhalt: Zusammenfassung
  • Kursrelevante Tatsache: Stellungnahme und Begründung
  • Mögliche Handelseinstellung: Stellungnahme und Begründung
  • Publikationszeitpunkt: grundsätzlich 90 Minuten nach Kontaktaufnahme
  • Beilage Entwurf Medienmitteilung
3. Vorbereitung Ad-hoc-Mitteilung
  • Finalisierung Mitteilung
  • Vorbereitung und Terminierung Versand und Publikation
4. Versand Ad-hoc-Mitteilung
  • Versand der Ad-hoc­-Mitteilung darf erst dann erfolgen, wenn SIX Exchange Regulation AG dem Emittenten mittels E-­Mail die umgehende Publikation der Mitteilung genehmigt und ihn über eine allfällige Handelseinstellung informiert hat.

8.7 Offenlegung von Management-Transaktionen

Emittenten müssen Transaktionen in relevanten Finanzinstrumenten (Aktien; Wandel­, Erwerbs­ sowie Veräusserungsrechte etc.) durch ihre Verwaltungsrats­ und Geschäftsleitungsmitglieder nach folgender Vorgehensweise offenlegen:

  • Der Emittent ist verpflichtet, die meldepflichtigen Personen in sachgerechter und nachhaltiger Art und Weise über die Pflichten zur Offenlegung von Management-­Transaktionen zu instruieren, zu schulen und in regelmässigen Abständen zu erinnern.
  • Mitglieder des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung müssen dem Emittenten alle meldepflichtigen Transaktionen innerhalb von zwei Börsentagen ab Entstehung der Meldepflicht (Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts/bei Börsengeschäften: ab Ausführung der Transaktion) melden.
  • Der Emittent hat die Transaktion (unter anderem mit Angabe des Namens, des Geburtsdatums und der Funktion der melde­pflichtigen Person) innerhalb von weiteren drei Börsentagen auf der elektronischen Melde­ und Veröffentlichungsplattform von SIX Exchange Regulation AG zu erfassen.
  • Die Meldung wird ohne Nennung von Name und Geburtsdatum, jedoch unter Angabe der entsprechenden Funktion auf der Webseite von SIX Exchange Regulation AG veröffentlicht.
Weiterführende Informationen

Regularien, Richtlinien und Leitfaden zur Richtlinie betreffend Offenlegung von Management­-Transaktionen, siehe ➔ ser-ag.com/de/topics/management-transactions.html

Eingabe von Management­-Transaktionen via elektronische Melde­ und Veröffentlichungsplattform, siehe ➔ disclosure.six-exchange-regulation.com/obligations/management_transaction/ddeal/login_de.html

Publizierte Management­-Transaktionen, siehe ➔ https://www.ser-ag.com/de/resources/notifications-market-participants/management-transactions.html#/

Revision der Regularien inkl. überarbeiteter Leitfaden (Inkrafttreten per 1. Februar 2024), siehe ➔ https://www.ser-ag.com/dam/downloads/regulation/listing/communiques-regulatory-board/com202308-de.pdf

8.8 Offenlegung von Beteiligungen

Aktionäre sind verpflichtet, ihre Beteiligung an einem kotierten Unter­ nehmen offenzulegen. Ebenfalls meldepflichtig sind Personen, die zur Ausübung von Stimmrechten nach freiem Ermessen ermächtigt sind.

  • Aktionäre sowie Personen, die zur Ausübung von Stimmrechten nach freiem Ermessen ermächtigt sind, müssen unter anderem ein Erreichen, Über­ oder Unterschreiten der folgenden Stimm­rechts-­Grenzwerte dem Emittenten und der Offenlegungsstelle innerhalb von vier Börsentagen melden: 3%, 5%, 10%, 15%, 20%, 25%, 33 1⁄3%, 50% oder 66 2⁄3%.
  • Die Meldepflicht entsteht mit der Begründung des Anspruchs auf Erwerb oder Veräusserung von Beteiligungspapieren (Verpflichtungsgeschäft), unabhängig davon, ob dieser Anspruch einer Bedingung unterliegt.
  • Der Emittent veröffentlicht die Meldung innert zwei Börsentagen nach Eintreffen über die von der Offenlegungsstelle betriebene elektronische Veröffentlichungsplattform OLSdigital.

