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Investor Relations Handbuch


4 Kernzielgruppe Investoren

Das Wichtigste in Kürze

Spricht man gemeinhin von Investor Relations, ist die Kommunikation mit professionellen oder sogenannten institutionellen Investoren gemeint.

Am schweizerischen Aktienmarkt haben Value-­Investoren das grösste Gewicht, in ihren Händen liegen rund 40 Prozent des SPI. In den letzten Jahren stark gewachsen sind Indexfonds, die inzwischen über 20 Prozent des SPI halten. Existierende und neue Investorenmodelle fokussieren immer stärker auch auf ESG­-Kriterien, so dass ESG-Bewertungen mittler­weile zu den Basis­-Daten der IR gehören.

Eine Kernaufgabe der Investor Relations besteht darin, aus der Fülle möglicher Investoren diejenigen zu eruieren, die gut zum jeweiligen Unternehmen passen: das Investor Targeting.

Am Schweizer Aktienmarkt entfallen knapp 80 Prozent auf Investoren mit Domizil im Ausland.

Es lohnt sich, im Rahmen der kontinuierlichen Investor Relations und besonders bei Kapitalmarkttransaktionen oder delikaten General­versammlungen den Kontakt zu den Stimmrechtsberatern zu suchen.

 

Letzte Aktualisierung am 25. August 2025

4.1 Typologie und Anlagestile

Spricht man gemeinhin von Investor Relations, ist die Kommunikation mit professionellen oder sogenannten institutionellen Investoren gemeint.

Zu den wichtigsten institutionellen Investoren zählen Aktienfonds, Indexfonds, Hedgefonds, Versicherungen und Pensionskassen.

Zahlenmässig bedeutend, aber im Vergleich zu den institutionellen Inves­toren meist mit vergleichsweise wenig Stimmrechten ausgestattet sind Privatanleger, auch Retailaktionäre genannt. Eine Zwischenform sind vermögende Privatpersonen, auch High Net Worth Individuals (HNWI) genannt.

Die institutionellen Investoren verfolgen in der Regel einen der beiden folgenden Investmentprozesse:

  • Beim Bottom-up-Verfahren oder Stock­-Picking liegt der Fokus auf der konkreten Einzeltitelauswahl. Branchen­ oder regionale Streuung wird hier kaum oder nur als langfristiges Instrument zur Risiko­streuung eingesetzt.
  • Beim Top-down-Verfahren bewerten Investoren Märkte und ihre Perspektiven und suchen in den favorisierten Branchen oder Regionen dann nach Einzeltiteln.

Betreffend Anlagestil wird unterschieden:

  • Beim Growth-Ansatz stehen die Wachstumsaussichten der Unternehmen im Mittelpunkt, sprich Umsatz, Gewinn oder Cashflow pro Aktie sollen schneller wachsen als bei anderen Unternehmen der Branche.
  • Beim Value-Ansatz steht eine günstige Bewertung und die Stabilität des Investments im Vordergrund. Value­-Investoren suchen Aktien, die sie als vom Markt unterbewertet einstufen, meist verbunden mit hoher Dividendenrendite.
  • Beim Blend- oder Core-Ansatz werden sowohl Wachstums­ als auch Substanzwerte berücksichtigt.
Investoren aller SPI-Unternehmen nach Anlagestil

Investoren aller SPI-Unternehmen nach Anlagestil, Quelle IHS Markit/IR club Schweiz, Swiss Ownership Trends Q4 2023 (gerundete  Zahlen)

Die obige Grafik zeigt die Investoren am schweizerischen Aktienmarkt nach Anlagestil. Entsprechend dem sogenannten «defensiven» Profil des schweizerischen Aktienmarktes machen Value­-Investoren die wichtigste Gruppe aus. In ihren Händen liegen rund 40 Prozent des SPI. In den letzten Jahren stark gewachsen sind Indexfonds, die inzwischen über 20 Prozent des SPI halten und nicht nur bei den Large Caps, sondern auch bei den Small Caps ein ernstzunehmender Faktor geworden sind.

4.2 Investor Targeting

Der «richtigen Investorenbasis» kommt aus nahe­liegenden Gründen höchste Bedeutung zu.

So schätzen die Unternehmen, dass ihre Aktie über die nächsten zwei bis drei Jahre um 15 Prozent ansteigen und die Volatilität um 20 Prozent sinken würde, wenn sie die perfekte Investorenbasis hätten (Studie National Investor Relations Institute und the Rock Center for Corporate Governance)1. Folgerichtig gehören das verstärkte Engagement bei bestehenden Investoren sowie die Diver­sifikation der Investorenbasis zu den beiden wichtigsten Zielen der in Westeuropa kotierten Gesellschaften (IR­-Umfrage BNY Mellon2).

Eine Kernaufgabe der Investor Relations besteht demnach darin, aus der Fülle möglicher Investoren diejenigen zu eruieren, die gut zum jeweiligen Unternehmen passen. Unternehmen können dafür auf die Dienste von Banken oder spezialisierten Beratern zurückgreifen oder das Heft selbst in die Hand nehmen. Die nachfolgenden Kriterien sind dafür hilfreich. Erforderlich für ein Investor Targeting ist ein Zugang zu Datenbanken (siehe ➔ Kapitel 4.3), welche eine Selektion der Inves­toren anhand unterschiedlicher Kriterien erlauben, aktuelle Portfolio­strukturen aufzeigen und weitere Marktdaten zur Verfügung stellen.