8.9 Ausnützen von Insiderinformationen und Marktmanipulation

Ein regelkonformer Handel ist ein wesentlicher Faktor für die Reputation des Börsen­ und Finanzplatzes Schweiz. Surveillance & Enforcement überwacht die Schweizer Börse so, dass Insiderhandel, Kurs­ und Marktmanipula­tionen und weitere Gesetzes­ und Reglementsverstösse aufgedeckt werden.

Als Insiderinformationen gelten vertrauliche Informationen, deren Bekanntwerden geeignet ist, den Kurs von Effekten erheblich zu beein­flussen. Aus Unternehmenssicht kritische Themen sind namentlich Übernahmesituationen sowie die Kommunikation mit (der Gesellschaft allenfalls nahestehenden) bedeutenden Aktionären. Auch bei Blocktra­des, dem Handel mit eigenen Aktien oder Aktienrückkäufen ist beson­dere Vorsicht geboten. Die gesetzlichen Regeln sind breit gefasst. Im Einzelfall können Indizienbeweise für eine Verurteilung ausreichen.

Der Bereich Surveillance & Enforcement bei SIX Exchange Regulation AG überwacht die Kursbildung und den Handel an den Börsen von SIX so, dass das Ausnützen von Insiderinformationen, Kurs­ und Marktmani­pulationen sowie Gesetzes­ und Reglementsverletzungen aufgedeckt werden können. Bei Verdacht auf Gesetzesverletzungen oder sonstige Missstände werden weitergehende Untersuchungen durchgeführt. Bei Reglementsverstössen leitet SIX Exchange Regulation AG Sank­tionsverfahren ein.

Bei Verdacht auf Gesetzesverstösse werden die Untersuchungsergeb­nisse der FINMA angezeigt. Die Zuständigkeit der FINMA ist im Bereich des Insiderhandels und der Marktmanipulation nicht beschränkt auf die der FINMA­Regulierung unterstellten und prudenziell beaufsichtigten Personen und Institute. Damit kann die FINMA grundsätzlich gegen jede fehlbare Person vorgehen und Massnahmen verfügen. Die FINMA geht Anzeichen für aufsichtsrechtlich relevantes Verhalten nach und zeigt Anzeichen für strafrechtlich relevantes Verhalten eben­ falls bei den Strafverfolgungsbehörden – wie z. B. der Bundesanwaltschaft – an. Die Bundesanwaltschaft verfügt über wirksame Instrumente und ist bei vorliegender Evidenz auch berechtigt, zum Beispiel Hausdurchsuchungen durchzuführen und auf Mobiltelefone und Com­puter zuzugreifen.

Je nachdem, wer Sanktionen ausspricht, reichen mögliche Massnah­men vom Berufsverbot über Bussen bis zu Haftstrafen von maximal fünf Jahren. Auch kann die FINMA eine Feststellungsverfügung erlas­sen oder öffentlich publizieren sowie einen unrechtmässigen Gewinn einziehen.

Den Emittenten obliegt es, für das Thema Insiderinformation firmen­ eigene Regeln und Prozedere zu definieren. Für potenziell delikate Sachverhalte müssen Insiderlisten geführt und mit jedem Involvierten Vertraulichkeitsvereinbarungen unterzeichnet werden. Die Unterneh­men sind dafür verantwortlich, dass die nötigen Kontrollmechanismen installiert sind und kriminelles Verhalten aufgedeckt wird. Der beste Schutz für die Gesellschaft ist eine gute Governance der Insiderinfor­mationen.

Auffälligkeiten im Handel seiner Titel kann der Emittent der Handels­überwachungsstelle von SIX Exchange Regulation AG anzeigen ➔ ser-ag.com/de/contacts/contact-enc.html

Weiterführende Informationen

Bundesgesetz über die Finanzmarktinfrastrukturen und das Markt­ verhalten im Effekten­ und Derivatehandel (Finanzmarktinfrastruktur­gesetz, FinfraG), insbesondere Art. 142f. sowie Art. 154.
➔ fedlex.admin.ch/eli/cc/2015/853/de

FINMA Rundschreiben 2013/8 «Marktverhaltensregeln»
➔ finma.ch/de/~/media/finma/dokumente/dokumentencenter/myfinma/rundschreiben/finma-rs-2013-08-01012021_de.pdf?la=de

8.10 Börsenäquivalenz

Der Bundesrat hat eine Anerkennungspflicht für ausländische Handelsplätze eingeführt. Die betreffende Verordnung trat am 1. Juli 2019 in Kraft. Ziel ist es, den Schweizer Finanzplatz und seine Börsen zu schützen und den europäischen Marktteilnehmern einen unver­ änderten Zugang zum liquidesten und tiefsten Order­ buch der an SIX kotierten Beteiligungspapiere und damit deren effizienten Handel sicherzustellen.

Seit 2019 anerkennt die Europäische Kommission (EK) die Schweiz nicht mehr als gleichwertigen Handelsplatz. Im Gegenzug hat der Bundesrat eine Verordnung eingeführt, um die Funktionsfähigkeit der Schweizer Börseninfrastrukturen zu schützen und wahren.

Gestützt auf die Verordnung wurde am 1. Januar 2019 eine Anerken­nungspflicht für ausländische Handelsplätze eingeführt, die mit Betei­ligungspapieren (z. B. Aktien) von Unternehmen mit Sitz in der Schweiz handeln, welche an einer Schweizer Börse kotiert oder an einem Schweizer Handelsplatz zum Handel zugelassen sind («Schweizer Aktien»). Gemäss der Verordnung des Bundesrates sind Aktien von Gesellschaften mit primärer Kotierung an SIX, die ihren Sitz nicht in der Schweiz haben, von der Massnahme ausgenommen.

Die gewünschte Folge der Verordnung ist, dass Wertpapierfirmen aus der EU weiterhin Zugang zum Schweizer Markt haben und Schweizer Aktien weiterhin auf deren Heimatmarkt handeln können.

Infolge des Brexit haben Anfang 2021 das Vereinigte Königreich und im Gegenzug die FINMA die jeweiligen Handelsplätze anerkannt und die beidseitigen Beschränkungen wurden aufgehoben. Im Juni 2022 hat der Bundesrat entschieden, die Schutzmassnahme in ordentliches Recht zu überführen.

Weitere Informationen auf der Microsite von SIX zu diesem Thema:
➔ six-group.com/de/products-services/the-swiss-stock-exchange/site/exchange-equivalence.html
 

8.11 Neues Aktienrecht

Das seit 2021 schrittweise eingeführte neue Aktienrecht enthält eine Vielzahl kleinerer und auch einige grössere Neuerungen. Für die Inves­ tor Relations ist es insofern relevant, als die Minderheitsaktionäre mehr Rechte erhalten. Bisher hatten sie – neben dem Stimmrecht – lediglich Anrecht darauf, einmal jährlich an der Generalversammlung kritische Fragen zu stellen. Neu muss der Verwaltungsrat Aktionären, die min­destens 10 Prozent des Kapitals oder der Stimmen vertreten, zwischen den Generalversammlungen innert vier Monaten Auskunft erteilen. Auch wurden die Schwellenwerte für das Recht, an der GV Anträge zu stellen, gesenkt: Statt 10 braucht es neu bei kotierten Gesellschaften nur noch 0,5 Prozent.