Kriterien für das Investor Targeting

  1. Anlagestil: «Marry fundamentals with complementary shareholder base»
  2. Peer-­Investoren: Verstehen, wieso ein Fonds eine Peer­-Aktie besitzt
  3. Investorentyp, etwa Pensionskasse versus ETF­-Aktienfonds
  4. Sektorfokus
  5. Grösse des Investors, minimale Anlagevolumina
  6. Grösse der Unternehmen, z. B. Small Cap Aktienfonds versus Large Cap Aktienfonds; Vorsicht bei Übergang von Small zu Mid Cap bzw. Mid Cap zu Large Cap, da andere Ansprechpartner
  7. Anlagehorizont
  8. Thematischer Fokus, z. B. ESG oder Blue Chips
  9. Regionaler/Länderfokus: Umsatzverteilung anschauen und gegebenenfalls lokale Präsenz nutzen; Know-­how von Brokern/Partnern/Consultants nutzen

Bei einer datenbankgestützten Investorenselektion kann eine Priorisie­rung der Kriterien wirkungsvoll sein. Meist stehen dabei die Kriterien «Anlagestil» und «Sektorfokus» zuoberst. So lassen sich beispielsweise über Peer-Group-Vergleiche Investoren identifizieren, die Anteile an Wettbewerbern halten, nicht aber in das eigene Unternehmen inves­ tiert sind.

Eine Portfolioanalyse anhand weiterer Kriterien zeigt, welche Punkte bei den Entscheidungen eines Investors eine Rolle spielen. Basierend auf dieser Fundamentalanalyse kann die eigene «Kapitalmarktstory» akzentuiert werden. Ist zum Beispiel die eigene jährliche Wachstums­ rate höher als die des Wettbewerbes? Dann lohnt es sich, dem Manager eines «Growth»­-Fonds die Frage zu stellen, weshalb dieser eigentlich in den Wettbewerb, nicht aber in das eigene Unternehmen investiert. Schliesslich ist zu bedenken, dass mit der Zunahme passiver Vehikel immer mehr Anlageentscheidungen am Aktienmarkt nicht von Menschen, sondern von künstlicher Intelligenz getroffen werden.

1

National Investor Relations Institute und the Rock Center for Corporate Governance: 2014 Study on How Investment Horizon and Expectations of Shareholder Base Impact Corporate Decision­Making, Stanford University, 2014 ➔ gsb.stanford.edu/sites/gsb/files/publication-pdf/cgri-survey-2014-investment-horizon.pdf

2

BNY Mellon, Global Trends in Investor Relations – Survey 2020. New York, 2020. ➔ https://meira.me/wp-content/uploads/2020/10/global-trends-in-investor-relations-2019.pdf

11 Kontakte und Adressen

Letzte Aktualisierung am 25. September 2025

11.3 IR club Schweiz

Der IR club Schweiz wurde 1992 unter dem Namen Schweizerische Investor Relations Vereinigung (SIRV) gegründet, mit dem Ziel, sich als freiwillige Interessensgemeinschaft börsenkotierter Unternehmen für die Anliegen des Investor Relations­-Berufs einzusetzen. Die Mitglieder setzen sich aus an der Schweizer Börse kotierten Gesellschaften zusam­men, wodurch der IR club Schweiz allen Investor Relations­ Mitarbei­tenden dieser Mitgliedsfirmen offensteht.

Heute ist der IR club Schweiz ein (inter)aktives Forum. Mitglieder tau­schen Erfahrungen aus, wichtige IR-­Themen werden aufgegriffen und diskutiert, Lösungen werden transparent gemacht. Best Practice ist der Weg zum Ziel sowie gute Kontakte der Mitglieder zu Investoren, Vermögensverwaltern und Analysten im In­- und Ausland.

Weitere Informationen auf ➔ irclub.ch

12 Weiterführende Literatur

Dedeyan, Daniel: Regulierung der Unternehmenskommunikation. Aktien­ und Kapitalmarktrecht auf kommunikationstheoretischer Grundlage, Schulthess Verlag, Zürich, 2015

Dürr, Michael: Investor Relations – Handbuch für Finanzmarketing und Unternehmenskommunikation, Oldenbourg, München, 1995

Hoffmann, Christian Pieter/Schiereck, Dirk/Zerfass, Ansgar: Handbuch Investor Relations und Finanzkommunikation, Springer Gabler, Wiesbaden, 2022

Janz, Rainer/Löll, Jessica: Finanzmarktkommunikation. Grundlagen einer praktischen Investor Relations, Grin Verlag, Gelsenkirchen, 2015

Meier-­Pfister, Martin/Thommen, Andreas S. (Hrsg.): Erfolgsfaktor Investor Relations? Finanzkommunikation in der Schweiz, Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich, 2002

Müller, Andreas/Oser, David, VegüV – Quo vadis? Umsetzung der Bestimmungen der Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften im Vorentwurf zur «grossen» Aktienrechtsrevision. GesKR, die Zeitschrift für Gesellschafts-­ und Kapitalmarktrecht, Zürich, 2015.

Neubert, Luzius/Zöbeli, Daniel: Stimmrechtsberater. Separatdruck aus Schmitz, Daniela/Döhnert, Karsten/Zöbeli, Daniel (Hrsg.): Die Min­der-­Initiative bei Pensionskassen – Situationsanalyse und Praxisemp­ fehlungen, Zug und Regensdorf, 2015 ➔ Stimmrechtsberater

Porák, Victor/Fieseler, Christian: Investor Relations, Grundlagen der Finanzkommunikation, Haupt Verlag, Bern, 2005

Schöchli, Hansueli: Wie gross der Einfluss von Chefs auf ihre Firma ist, Neue Zürcher Zeitung, Zürich, 26. Januar 2018

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