Zudem hält die Digitalisierung im Aktienrecht Einzug, indem die bislang physische Form und Präsenz an Generalversammlungen gelockert werden.

Hier eine Auswahl wichtiger Neuerungen:

Generalversammlungen an mehreren Orten oder virtuell
  • Eine Generalversammlung darf an mehreren Orten gleichzeitig stattfinden. Es können diverse Lokale rund um die Welt definiert und die Handlungen der Standorte je live in die anderen Standorte übertragen werden. Bei einer Abstimmung stimmen die Aktionäre an allen Standorten gleichzeitig ab.
  • Aktionäre können aus Distanz an einer Generalversammlung teilnehmen und dürfen sich dabei auch elektronisch zuschalten, sich per Video zu Wort melden und mitstimmen.
  • Sofern es die Statuten einer Gesellschaft vorsehen, sind auch virtuelle Generalversammlungen möglich und können wie Videokonferenzen durchgeführt werden.
  • Generalversammlungen können neu auch schriftlich abgehalten werden.
  • Gesellschaften, welche von diese neuen Möglichkeiten Gebrauch machen wollen, müssen rechtzeitig die dafür nötige technische Infrastruktur bereitstellen und die rechtlich korrekten Prozesse definieren.
  • Durch die elektronische Stimmabgabe haben Aktionäre die Mög­ lichkeit, ohne physisch präsent zu sein an einer GV teilzunehmen, und müssen dem Stimmrechtsvertreter somit keine Weisungen mehr erteilen.
Einführung von Frauenquoten
  • In Verwaltungsräten sollen beide Geschlechter zu mindestens 30 Prozent vertreten sein, in Geschäftsleitungen zu mindestens 20 Prozent. Die Übergangsfrist für die Verwaltungsräte beträgt fünf Jahre (sprich bis 2027), für Geschäftsleitungen zehn Jahre (2032).
  • Werden die Quoten nicht erreicht, müssen die Unternehmen im Geschäftsbericht die Gründe sowie Massnahmen zur Verbesserung darlegen.
  • Harte Sanktionen sind nicht vorgesehen. Der Gesetzgeber vertraut auf die Prangerwirkung nicht erfüllter Quoten.
Strengere Regeln für unabhängigen Stimmrechtsvertreter
  • Stimmrechtsvertreter müssen neu Weisungen von Aktionären bis zur Generalversammlung vertraulich behandeln.
  • Sie dürfen der Geschäftsleitung oder dem Verwaltungsrat zwar eine allgemeine Auskunft über Stimmrechtstendenzen zu einzelnen Traktanden abgeben, aber frühestens drei Werktage vor der GV.
  • An der Versammlung müssen sie erklären, welche Informationen sie zuvor der Gesellschaft erteilt haben. So wird Transparenz hergestellt.
  • Die Vorschrift zur Unabhängigkeit der Stimmrechtsvertreter wird verschärft. Sie müssen neu so unabhängig sein wie eine externe Revisionsstelle.
Ausblick

Im Kontext einer weitergehenden Reform des Finanzmarktrechts hat der Bundesrat im Juni 2024 die Vernehmlassung zu einer Teilrevision des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes (FinfraG) eröffnet. Voraussichtlich treten die neuen Regeln frühestens 2027 in Kraft und betreffen das Führen von Insiderlisten, die Ad-hoc-Publizität, Management-Transaktionen und das Offenlegungsrecht sowie Übernahmerecht. => Vernehmlassung 2023/99: www.fedlex.admin.ch/filestore/fedlex.data.admin.ch/eli/dl/proj/2023/99/cons_1/doc_1/de/pdf-a/fedlex-data-admin-ch-eli-dl-proj-2023-99-cons_1-doc_1-de-pdf-a.pdf

8.12 Tipps

  1. Für die Ad­-hoc­-Publizität benötigt jeder Emittent eine klare Regelung der Verantwortlichkeiten, inklusive Stell­vertretungen. Die personelle und IT­-Infrastruktur muss so ausgelegt sein, dass innert kürzester Zeit eine Ad-­hoc-Mitteilung erstellt, genehmigt und publiziert werden kann, inklusive Back­up-­Plan zum Beispiel im Fall einer IT­-Panne.
  2. Eine Gewinnwarnung ist zu publizieren, sobald ein Mitglied der Geschäftsleitung oder ein nicht­exekutives Verwaltungsrats­mitglied ungefähre Kenntnis über die nennenswerte Abweichung von der zuvor veröffentlichten Prognose hat.
  3. Was die Offenlegung von Beteiligungen betrifft, kann sowohl die Höhe des Aktienbesitzes als auch die Identität der bedeutenden Aktionäre für Investoren relevant sein. Die Änderung des Anteils­besitzes kann somit kursrelevant sein und damit sowohl der Ad­-hoc­-Publizitätspflicht und der Publikationspflicht der Beteiligung durch den Emittenten unterliegen. Die Publikation durch Dritte von kursrelevanten Informationen im Zusammenhang mit einem Emittenten befreit den Emittenten nicht von seiner Pflicht, eine Ad-­hoc­-Mittei­lung zur selben Information zu publizieren.
  4. Betreffend CONNEXOR Reporting empfiehlt sich, dass mehrere Personen über einen Zugriff verfügen, damit die Meldungen auch bei Ferien­ oder Krankheitsabwesenheiten fristgerecht an SIX Exchange Regulation AG übermittelt werden können.

9 Organisation der Investor Relations

Das Wichtigste in Kürze

Innerhalb eines Unternehmens beschäftigen sich verschiedene Personen und Funktionen mit IR­-Aufgaben, angefangen beim VR-­Präsidenten und dem CEO hin zum CFO, IRO, Kommunikationschef sowie allenfalls externen Beratern.

Die zentrale Rolle hat der oder die IRO (Investor Relations Officer) inne, bei kleineren Unternehmen häufig als Teilaufgabe zusammen mit einer anderen Funktion, etwa CFO, Generalsekretär oder Kommunikationschef. Demgegenüber führen IROs bei Grossunternehmen eigene Teams.

Die Kommunikation mit Investoren und Analysten verlangt nach ganz spezifischen Kenntnissen und Kompetenzen, die sich zum Beispiel von denjenigen eines guten Kommunikationschefs teils deutlich unterscheiden.

Die meisten Unternehmen erledigen die wichtigste IR-­Tätigkeit, die direkte Interaktion mit den institutionellen Investoren und den Analysten, mit eigenen Ressourcen. Gleichwohl gibt es gute Gründe, externe Unterstüt­zung beizuziehen.

9.1 Organigramm und Einordnung

Je nach Grösse des Unternehmens und der strategischen Bedeutung der Investor Relations sind die IR­-Aufgaben in den einzelnen Unternehmen ganz unterschiedlich organisiert.

In der Praxis lässt sich die Zuordnung zu den folgenden Funktionen beobachten – nach Häufigkeit:

  • CFO
  • CEO
  • Kommunikationschef

Organisatorisch sind die folgenden Möglichkeiten verbreitet:

  • Eigenständige Stabsstelle, vor allem bei Small & Mid Caps verbreitet: direkte Anbindung an den CEO, CFO oder Kommuni­kationschef
  • Zentralstelle, also wie oben, aber dabei Teil eines grösseren Corporate Services Teams
  • Linienfunktion, meist der Finanzabteilung zugeordnet

9.2 Jobprofil IR Officer

Die Kommunikation mit Investoren und Analysten verlangt nach ganz spezifischen Kenntnissen und Kompetenzen, die sich zum Beispiel von denjenigen eines guten Kommunikationschefs teils deutlich unterscheiden.

Ein Investor Relations Officer hat ein komplexes Profil, er oder sie muss sich in folgenden Tätigkeiten auskennen:

  • Kommunikationsstratege (Entwicklung der Kapitalmarktstory, Positionierung des Unternehmens am Kapitalmarkt)
  • Sprecher und «Vermarkter» (Präsentationsveranstaltungen, Einzelgespräche) des Unternehmens am Kapitalmarkt
  • Analyst (Peergroup­-Analysen, Investor Targeting, Perception Study, Interpretation und Diskussion von Analystenberichten)
  • Berater von Management und zuweilen auch des Verwaltungs­rats in Kapitalmarktfragen
  • Schriftsteller (Erstellen von Geschäfts­ und Zwischenberichten, Ad­hoc­Mitteilungen, Reden etc.)
  • Präsentationsgestalter (IR-­Präsentationen)
  • Online­-Manager (Gestaltung und Content-­Management der IR­-Seiten im Internet, Monitoring Online­-Portale, Social Media)
  • Veranstaltungsmanager (Roadshows, Konferenzen, General­versammlung)
  • Permanenter «Übersetzer» und «Netzwerker» im Unternehmen sowie zwischen Unternehmen und Zielgruppen

Aus der Kombination dieser Fähigkeiten lässt sich ableiten, was einen guten IR Officer ausmacht:

  • Gute Kenntnisse über das Unternehmen und seine Märkte: möglichst dank eigener Erfahrungen sowie direktem Zugang zu guten Informationsquellen innerhalb und ausser­halb des Unternehmens
  • Gute Kenntnisse in Finanz­ und Rechnungswesen, in der Finanzanalyse und der Funktionsweise der Kapitalmärkte
  • Versiert in der zwischenmenschlichen ebenso wie der schriftlichen Kommunikation
  • Organisationstalent
  • In der Schweiz: Mehrsprachigkeit respektive gute Englisch­kenntnisse

Ein Stellenbeschrieb für einen IR Officer einer mittelgrossen Gesellschaft umfasst in der Regel die folgenden Punkte:

  • Regelmässige Kommunikation mit Investoren und Analysten
  • Marktbeobachtung: Marktentwicklung in Bezug auf das finanzielle Umfeld, Reputationsfragen und generelle Trends, Berichterstattung an das Management
  • Benchmarking gegenüber Vergleichsgruppe
  • Sicherstellung der Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften und Börsenrichtlinien
  • Management der IR­-Präsentation
  • Management der IR-­Website
  • Management der Medienmitteilungen für Finanzresultate
  • Aktualisierung der Kontaktliste für Analysten/Investoren (für Meetings) und der Verteilerliste (für die Verteilung der Pressemitteilungen)
  • Organisation Investoren-­Roadshows und ­Präsentationen
  • Entwicklung respektive Akquirierung neuer Investorengruppen
  • Zusammenarbeit mit der Schweizer Börse und anderen Auf­sichtsbehörden
  • Erfolgsmessung und ­-kontrolle

Spezifische Projekte

  • Entwicklung und Umsetzung IR-­/Kommunikationsstrategie für kapitalmarkt-­ oder finanzrelevante Themen, in enger Zusammenarbeit mit dem Kommunikationsteam
  • Organisation von Medien­-/Analysten-­/Investorenkonferenzen (oder Telefonkonferenzen/Webcasts) zur Präsentation von Jahres-­/Halbjahresresultaten
  • Entwurf und Management von Geschäftsbericht/Zwischenberich­ten sowie allfälligen Spezialberichten (etwa zum Thema Nachhal­tigkeit), in Zusammenarbeit mit dem Kommunikationsteam
  • Organisation Investorentag

Korn Ferry publiziert zum Jobprofil und den Salären von IROs in den USA regelmässig eine Studie, siehe
➔ www.niri.org/niri/media/protected-documents/2022-niri_kf-iro- study-results.pdf

9.3 Externe Unterstützung

Die meisten Unternehmen erledigen die wichtigste IR­-Tätigkeit, die direkte Interaktion mit den institu­tionellen Investoren und den Analysten, mit eigenen Ressourcen.

Gleichwohl gibt es gute Gründe, externe Unterstützung beizuziehen:

  • Für kleinere Unternehmen, die keine Mitarbeitenden für IR haben oder fest anstellen wollen, als «verlängerte Werkbank», etwa für das Management von Medienmitteilungen, Geschäfts­ und Zwischenberichten oder die IR­-Website
  • Für den Zukauf von Expertise bei spezifischen Projekten, für klei­nere wie für grössere Unternehmen, etwa bei Kapitalmarkt­ transaktionen (M&A, Spin­off/Börsengang), in Krisensituationen, für Wahrnehmungsstudien oder – aufgrund MiFID zunehmend wichtiger – die Organisation von Roadshows
  • Für einen regelmässigen oder gelegentlichen Check von aussen
  • Für ausländische, an der Schweizer Börse kotierte Unternehmen als eine Art Statthalter in der Schweiz, auch für regulatorische Belange

Eine erfolgreiche IR-Beratung setzt voraus:

  • Unabhängigkeit und Objektivität
  • Langfristige Auslegung (wenn nicht auf ein spezifisches Projekt bezogen, Beispiel M&A)
  • Gute Vernetzung im Finanz­ und Kapitalmarkt und in der jeweiligen Branche
  • Kompetenz im fachlichen Bereich
  • Kompetenz im menschlichen Bereich

Gute IR-Berater unterscheidet von weniger guten, dass IR­-Ziele defi­niert und festgezurrt sind, bevor diverse IR­-Massnahmen geplant und umgesetzt werden. Und zudem, wie bei jedem Unternehmensberater, eine hohe Effizienz in der Zusammenarbeit.

Neben IR-­Beratern greifen Unternehmen für allerlei Sachfragen auf die Dienste externer Spezialisten zurück – keine abschliessende Aufzählung:

  • Auf Juristen, insbesondere bei Kapitalmarkttransaktionen oder heiklen Fällen der Ad­-hoc­-Publizität oder der Rechnungslegung
  • Auf spezialisierte Beratungsfirmen zur Durchleuchtung der Aktionärsstruktur, im Fachjargon Aktionärsidentifikation (siehe ➔ Kapitel 4.4)
  • Auf spezialisierte Anbieter für das Führen des Aktienregisters

9.4 Tipps

  1. Es gibt keine universal gültige oder richtige Ausgestaltung der IR-­Funktion. Die Unternehmen sind frei, eine für sie passende Lösung zu finden.
  2. IR ist Synonym für Kommunikation mit dem Kapitalmarkt und insofern ein Produktionsfaktor, um einem Unternehmen zu helfen, die Ressource Kapital möglichst kostengünstig zu sichern und zu beschaffen. Diese Prämisse hilft im Budgetierungsprozess.
  3. Drängt sich der Beizug oder Wechsel des IR-Beraters auf, ist es empfehlenswert, sich von Marktkennern, Investoren, Analysten und vergleichbaren Unternehmen mögliche Partner vorschlagen zu lassen.
  4. Eine auch für die IR­-Funktion passende Managementweisheit von Toyota: «Sei streng mit dem Prozess, aber sanft mit den Mitarbeitern.»

10 Kontakte und Adressen

10.1 SIX Issuer Relations-Team, Primary Markets

Das Team Issuer Relations der Schweizer Börse steht Unternehmen bei Fragen rund um ihre Kotierung beratend zur Seite. Wir betreuen Sie individuell, kompetent und mit massgeschneiderten Dienstleistungen. Gemeinsam arbeiten wir für Ihren Erfolg.

Für weitere Informationen siehe: ➔ six-group.com/de/products-services/the-swiss-stock-exchange/listing/equities/services-for-issuers.html

Anregungen, welche bei der nächsten Überarbeitung des Investor Rela­tions­ Handbuchs berücksichtigt werden sollten, sind willkommen auf:
iir@six-group.com oder kontaktieren Sie uns unter +41 58 399 2245.

10.2 SIX Exchange Regulation AG

Kotierung & Zulassung
listing@six-group.com

Ad­-hoc­-Publizität
adhoc@six-group.com

Regelmeldungen
reporting-obligations@six-group.com

Corporate Reporting
reporting@six-group.com

Management-­Transaktionen
management-transactions@six-group.com

Offenlegung Beteiligungen
disclosure-office@six-group.com

Einreichung Prospekt
prospectus-office@six-group.com

Handelsüberwachung
ser-ag.com/de/contacts/contact-enc.html

Weitere Informationen siehe:
ser-ag.com/de/contacts.html

10.3 IR club Schweiz

Der IR club Schweiz wurde 1992 unter dem Namen Schweizerische Investor Relations Vereinigung (SIRV) gegründet, mit dem Ziel, sich als freiwillige Interessensgemeinschaft börsenkotierter Unternehmen für die Anliegen des Investor Relations­-Berufs einzusetzen. Die Mitglieder setzen sich aus an der Schweizer Börse kotierten Gesellschaften zusam­men, wodurch der IR club Schweiz allen Investor Relations­ Mitarbei­tenden dieser Mitgliedsfirmen offensteht.

Heute ist der IR club Schweiz ein (inter)aktives Forum. Mitglieder tau­schen Erfahrungen aus, wichtige IR-­Themen werden aufgegriffen und diskutiert, Lösungen werden transparent gemacht. Best Practice ist der Weg zum Ziel sowie gute Kontakte der Mitglieder zu Investoren, Vermögensverwaltern und Analysten im In­- und Ausland.

Weitere Informationen auf ➔ irclub.ch

11 Weiterführende Literatur

Dedeyan, Daniel: Regulierung der Unternehmenskommunikation. Aktien­ und Kapitalmarktrecht auf kommunikationstheoretischer Grundlage, Schulthess Verlag, Zürich, 2015

Dürr, Michael: Investor Relations – Handbuch für Finanzmarketing und Unternehmenskommunikation, Oldenbourg, München, 1995

Hoffmann, Christian Pieter/Schiereck, Dirk/Zerfass, Ansgar: Handbuch Investor Relations und Finanzkommunikation, Springer Gabler, Wiesbaden, 2022

Janz, Rainer/Löll, Jessica: Finanzmarktkommunikation. Grundlagen einer praktischen Investor Relations, Grin Verlag, Gelsenkirchen, 2015

Meier-­Pfister, Martin/Thommen, Andreas S. (Hrsg.): Erfolgsfaktor Investor Relations? Finanzkommunikation in der Schweiz, Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich, 2002

Müller, Andreas/Oser, David, VegüV – Quo vadis? Umsetzung der Bestimmungen der Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften im Vorentwurf zur «grossen» Aktienrechtsrevision. GesKR, die Zeitschrift für Gesellschafts-­ und Kapitalmarktrecht, Zürich, 2015.

Neubert, Luzius/Zöbeli, Daniel: Stimmrechtsberater. Separatdruck aus Schmitz, Daniela/Döhnert, Karsten/Zöbeli, Daniel (Hrsg.): Die Min­der-­Initiative bei Pensionskassen – Situationsanalyse und Praxisemp­ fehlungen, Zug und Regensdorf, 2015 ➔ Stimmrechtsberater

Porák, Victor/Fieseler, Christian: Investor Relations, Grundlagen der Finanzkommunikation, Haupt Verlag, Bern, 2005

Schöchli, Hansueli: Wie gross der Einfluss von Chefs auf ihre Firma ist, Neue Zürcher Zeitung, Zürich, 26. Januar 2018

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